Martin Doppelbauer, Professor für Hybridelektrische Fahrzeuge am Elektrotechnischen Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), erklärte in einem Interview mit Bizz Energy seine Sicht auf den Hype um Wasserstoff-Brennstoffzellenautos, warum die Zukunft im Pkw-Markt der reinen Batterie-Elektromobilität gehört und was passieren muss, um Elektroautos noch alltagstauglicher zu machen.
Ganz nachvollziehen kann er den Hype um die Brennstoffzelle nicht, schließlich gebe es weltweit nur zwei Wasserstoff-Serienfahrzeuge, den Toyota Mirai und den Hyundai Nexo. Und die seien „ziemlich groß, haben einen eingeschränkten Platz im Innenraum und sind teuer“, findet Doppelbauer. Und auch die Zulassungszahlen zeigen ein eindeutiges Bild: „Über 99,8 Prozent aller elektrische Fahrzeuge werden mit Batterien betrieben und weniger als 0,2 Prozent mit Wasserstoff.“
Die nur rudimentär ausgebaute Infrastruktur mit in Deutschland gerade einmal um die 80 Wasserstofftankstellen, „die sehr schlechten Wirkungsgrade und der hohe Primärenergiebedarf bei der Herstellung“ von Wasserstoff sprechen ebenfalls gegen den Einsatz im Massenmarkt. Mit der Energie, die für die Herstellung von Wasserstoff gebraucht wird, kommt ein rein elektrisches Batterieauto dreimal so weit. „Man könnte auch sagen: Wasserstoff ist viel zu kostbar, um es im Auto zu verbrennen – beziehungsweise viel zu teuer“, sagt Doppelbauer.
Der Eindruck, es gebe einen Wettbewerb zwischen Wasserstoff und reiner Elektromobilität, komme von einer „großen Interessensgruppe, die ein Riesenproblem mit batterieelektrischen Fahrzeugen hat: die Öl- und Gasindustrie. Die macht sehr viel Druck“, sagt der KIT-Forscher. Bei Wasserstoff seien diese Gruppen sogar bereit, den Aufbau der Infrastruktur zu übernehmen. Das erscheine „sehr attraktiv“ im Gegensatz zum Aufbau einer Lade-Infrastruktur für Elektroautos: „Wenn man Elektromobilität will, dann müssen die Stromnetze ausgebaut werden. Dazu braucht man Windräder und Stromtrassen. Das ist für die Politik mühsam durchzusetzen und einigermaßen unpopulär.“
„Es ist an der Zeit, die Dinge klarzurücken“
Doppelbauer hat „den Eindruck, dass je mehr die Elektromobilität sich zu etablieren beginnt, desto stärker gibt es eine Kampagne für Wasserstoff.“ Ihm sind in letzter Zeit vor allem „Artikel in der Sensationspresse oder Auftritte von Komikern im Fernsehen“ negativ aufgefallen, da sie mit falschen Behauptungen argumentieren. Zudem sei „die Wasserstoff-Diskussion ein ziemlich deutsches Phänomen: In ganz Italien gibt es beispielsweise eine einzige Wasserstofftankstelle, in Frankreich sind es drei. In Spanien und Portugal gibt es keine.“ Nun sei es langsam an der Zeit, „die Dinge klarzurücken.“
Mit seiner Meinung steht Doppelbauer nicht alleine da. Zuspruch bekommt er von VW-Chef Herbert Diess und einigen anderen Forschern. Zwar werde der Wasserstoffantrieb sicher nützlich sein, etwa im Schwerlastverkehr, der Schifffahrt, bei Flugzeugen oder Langstrecken-Pkw. „Aber im Massenmarkt Pkw mit Millionen von Fahrzeugen ist er ungeeignet.“ Auch „bei der Netzstabilisierung werden wir ohne Wasserstoff nicht auskommen“, sagt der KIT-Professor. Dort sei er notwendig, um als Zwischenspeicher die Schwankungen bei der Energieerzeugung von Sonne und Wind auszugleichen.
Auch von mit Wasserstoff hergestellten E-Fuels hält Doppelbauer nicht viel. Diese seien „für den Pkw-Bereich viel zu teuer. Die Energiemengen, die wir dort brauchen würden, sind riesig. Das können wir nicht bereitstellen“. E-Fuels für Pkws seien sogar „kompletter Unsinn“, findet er. Allerdings kann er sich auch hier „sehr gut vorstellen, dass sie langfristig eine Option für den Schwerlastverkehr oder auch für Flugzeuge sind.“
Elektroauto ersetzt „einen Verbrenner vollständig“
Die Elektromobilität sei zudem schon bereit für den Massenmarkt, mit einem Elektroauto könne man „einen Verbrenner vollständig ersetzen“. Nur bei der Infrastruktur zum Laden müsse noch „viel passieren. Wir brauchen zum einen mehr Schnellladesäulen an den Autobahnen, damit wir Urlaubs- und Geschäftsreisen mit den Elektroautos machen können“. Außerdem brauche es mehr Ladesäulen in den Wohngebieten: „Die müssen nicht unbedingt schnell sein – das Auto steht dort ohnehin die ganze Nacht. Dafür eignen sich zum Beispiel Lademöglichkeiten an Laternen, von denen dann auch Mieter etwas haben.“
Quelle: Bizz Energy – „Im Massenmarkt Pkw ist Wasserstoff ungeeignet“