Um den schwedischen Autohersteller Volvo wieder in Schwung zu bringen, hat Hakan Samuelsson seinen Ruhestand mit 74 Jahren doch nochmal unterbrochen. Die Marke, die mit niedrigen Verkaufszahlen, Softwareproblemen und Produktionsverzögerungen umgehen muss, wird seit April wieder von Samuelsson geleitet.
Nach seinem Abschluss am Royal Institute of Technology in Stockholm arbeitete Samuelsson für Scania und MAN, bevor er 2012 zum CEO von Volvo Car ernannt wurde. 2022 wechselte er temporär zum Unternehmen Polestar, das zu Volvo und Geely gehört. In einem Interview mit Bloomberg hat sich Samuelsson zu der Zukunft Volvos, aber auch der Zukunft der Automobilindustrie ganz grundsätzlich und der Zusammenarbeit mit Geely geäußert.
Samuelsson: Volvo braucht Leuchtturmprojekte
Das Unternehmen Volvo, das in Schweden gegründet wurde, ist im Besitz von Geely. Der Gründer des chinesischen Konzerns, Li Shufu, wandte sich angesichts der Herausforderungen bei Volvo an Hakan Samuelsson, der Volvo zuvor fast ein Jahrzehnt lang geleitet und durch den Börsengang 2021 geführt hat.
Er soll die Marke nun wieder auf die richtige Bahn bringen und um das zu erreichen, setzt er auf einen authentischen Führungsstil: „Mein Motto lautet: Wenn nichts anderes funktioniert, sage die Wahrheit.“ Dabei sei es ihm ein Anliegen, dass Volvo tatsächlich als profitableres, größeres Unternehmen für Elektroautos hervorgeht, wie es den Aktionären versprochen wurde. „Als ich die Frage bekam: ‚Können Sie zurückkommen und helfen, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen?‘, brauchte ich nicht lange, um Ja zu sagen“, so Samuelsson.
Auf Nachfrage nach der verzögerten Markteinführung des Elektromodells EX90 von Volvo sowie den Abschreibungen bei Polestar hält Samuelsson fest: „Natürlich befindet sich die Branche in einer schwierigen Lage. Es ist ein Wettlauf, der immer härter wird, insbesondere für die Europäer. Es sind schwierige Zeiten, also krempelt man einfach die Ärmel hoch und arbeitet hart.“ Trumps Zölle seien dabei eine Herausforderung, die auch dazu führe, dass die finanzielle Situation bei Volvo eine größere Aufgabe sei, als Samuelsson angenommen habe.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wolle er zuerst die Kosten angehen. „Als Nächstes kommt der Vertrieb – die Verbesserung des Marketings, die Verbesserung der Energie, die wir in das System stecken, und eine leistungsorientiertere Führung“, so Samuelsson. Die dritte Phase umfasse dann die Wiederbelebung der langfristigen Strategie: „Wie schnell elektrifizieren wir? Können wir wieder in den autonomen Antrieb einsteigen? Wir müssen unsere Position in der Technologieentwicklung zurückgewinnen. Wir brauchen einige Leuchtturmprojekte, bei denen wir eine Führungsrolle einnehmen. Das haben wir verloren.“
Die Branche wird elektrisch
Zuletzt ist der Absatz von Elektroautos bei Volvo zurückgegangen, jedoch komme dies kaum überraschend, so Samuelsson. „Letztes Jahr haben wir EX30 in großen Mengen aus China importiert. Dann kamen die 28-prozentigen Zölle und das war nicht mehr möglich. Wir haben die Produktion des Autos nach Gent verlegt. Jetzt fahren wir die Produktion dort hoch“, sagte er in dem Interview mit Bloomberg. Trotzdem sei er zuversichtlich, dass das Unternehmen nun zum Wachstum zurückkehren könne. Mit einem soliden Plan soll das Modell in höheren Stückzahlen mit Produktverbesserungen verkauft werden.
Hinsichtlich der Zukunft der Automobilindustrie bezieht Samuelsson klar Position: „Die Branche wird elektrisch werden – daran führt kein Weg vorbei. In einigen Regionen mag es etwas länger dauern, aber die Richtung ist klar. In (etwa) zehn Jahren werden alle Autos elektrisch sein und weniger kosten“, prognostiziert er.
Obwohl einige Regierungen ihre Ziele zur Elektrifizierung des Verkehrs lockern und sogar in der EU eine Lockerung des Null-Emissionen-Mandats bis 2035 diskutiert wird, ist die Richtung für Volvo klar: „Volvo wird stärker sein, wenn wir schnell elektrifizieren. Aber wir brauchen neue Plug-in-Hybride – Elektroautos mit einem Backup-Motor – als Überbrückung, bis es überall Ladestationen gibt. Strategisch hat sich die Richtung nicht geändert.“ Abhängig von der Ladeinfrastruktur und der Kundennachfrage könne dies aber noch einige Jahre über 2030 hinaus dauern.
Außerdem werde sich die Automobilindustrie mit diesem Übergang grundlegend verändern: „Es wird neue marktbeherrschende Akteure geben, genau wie Ford, GM, Toyota und Volkswagen in der alten Welt. In der neuen Welt wird es zwei oder drei sehr starke chinesische Marken geben“, so Samelsson. „Einige Unternehmen werden sich an die neuen Umstände anpassen und überleben. Andere werden das nicht schaffen.“
Chinesische Kooperation als Chance
Dass der chinesische Konzern Geely als Mehrheitseigentümer von Volvo auftritt, sieht Samuelsson als Chance für das Unternehmen, auch im Hinblick auf die starke Konkurrenz und Expansion durch chinesische Hersteller wie BYD, Xiaomi und Zeekr. „Ob es uns gefällt oder nicht, China wird in Zukunft ein sehr wichtiger Akteur in der Automobilindustrie sein, nicht nur in China. Je stärker die chinesische Automobilindustrie wird, desto wertvoller wird unsere Verbindung zu Geely“, so Samuelsson.
Da sich die Welt jedoch regionalisiert, sei auch eine Regionalisierung des Geschäfts sinnvoll. Importzölle, beispielsweise vonseiten der USA oder der EU, führen zu Komplikationen und Kosten für internationale Unternehmen mit ausgelagerter Produktion. Ein weiteres Joint Venture mit Geely in China sei entsprechend nicht erstrebenswert für Volvo.
Zu den Hindernissen des internationalen Handels gehört auch, dass Volvo nach 70 Jahren in den USA aufgrund der chinesischen Eigentumsverhältnisse ein Verkaufsverbot droht. Darüber sei Samuelsson allerdings nicht allzu besorgt: „Wir sind ein börsennotiertes Unternehmen und keine Tochtergesellschaft eines chinesischen Unternehmens“, sagte er im Interview. „Wir haben Governance-Regeln und eine unabhängige Beziehung zu unserem Eigentümer. Die Daten bleiben bei Volvo und den Kunden – sie werden nicht weitergegeben. Außerdem enthalten unsere Autos keine chinesischen Komponenten. Das sind die Dinge, die wir den Behörden gegenüber nachweisen müssen und ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird.“
Nach seinem Zweijahresvertrag wolle Samuelsson seine Tätigkeit bei Volvo übrigens nicht mehr verlängern. Sein Ziel sei es, jemanden zu finden, der diese Aufgabe übernehmen kann.
In der Zukunft sieht er den Erfolg Volvos in einem Bereich, der schwierig und herausfordernd sei, nämlich der Entwicklung einer globalen Architektur für zukünftige Autos, sowohl vollelektrisch als auch mit Backup-Motor. Damit sei es möglich, eine bessere Kostenposition zu erreichen und gleichzeitig regionale Modelle zu ermöglichen. „Das ist etwas, was nur sehr wenige oder gar keine unserer Wettbewerber geschafft haben. Aber ich denke, dass wir es gemeinsam mit Geely schaffen können“, so Samuelsson.
Quelle: Automotive News Europe – Volvo’s Hakan Samuelsson says some Western brands will not survive the EV shift