Vor 25 Jahren war noch alles anders. Als sich damals die deutschen Premiumhersteller ins Kompaktsegment wagten, boomte die Autobranche. Dass die Fahrzeuge mit vier Ringen, blau-weißem Propeller oder Stern spürbar mehr kosteten als die Wettbewerbsprodukte, nahmen Käufer fast klaglos hin. Dabei war schon damals das Eis für Audi, BMW und Mercedes-Benz dünn. Die Skaleneffekte funktionierten nur eingeschränkt, die geringen Margen trübten die Laune des Managements. Verglichen mit heute waren das aber noch Zeiten der Glückseligkeit, denn die Antriebsstrategie war klar: Verbrenner, wahlweise als Benziner oder als Diesel.
Doch inzwischen regiert vielerorts blanken Entsetzen angesichts des Spagats zwischen kostspieliger Elektromobilität und preissensitiven Kunden oder zwischen politischen Vorgaben und realen technischen Möglichkeiten. In Stuttgart strich man A- und B-Klasse aus dem Programm mit dem Argument, sich nur noch auf Luxus konzentrieren zu wollen. Auch Ingolstadt wird keinen Nachfolger mehr für den A1 ins Rennen schicken, sobald die Produktion der aktuellen Baureihe ausgelaufen ist.
Nur bei BMW hält man eisern am 1er fest. „Er ist für uns ein wichtiges Einstiegs- und Eroberungsmodell“, stellt Stefan Floeck klar, der als Senior-Vice-President in der BMW Group die Marke Mini und die BMW-Kompaktmodelle verantwortet. Er erklärt: „Deshalb investieren wir aktuell kräftig und werden zum Jahresende einen neuen 1er an den Start bringen.“ Angetrieben wird er, zumindest in der dann vorgestellten Form, mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Klingt nach einer kostenbewussten, vor allem für europäische Märkte passende Strategie.
Allerdings wird man bei BMW nicht müde, das Prinzip von Power of Choice zu predigen – die Möglichkeit für Käufer zu entscheiden, ob sie Verbrenner, Hybrid oder Vollelektro haben wollen. Stimmt, und so legt Floeck nach: „Parallel dazu arbeiten wir an der vollelektrischen Neuen Klasse mit ihrer variablen Struktur. Auf dieser Basis wird es auch BMW-Modelle im Kompaktsegment geben.“ Weil das erste Modell der sogenannten Neuen Klasse (der Begriff ist lediglich ein Code für eine ganze Palette neuer Fahrzeuge) aber erst im kommenden Jahr vorgestellt und dann sicher nicht gleich mit einem Kompaktmodell gestartet wird, wird man auf einen elektrischen 1er noch mindestens zwei Jahre warten müssen.
Die Wahl zwischen Verbrenner und Elektro haben Mini-Käufer schon jetzt. Den neuen Cooper gibt es mit beiden Antriebsarten. Preisdifferenz: 4000 Euro. Zugegeben, das war schon mal deutlich mehr. Möglich wird das durch einen cleveren Schachzug. Denn während der Cooper mit Verbrennungsmotor wie bisher in Oxford gebaut wird, rollen ab sofort alle vollelektrischen Cooper im neuen Werk in China vom Band. „Es ist vorteilhaft, in China zu produzieren, wenn man dort auch verkaufen will. Bislang wurde Mini nach China importiert und konnte deswegen auch nur in bestimmten Varianten angeboten werden“, erläutert Floeck und ergänzt: „Damit werden für uns jetzt aber auch Beschaffungs- und Preisvorteile nutzbar.“
Die Neue Klasse wird ebenfalls in China gebaut sowie in einem neuen Werk in Ungarn, die Limousinen auf jeden Fall auch im Stammwerk in München, wo bald ausschließlich nur noch Elektroautos gebaut werden. Klar ist aber auch: Je preisbewusster Käufer in einem Fahrzeugsegment sind, desto schwieriger ist es gegenwärtig, die Modelle zu wirtschaftlich sinnvollen Konditionen in Deutschland zu produzieren. Der elektrische Mini Cooper profitiert dabei sogar noch von dem Vorteil, dass er eine treue Fangemeinde hat, die das Auto als Must-have sieht und dabei nicht jeden Cent umdreht. Und die auch über die eine oder andere konzeptionelle Schwäche hinwegsieht, solange das Kultpaket stimmt.
Auf der Auto China zeigte Mini zuletzt noch ein dritte Baureihe. Zwischen dem knuffigen Cooper und dem deutlich gewachsenen SUV Countryman mit seiner BMW-X1-Plattform platzierte man den fünftürigen Aceman. Die Lücke war im Vorfeld bewusst so groß gemacht worden, um sie mit dem Crossover füllen zu können. „Er ist ein echter Fünftürer, ein Erstwagen“, betont Floeck: „Und er hat Purpose.“ Mit diesem Begriff umschreibt man im BMW-Deutsch gerne den nüchternen Begriff Nutzwert. Tatsächlich betritt Mini damit ein neues Segment, das zudem boomt: Geräumigkeit, Platz für mindestens vier Personen und erhöhte Sitzposition. Es ist ein heiß umkämpftes Segment, in dem bislang die Nicht-Premium-Hersteller den Ton angeben. Jetzt auch eine Premiumoption zu haben, ist sicher nicht verkehrt.
Die Sache hat einen Schönheitsfehler
Doch die Sache hat einen Schönheitsfehler, denn es ist ein Segment, in dem auch kühle Fakten zur Kaufentscheidung beitragen. In vielen Punkten, etwa beim Platzangebot, schlägt sich der Aceman mehr als nur respektabel. An einer Stelle schmiert der vollelektrische Aceman – und es wird ihn nur vollelektrisch geben – ziemlich ab: bei der Ladeleistung. Sie beträgt beim geschätzt rund 36.000 Euro teuren Basismodell nur 75 Kilowatt. Das ist zu wenig für ein völlig neues Fahrzeug. Asiaten oder Modelle aus dem Stellantis-Konzern laden schneller und erreichen Werte von zum Teil deutlich über 100 oder gar 150 Kilowatt. Dass die Aceman-Batterie trotzdem in rund einer halben Stunde von zehn auf 80 Prozent geladen werden kann, ist eher als Indiz für ihre nicht gerade üppige Kapazität zu betrachten.
Dass Technologieführerschaft anders aussieht, will Stefan Floeck nicht gelten lassen: „Die Ladetechnik ist ein Kostentreiber. Je schneller man laden kann, desto kostenintensiver werden die Komponenten zur Steuerung. Und so mussten wir die Balance finden zwischen den Ansprüchen an ein kompaktes Fahrzeug und dem Reiz, möglich zu machen, was möglich ist.“ Und er legt nach: „Wir haben aus zig Millionen erfassten Kilometern von Kunden herausgefunden, wie lange sie fahren, wie hoch der Anteil an Langstrecken ist. Und so war es für uns eine sehr faktenbasierte Entscheidung. Wir fragten uns: Sollen wir in eine fünf Minuten kürzere Ladedauer investieren oder lieber in ein in diesem Segment einmaliges digitales Erlebnis? Schließlich haben wir das einzige OLED-Display auf dem Markt.“ Man entschied sich für das 24-Zentimeter-Display. Jüngere Kunden werden bei dieser Strategie sicher mitgehen.