Unterwegs im Prototypen des neuen Audi e-tron GT

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Wolfgang Gomoll
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Mit der Modellpflege werden die Karten der Technikbrüder Porsche Taycan und Audi e-tron GT neu gemischt. Das aktive Fahrwerk hebt beide Fahrzeuge auf ein neues Niveau. Die grundsätzliche Unterscheidung bleibt dennoch bestehen.

Wenn zwei Autos technisch fast identisch sind, stecken Ingenieure in einem Dilemma. Wie kann man die Charakteristik des Wagens so verändern, dass er den Ansprüchen der Kunden gerecht wird, ohne als Plagiat herüberzukommen. Geht es bei den beiden noch um Elektromobile der ersten Generation, mutiert die Herausforderung zur Königsdisziplin, da Motoren sowie Akkus identisch sind und die Energiespeicher viel vom Budget des Autos auffressen.

Bei der Erstauflage des e-tron GT sind die Audi-Techniker der Zwickmühle entronnen, indem sie den Ingolstädter Dynamik-Stromer nicht ganz so kompromisslos auf sportliche Agilität trimmten und das Vehikel sich dadurch vom Porsche Taycan unterschied. Natürlich konnte man mit dem Audi sehr flott unterwegs sein, aber er wurde dem Titel Gran Turismo, also der großen Fahrt, eben auch gerecht.

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Die Gleichung mit zwei Bekannten haben die Bayern offenbar gut gelöst. Seit seiner Vorstellung 2021 haben sich bis Ende 2023 rund 30.000 Käufer in 90 Ländern für den Ingolstädter Stromer entschieden. Etwa 10.000 dieser e-tron GTs wurden in der Top-RS-Version geordert. „Der e-tron GT ist als Flaggschiff-Modell strategisch sehr wichtig“, erklärt Stefan Holischka vom Produktmarketing. Jetzt steht die Modellpflege an und das Technikspiel geht in die zweite Runde.

Die J1-Architektur kommt immer noch von Porsche, aber die Techniker haben an einigen Stellen nachgebessert. Unter anderem an den Batterien und vor allem am Fahrwerk. Das erleichtert die Aufgabe für die Tüftler in Ingolstadt nicht, verschiebt das Dilemma nur, da man sich jetzt auf einem anderen Niveau vom Technik-Bruder unterscheiden muss. „Die Entwicklungsziele sind mehr Alltagsnutzen, mehr Reichweite, ein optimiertes Fahrwerk und Lenkung. Unterm Strich eine nochmals verbesserte Fahrbarkeit“, verdeutlicht Chefingenieur Stephan Reil und ergänzt: „Das Auto muss sich einfach anfühlen wie ein Audi.“

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Also ist im Grunde alles wie bisher – nur eben mit anderen Vorzeichen. Wie der Porsche Taycan bekommt auch der Audi e-tron das aktive Fahrwerk bestehend aus einer Einkammer-Luftfeder, kombiniert mit einer aktiven Dämpferregelung. Dabei gleichen die hydraulischen Dämpfer die Bodenunebenheiten permanent aus, um so die Karosserie stets waagrecht zu halten und das Nicken (beim Bremsen) sowie Wanken (in den Kurven) zu minimieren.

Zu diesem Zweck ist jeder Dämpfer mit einer separaten Hydraulikpumpe versehen, die den Bewegungen des Aufbaus sofort entgegenwirkt, sobald der Radsensor Alarm schlägt. Das funktioniert deswegen so gut, weil die Zug- und Druckstufe der Dämpfer getrennt aktiv regelbar sind. Droht die Karosserie einzutauchen, drückt die Pumpe blitzschnell Hydrauliköl in die Kammer der Dämpfer und hält den Aufbau so gerade. Das passiert an allen vier Rädern.

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Nicht nur das. Beim Einsteigen fährt das Auto etwa fünf Zentimeter nach oben und macht das Entern des Innenraums komfortabler. Den Energieverbrauch der Pumpen bezeichnen die Audi-Techniker als „marginal“, da die Batterie mehr Kapazität hat. Dank der 800-Volt-Technik können die hydraulischen Pumpen zudem mit mehr Leistung angesteuert werden, als das bei einem 400-Volt-System möglich ist. Dadurch reagiert das Fahrwerk schneller auf die Anweisungen der Elektronik. So viel ist jetzt schon klar: Das aktive Fahrwerk ist ein echter Zugewinn. Es kaschiert die gut 2,3 Tonnen Gewicht des Audis besser als bisher.

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Die innovativste Technik ist aber nur dann wirkungsvoll, wenn der Rest des Dynamikpakets mitspielt. Da geht es beim e-tron GT in erster Linie um die Lenkung, bei der sich Audi in den letzten Jahren nicht immer mit Ruhm bekleckert hat. Doch das hat sich geändert und kommt auch dem Stromer-GT zugute. Grundsätzlich haben die Techniker die Übersetzung der Lenkung nur im Verbund mit der Hinterachslenkung (bewegt die Räder bis zu 2,8 Grad) um 15 Prozent direkter gestaltet.

Der Kniff zeigt die erwünschte Wirkung. Der Vorderwagen lenkt agiler als bisher ein, wobei der aktuelle e-tron GT alles andere als dynamischer Kurzschluss ist. Passend dazu hat die Mitteilungsfreude des Lenkrads deutlich zugenommen. Man spürt jederzeit, wie es um die Traktion der Vorderräder bestellt ist.

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Das Fahrwerk verrichtet seinen Dienst und hält die Karosserie auch bei schnellen Richtungswechseln waagrecht und unterbindet das Nicken beim harten Bremsen fast vollständig. Wem das alles zu digital ist, der schaltet in dem Komfort-Fahrmodus, bei dem sich der Aufbau in den Kurven etwas neigt. „Das Auto ist mehr Gran Turismo als für die Rennstrecke“, erklärt Fahrwerksexperte Carsten Jablonowski und lächelt höflich auf die Frage, welche Version unter der güldenen Folierung steckt. Aufgrund des vorhandenen RS Performance-Fahrprogramms gehen wir stark davon aus, dass wir mit dem Topmodell RS e-tron GT unterwegs sind. Diese Einstellung halten wir auch für die beste, da das Ansprechverhalten des Gaspedals nicht ganz so unmittelbar ist, wie das bei Dynamic der Fall ist. Dadurch lässt sich die Beschleunigung besser dosieren.

Audi macht aus der Leistung und der Rekuperation noch ein großes Geheimnis. Nimmt man den Porsche Taycan Turbo S als Grundlage, der bis zu 570 kW / 775 PS hat (Overboost 700 kW / 952 PS) und geht davon aus, dass der Audi mit weniger Power auskommen muss, sollte auch der Ingolstädter dennoch mit deutlich mehr als 500 kW / 680 PS um die Ecke kommen. Wie dem auch sei, auch dieser Audi e-tron GT ist nach der Modellpflege nicht so spitz ausgelegt wie der Taycan, einen Tick weniger kurvengierig, dafür mehr für längere Strecken gemacht.

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Auch bei dem Mysterium der Rekuperation lohnt sich ein Blick nach Zuffenhausen. Der Taycan pumpt beim Verzögern mit maximal 400 kW Strom in die Energiespeicher. Recht viel anders wird es beim Audi e-tron GT auch nicht sein. Das gilt auch für die Batterie, die eine Kapazität von bis zu 105 Kilowattstunden hat (97 kWh netto), mit maximal 320 kW lädt und den Porsche nominell zwischen 558 und 634 Kilometer weit bringt. In der zweiten Hälfte dieses Jahres folgt die Auflösung des Dynamik-Rätsels.

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Wolfgang Gomoll

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Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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