Christian Hochfeld leitet seit etwas mehr als fünf Jahren den ThinkTank Agora Verkehrswende. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärte er, wie sich unsere Mobilität in den kommenden Jahren verändern dürfte. Und diese Veränderungen werden laut Hochfeld „radikal“ werden müssen, damit der Verkehrssektor seine Klimaschutzziele erreichen kann: Die CO2-Emissionen müssen in diesem Bereich bis zum Jahr 2030 um gut die Hälfte sinken.
„Wir alle werden sehr viel ändern müssen“, sagt Hochfeld, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Zwei Dinge müssen seiner Meinung nach möglichst schnell umgesetzt werden: „Wir brauchen sehr viel mehr Elektroautos als heute. Und wir müssen Verkehr vermeiden, bündeln und verlagern“, so der Direktor der Agora Verkehrswende. Daran führe kein Weg vorbei, und die Maßnahmen werden „radikal“ ausfallen müssen, so Hochfeld, da die Politik das Thema nachhaltiger Verkehr bislang auf die lange Bank geschoben hat.
Für die Gesellschaft sei aufgrund der politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre „eine sehr schwierige Lage entstanden“. Denn die neue Regierung, die Ende September gewählt wird, werde „unangenehme Maßnahmen“ einführen müssen, „wenn sie den Klimaschutz ernst nimmt“. Hochfeld bringt das Dilemma auf den Punkt: „Es wird den Anschein haben, als greife sie in den Giftschrank, dabei bügelt sie nur die Untätigkeit der bisherigen Regierung aus.“
„Klimaschädlicher Verkehr wird teurer. Anders wird es nicht gehen“
„Klimaschädlicher Verkehr wird teurer. Anders wird es nicht gehen, da ist sich die Wissenschaft einig“, sagt Hochfeld. „Das wissen auch alle Parteien“, erklärt er, aber kaum jemand wage es, diese unangenehme Wahrheit auch auszusprechen. Diese „unehrliche Politik“ ärgere ihn: „Denn ohne höhere Preise bekommt keine Regierung eine Lösung hin, die das Bundesverfassungsgericht aber einfordert.“ Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer habe „an dieser Misere seinen Anteil“, da das Verkehrsministerium zwar Klimaprogramme aufgelegt habe, die aber „nur die Hälfte des Nötigen bringen. Man kann es nicht anders sagen: Es hat sich die Rosinen herausgepickt und Milliarden in Fördermaßnahmen gesteckt“.
Hochfeld fordert, un diese Versäumnisse aufzuholen, ein Sofortprogramm, welches „quasi als erste Hilfe“ für weniger CO2 im Verkehrssektor aufgelegt sein sollte. Für Pkw schlägt er drei Maßnahmen vor: „Benzin muss teurer werden. Dienstwagen sollten nur noch Steuererleichterungen bekommen, wenn sie vor allem elektrisch fahren. Und bei der Kfz-Steuer müssen wir E-Autos entlasten, Spritschlucker belasten“. Im Anschluss brauche es „aber endlich mal ein Gesamtkonzept“.
„Auf den wichtigsten Exportmärkten haben Verbrenner bald keine Chance mehr“
Viele Hersteller wie etwa VW und Audi sowie Mercedes, die den Abschied vom Verbrenner bereits angekündigt haben, seien „inzwischen weiter als die Politik“. Auch das sei „ein Zeugnis für das Regierungsversagen in den vergangenen Jahren.“ Der Wandel aber werde kommen, so oder so, sagt Hochfeld, und warnt davor, diese Veränderung als Gefahr zu sehen. „Dabei unterschätzen wir die Gefahren, wenn wir nichts ändern“, gibt er zu bedenken: „China, die USA, Kanada, Südkorea, Japan, die Europäische Kommission – alle schärfen ihre Klimaziele nach. Das heißt: Auf den wichtigsten Exportmärkten haben Verbrenner bald keine Chance mehr.“ Und wer in der Autoindustrie „bei diesem Wandel nicht mit vorne dabei ist, bekommt ein gewaltiges Problem, größer als das dieser schwierigen Transformation.“
Zwar gebe es auch bei Elektroautos berechtigte Umweltbedenken: „Aber die lassen sich ausräumen“, und außerdem müsse man „fair“ vergleichen: „Wie viele Tankerunglücke gibt es, wie viele Erdölförderstellen sind ökologisch desaströs? Wie viel Öl wird von Despoten verkauft? Wo ich auch hinhöre, scheint aber die Batterie unser größtes Umweltproblem zu sein. Das ist schon schräg“, so Hochfeld in der SZ.
Die aktuell einzig vernünftige Lösung seien Elektroautos, so der Leiter der Agora Verkehrswende. Und damit diese nutzerfreundlicher werden, müsse die Ladeinfrastruktur so schnell wie möglich besser ausgebaut werden. Denn es sei „sehr wahrscheinlich, dass in 25 Jahren fast alle Autos in Deutschland elektrisch fahren“. Und es sei nicht wirtschaftlich und praktikabel, „bis dahin den Straßenrand in Städten mit Hunderttausenden langsamen Ladesäulen zupflastern“. Hochfeld findet, am meisten Potenzial in den Städten habe „eher das Tankstellenprinzip mit Schnellladehubs – neben dem Laden in der eigenen Garage oder am Arbeitsplatz“. Dann sei eine verbraucherfreundliche Ladeinfrastruktur „sicher machbar“.
„Jeder soll seine Mobilität ausleben, wie er mag“
Zur Verkehrswende gehöre auch, dass der öffentliche Raum neu verteilt wird, so Hochfeld weiter. „Autos werden künftig nur noch weniger Platz beanspruchen können“, sagt er. „Sie stehen 23 von 24 Stunden in Städten herum“, was „keine sinnvolle Nutzung von öffentlichen Flächen“ sei. Auch Tempo 30 könnte die Lebensqualität in Städten deutlich erhöhen. Hochfeld geht davon aus, dass „ein Wettbewerb um neue Mobilitätskonzepte und besseres Stadtleben entstehen wird – sicher mit weniger Autos.“
„Freiheit und Spaß“ sollen dabei aber nicht eingeschränkt werden, sagt Hochfeld: „Jeder soll seine Mobilität ausleben, wie er mag. Wir schreiben ja auch nicht die Wohnungsgröße vor. Wenn jemand cruisen möchte, dann sei ihm das genauso erlaubt, wie mit Freunden zu kochen oder Filme zu schauen“, so der Leiter der Agora Verkehrswende. Er solle aber „einen fairen Preis dafür zahlen. Am Ende betreiben wir doch Klimaschutz, um uns und den kommenden Generationen Freiheit und damit auch Mobilität zu sichern. Ohne die Verkehrswende werden wir beides verlieren.“
Quelle: Süddeutsche Zeitung – Auto-Debatte: „Benzin muss teurer werden“