Volvo verteidigt EU-Null-Emissionsziel ab 2035

Volvo verteidigt EU-Null-Emissionsziel ab 2035
Copyright ©

Volvo

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 6 min

Volvo-Chef Hakan Samuelsson blickt nach einem durchwachsenen Jahr vorsichtig optimistisch nach vorn. Die Absatzdelle 2025 führt er vor allem auf drei Modelle zurück – und auf Anlaufprobleme. „Die Verkäufe sind vor allem wegen zweier Fahrzeuge gefallen: dem EX30 und dem EX90“, sagt er im Gespräch mit der Automobilwoche. Beim EX30, dem meistverkauften Elektroauto der Marke, habe der Umzug der Produktion von China ins Werk Gent in Belgien Volumen gekostet. Beim großen Elektro-SUV EX90 habe es „bis Mitte dieses Jahres gedauert, bis wir mit dem Auto richtig zufrieden waren, deshalb blieb auch dort Volumen aus“.

Parallel setzt Volvo in China auf den neuen XC70 Long-Range Plug-in-Hybrid, um den rückläufigen Markt zu adressieren. „Wenn diese drei Autos jetzt hochlaufen, bin ich zuversichtlich, dass wir 2026 wieder wachsen werden“, so Samuelsson. Konkrete Stückzahlziele wie erstmals 800.000 Autos weltweit meidet er allerdings: Angesichts geopolitischer Unsicherheiten sei es „sehr schwer vorauszusagen, wie sich der Markt entwickelt“.

Klarer positioniert er sich zur Antriebsstrategie – insbesondere mit Blick auf den US-Markt, wo die Förderung für Elektroautos ausläuft. Zwar sei es „schwierig ohne die Anreize“, aber Samuelsson warnt davor, von einer Rückkehr zum klassischen Verbrenner auszugehen. Viele unterschätzten den Vorteil von reinen Elektroautos und langstreckentauglichen Plug-in-Hybriden: „Man kann die Garage jeden Morgen vollgeladen verlassen.“ Bei den neuen Plug-in-Hybriden seien bis zu rund 200 Kilometer rein elektrische Reichweite möglich, „selten braucht man an einem Tag mehr“, das Fahrgefühl sei dann oft „vergleichbar mit einem reinen Elektroauto“.

Die USA sieht er weiterhin als idealen Markt für Elektrifizierung, weil viele Kund:innen zu Hause laden können. Dass E-Auto-Zahlen zuletzt eingebrochen sind, führt er vor allem auf Vorzieheffekte vor Förderende zurück. Danach rechnet er wieder mit Interesse an elektrifizierten Angeboten: „Die Menschen werden sich auch langstreckentaugliche PHEVs anschauen. Davon bin ich überzeugt.“

Volvo sieht nächste PHEV-Generation klar als Brückentechnologie

Der XC70 Long-Range-PHEV soll mittelfristig auch nach Europa kommen, doch das werde dauern. Grund ist der technologische Umbau für westliche Märkte. „Es ist ein No-Go, in Europa — oder in den USA — chinesische Technologie unverändert zu verwenden“, betont Samuelsson. Elektronik, Software sowie Sicherheits- und Emissionsstandards müssten angepasst werden. Eine Produktion des XC70 in den USA wäre dagegen „ein weiter Weg“, zunächst stehe im Werk South Carolina die Hochlaufstrategie für den XC60-PHEV im Fokus.

Strategisch versteht Volvo die nächste Plug-in-Hybrid-Generation klar als Brückentechnologie. Künftige Plug-in-Volvos sollen technisch vom Elektroantrieb her gedacht werden, der Benziner dient als Reichweiten-Backup. „Ökonomisch und ökologisch betrachtet sollte bei unserer neuen Generation PHEV 90 Prozent der Fahrleistung elektrisch erfolgen“, erklärt Samuelsson. Langfristig bleibe Volvo vollelektrisch, „kurzfristig brauchen wir aber Autos mit Backup-Motor“. Diese zweite Generation von Plug-in-Autos werde man „bis etwa 2035 bis 2040“ benötigen. Parallel will Volvo bis 2030 eine „sehr gute Elektroauto-Produktpalette“ aufbauen.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Zusammenarbeit innerhalb der Geely-Gruppe mit Marken wie Zeekr, Lynk & Co, Polestar und Lotus. „Erstens müssen wir nicht doppelt in Elektroautos und langstreckentaugliche PHEVs investieren“, sagt Samuelsson. Zweitens gehe es um Software, die künftig strikt zwischen China und dem Westen getrennt werden müsse. Man brauche zwei Systeme für Fahrerassistenz, Infotainment und Sprachsteuerung, da sich Technikwelten und regulatorische Vorgaben auseinanderentwickeln. „Die Möglichkeit, diese Systeme zu vermischen, ist Vergangenheit. Wir brauchen eine luftdichte Firewall zwischen diesen beiden Welten.“

Die Einsparpotenziale beziffert er klar im Milliardenbereich: Ein fortgeschrittenes Autopilot-System für China würde „mehr als eine Milliarde Dollar“ kosten, lokale Sprachsysteme seien ebenfalls teuer. Durch gemeinsames Nutzen innerhalb der Gruppe könne Volvo erheblich sparen. Dasselbe gelte für Hardware: Statt über 50 Klimakompressor-Varianten solle es künftig eher zehn geben, auch Komponenten wie Bremssättel, Scheiben und Sitzstrukturen ließen sich standardisieren. Mit kombinierten Verkäufen von rund drei Millionen Autos in den ersten neun Monaten habe die Gruppe „enorme Einkaufsmacht — ein riesiger Vorteil für Volvo“.

Trotzdem kämpfen die Schweden mit Gegenwind. Höhere US-Zölle auf Importautos aus Europa erhöhen den Druck auf die Marge. Ein Teil der Kosten gehe zulasten der Profitabilität, ein Teil werde an Kundinnen und Kunden weitergereicht. Noch sei man nicht wieder auf dem Niveau vor Einführung der Zölle. Gleichzeitig weist Samuelsson darauf hin, dass US-Exporte nach Europa perspektivisch vom Wegfall des bisherigen Zehn-Prozent-Zolls profitieren könnten.

Vor diesem Hintergrund hält er das neue Renditeziel von „mehr als acht Prozent“ operativer Marge keineswegs für defensiv. Elektrifizierung, De-Globalisierung mit doppelter Industrie-Footprint und „Hyperwettbewerb in allen Märkten“ machten den Anspruch ambitioniert. Investoren will Volvo überzeugen, indem das Unternehmen zeige, „dass wir zukunftsorientiert sind“ – mit einer klaren Antwort auf Elektrifizierung und Regionalisierung und der strategischen Unterstützung durch Geely.

China bleibt Sorgenkind der Schweden

China bleibt dennoch ein Sorgenkind: Nach elf Monaten liegen die Verkäufe dort 5,2 Prozent unter Vorjahr. Samuelsson verweist darauf, dass sich Volvo im Vergleich zu anderen europäischen Herstellern noch „nicht so schlecht“ schlage. Das Premiumsegment elektrifiziere sich langsamer als der Volumenmarkt, daher brauche es „Brückenlösungen wie langstreckentaugliche Plug-in-Hybride“. Der XC70 sei der erste Schritt, weitere Modelle und Hybridisierungen konventioneller Baureihen sollen folgen. Eine zusätzliche Submarke wie bei Audi/SAIC lehnt er ab: „Entweder es ist ein Volvo oder ein Geely. Es wird keine zweite Marke in China geben.“

Klar positioniert sich Samuelsson in der europäischen Regulierungspolitik. Das Null-Emissions-Ziel 2035 müsse bleiben. Volvo habe „viel Geld investiert“, um sich darauf auszurichten und setze auf CO₂-Credits zur Finanzierung der Elektroauto-Entwicklung. Eine Abschwächung der Regeln wäre „sehr schlecht für unser Unternehmen“. Die Zukunft sei elektrisch, die einzige Frage sei das Tempo: „Ich habe noch nie gesehen, dass jemand stärker wurde, indem er sich langsam anpasste.“ Von Brüssel fordert er verbindliche Ziele und Regeln für den Ausbau der Ladeinfrastruktur: Man könne nicht nur Vorgaben für die Autoindustrie machen und „hoffen, dass die Infrastruktur von selbst da ist“.

Operativ meldet Samuelsson Fortschritte: Die Chipkrise rund um Nexperia habe Volvo dank stärkerer Transparenz entlang der Lieferkette nicht getroffen. Das neue Werk in der Slowakei liege im Plan, dort wird die neue Fahrzeuggeneration gebaut. Ein wichtiger Baustein wird der EX60, der im Januar debütiert und auf einer weiterentwickelten SPA-Architektur basiert. Sie sei „eine sehr skalierbare, rein elektrische, kompromisslose Plattform“, die „bahnbrechende Vorteile gegenüber unseren bisherigen Elektroautos“ bringen werde. Volvo sehe den EX60 als „Gamechanger und neuen Beginn für Premium-Elektroautos“.

Zu seiner eigenen Zukunft äußert sich Samuelsson flexibel. Seine zweite Amtszeit als CEO ist offiziell auf rund zwei Jahre angelegt, das Timing sei aber „nicht in Stein gemeißelt“. Wichtiger sei, das Unternehmen auf stabilen Kurs zu bringen und an der Nachfolgersuche mitzuwirken. Für seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger formuliert er klare Anforderungen: ein tiefes Verständnis des Geschäfts und der neuen Technologien sowie die Fähigkeit, „die richtigen Dinge zu tun, statt Dinge nur richtig zu tun“. Als Beispiel nennt er die Entscheidung für eine zentrale Computerarchitektur: schwieriger, langsamer in der Umsetzung, aber strategisch richtig. Sein Rat an den nächsten Chef ist entsprechend knapp: „Wenn Sie nicht wissen, was Sie erreichen wollen, sind Sie nicht der richtige CEO für dieses Unternehmen.“

Quelle: Autmobilwoche – Interview Hakan Samuelsson: „Wenn die EU die Regeln ändert, wäre das sehr schlecht für uns“

worthy pixel img
Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

Artikel teilen:

Wird geladen...

Ähnliche Artikel

EU nimmt Druck aus dem Lieferkettengesetz – zu früh

EU nimmt Druck aus dem Lieferkettengesetz – zu früh

Sebastian Henßler  —  

Mit Abschwächung des Lieferkettengesetzes verliert Europa ein zentrales Instrument für transparente Rohstoffketten, die für die E-Mobilität entscheidend sind.

Volvo verteidigt EU-Null-Emissionsziel ab 2035

Volvo verteidigt EU-Null-Emissionsziel ab 2035

Sebastian Henßler  —  

Der Volvo-CEO betont die Vorteile neuer Plug-in-Hybride mit bis zu 200 km E-Reichweite und warnt: Der Markt dreht nicht einfach zu Verbrennern zurück.

Wie Leasing den risikoarmen Einstieg ins E-Auto ermöglicht

Wie Leasing den risikoarmen Einstieg ins E-Auto ermöglicht

Sebastian Henßler  —  

Die Daten von LeasingMarkt.de offenbaren 2025 einen klaren Trend: E-Autos sind im Leasing gefragt, während viele Kunden beim direkten Kauf zögern.

„Bei E-Autos gibt es Effizienzsprünge von 20 Prozent – alle zwei Jahre“

„Bei E-Autos gibt es Effizienzsprünge von 20 Prozent – alle zwei Jahre“

Michael Neißendorfer  —  

Achim Kampker spricht auch Plug-in-Hybriden und E-Fuels Sinnhaftigkeit zu. Am Ende aber werde sich das reine Elektroauto mit Batterie durchsetzen.

Wie Citroën mit dem Elo den Innenraum neu erfinden will

Wie Citroën mit dem Elo den Innenraum neu erfinden will

Michael Neißendorfer  —  

Citroën hat das Konzeptfahrzeug Elo mit äußerst vielseitigem Innenraum vorgestellt, der sogar ein kleines Heimkino samt Schlafplatz möglich macht.

„In der Logistikbranche herrscht Aufbruchstimmung zum E-Lkw“

„In der Logistikbranche herrscht Aufbruchstimmung zum E-Lkw“

Michael Neißendorfer  —  

Eine Befragung unter 400 Experten zeigt: Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs ist nicht mehr aufzuhalten. Aber die Regulatorik muss Tempo aufnehmen.