Deutschland braucht mehr Ladesäulen, das ist klar. Doch möchten Pächter, Erbpächter oder Betreiber Ladesäulen entlang der Autobahn aufstellen, kommen sie am Dienstleistungsunternehmen „Tank & Rast“ kaum vorbei. Da das Unternehmen die Konzession für fast alle Autobahnraststätten (rund 90 Prozent) hält, hat es eine Monopolstellung. Und da liegt das Problem: Unternehmen, die eigenmächtig Stromtankstellen an Raststätten und Autohöfen errichten wollen, werden anscheinend vor Hürden gestellt, berichtet das Handelsblatt. Laut der Tageszeitung halten Unternehmen und Juristen das Ladesäulengeschäft des Dienstleisters demnach für rechtswidrig. Tank & Rast hält dagegen.
Immer mehr Menschen fahren mit dem Elektroauto in den Urlaub. Mit dem Start der ersten Bundesländer in die Sommerferien hat die Nutzung von Strom-Tankstellen an deutschen Autobahnraststätten noch einmal deutlich zugenommen, berichtet Tank & Rast auf seiner Webseite. Demnach verzeichnete das Unternehmen im Juni 61.011 Ladevorgänge, fast dreimal so viele wie im Vorjahresmonat (22.737) und 8.750 mehr als im Mai (52.261). Damit wurden im ersten Halbjahr 2021 insgesamt bereits 257.727 Ladevorgänge gezählt, im gesamten Vorjahr waren es 323.706. Tank & Rast sorge nach eigenen Angaben dafür, dass die Elektromobilität in Deutschland Fahrt aufnimmt: „Als moderner Infrastrukturdienstleister gehen wir voran und gestalten den Wandel der Mobilität aktiv mit. Die Förderung der Elektromobilität ist für uns eine Investition in die Zukunft“, heißt es weiter. Bereits seit 2015 investiert das Unternehmen in den Ausbau der Elektromobilität in Deutschland. So entstand in wenigen Jahren gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Partnern aus der Wirtschaft und unter dem Dach der bestehenden Konzessionsverträge mit dem Bund nach eigenen Angaben das größte zusammenhängende Schnellladenetz in Deutschland. Mit mehr als 1.400 Ladepunkten leistet man ganz sicher einen wichtigen Beitrag für den Durchbruch der Elektromobilität. Doch geht das alles mit fairen Dingen zu? Klar ist, dass man sich diese Vormachtstellung nur ungern streitig machen möchte.
Autobahn-Ladestationen schaffen Vertrauen in die Elektromobilität
Tank & Rast betreibt die Ladesäulen in Kooperation und verpachtet dazu die Flächen an die vier Anbieter EnBW, Eon, Ionity und Mer, die auf eigene Kosten Ladestationen aufbauen. Laut Handelsblatt auf Berufung von Branchenkennern seien die Pachtkosten jedoch sehr hoch. Tank & Rast äußert sich nicht öffentlich zu seinen Konditionen. Doch einige Fallbeispiele würden zeigen, dass Ladesäulenbetreiber, die den Bedingungen der Tank & Rast nicht zustimmen, zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Laut des niederländischen Schnellladenetz-Spezialisten Fastned, der auch hierzulande einige Ladeparks betreibt, nutze der Raststättenbetreiber seine Monopolstellung aus – und das würde den Wettbewerb deutlich verzerren, so die Aussage in einem Interview mit Auto Motor und Sport. Laut Handelsblatt weise das Unternehmen die Behauptungen aber entschieden zurück: „Im Gegensatz zu vielen deutschen Kommunen besteht an deutschen Autobahnen auch viel Wettbewerb“, schreibe das Unternehmen. Aber auch die Monopolkommission, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, kritisiere: „Der Wettbewerb bei den Ladesäulen an den Bundesautobahnen wird durch die monopolähnliche Stellung von Tank & Rast erschwert“, so der Kommissionsvorsitzende Jürgen Kühling der Tageszeitung. Die Folge seien überhöhte Strompreise für die Endverbraucher, da es entgegen der Aussage von Tank & Rast kaum Alternativen gäbe. Das treibt den Preis nach oben: Wie wir bereits selbst erfahren durften, können die Preise pro geladener Kilowattstunde gut und gerne 80 Cent betragen. Doch gerade jene Standorte an der Autobahn seien besonders wichtig, findet Fastned-Chef Michiel Langezaal im weiteren Interview mit Auto Motor und Sport: „Diese Standorte verändern das Mindset (…). Spätestens wenn ich alle 20 Minuten an einer von der Autobahn aus gut sichtbaren Schnellladestation vorbeifahre, fange ich an, der Ladeinfrastruktur zu vertrauen“. Dies sei gut für den Ruf der Elektromobilität.
Darf Tank & Rast überhaupt Ladestationen anbieten?
Bei der Ladeinfrastruktur handele es sich um eine Technologie, die 1998, als der Konzessionsvertrag mit der privatisierten Tank & Rast geschlossen wurde, noch gar nicht existierte habe. Im Bericht des Handelsblatts kommt auch der Düsseldorfer Fachanwalt für Vergaberecht, Jan Byok, zu Wort: „Würde man Grundverträge freihändig um immer neue Services erweitern, die zum Vertragsschluss noch nicht absehbar waren, dann würde das dem Vergaberechtsbruch Tür und Tor öffnen“, erklärt er. Und weiter: „So würde jeglicher Wettbewerb torpediert werden. Haus- und Hoflieferanten könnten auf Grundlage einmal geschlossener Verträge mit weiteren Dienstleistungen beauftragt werden.“ Es sei zudem unklar, ob die räumliche Ausdehnung von Tank & Rast in diesem Umfang zulässig ist. Eigentlich darf der Konzessionär nämlich nur die für den sogenannten „Nebenbetrieb“ benötigte Fläche, also die Tankstelle oder Rastanlage, nutzen, so der Anwalt weiter.
Die wichtigste Frage sei also, ob Tank & Rast seine Dienstleistungen überhaupt um Ladestationen ergänzen darf. Fastned hält laut des Gesprächs mit der Tageszeitung die Erweiterung der Konzession von Tank & Rast auf das Ladesäulengeschäft für vergaberechtswidrig. Vertragsänderungen erlaube der Paragraf 132 GWB des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nur dann, wenn dafür eine entsprechende Regelung im Grundvertrag angelegt sei. „Der Konzessionsvertrag von Tank & Rast wird mit größter Wahrscheinlichkeit nicht die für eine Erweiterung notwendige rechtssichere Anpassungsklausel hinsichtlich des Geschäfts mit Ladesäulen enthalten“, so Boyk weiter. Tank & Rast weist den Vorwurf der Vergaberechtswidrigkeit im Bericht aber entschieden zurück: „Das Bereitstellen von Ladeinfrastruktur gehöre zum Waren- und Dienstleistungsangebot der bewirtschafteten Rastanlagen und sei daher von den bestehenden Konzessionsverträgen mit umfasst“. Übrigens teile das BMVI diese Auffassung und sei der Meinung, dass der Konzessionsnehmer auf technischen Fortschritt reagieren darf und auch soll. Und noch etwas scheint den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu bremsen: Neue Marktteilnehmer haben mit langen Bearbeitungszeiten von Anträgen zu kämpfen. So dauere es sehr lange, bis neue Ladesäulen umgesetzt werden können. Auf next-mobility.de steht geschrieben, dass es „oft bis zu sechs Monate dauern kann, bis ein Netzanschluss bei einem der über 380 deutschen Netzbetreiber realisiert werden könne“.
Verfügt ein Unternehmen über eine marktbeherrschende Stellung (40 Prozent Marktanteil), könne etwa das Bundeskartellamt nach Ermessen einschreiten, verpflichtend ist dies aber laut des Juristen nicht. Zudem sei es schwierig nachzuweisen, dass die Pachten zu hoch seien, da tatsächlich wenig Wettbewerb herrscht. Das Bundeskartellamt selbst will sich laut Handelsblatt übrigens ebenfalls nicht äußern, verweise nach Angaben der Tageszeitung auf eine „laufende Sektoruntersuchung des Ladesäulenmarktes“. Und auch, wenn private Unternehmen Klage erheben könnte, tun sie dies in der Regel aber nicht. Weil Verfahren und deren Beweisfindung schwierig seien, zudem auch teuer sind. Der Bund könne zudem der Tank & Rast nicht einfach so Vorgaben zu den Ladesäulen machen. Will er vermutlich auch nicht, weil er ja ebenfalls an einem Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur interessiert ist – und hier ist Tank & Rast ein mächtiger Treiber. Jedoch sollte der Bund als Lösungsvorschlag wettbewerbswirksame Auflagen machen. So dass etwa Ladeplätze nicht nur exklusiv an Betreiber vergeben werden und Pachthöhen festgelegt werden.
Derweil gäbe es laut Handelsblatt auch Verhandlungen mit dem Bund über einen Rahmenvertrag, der regeln soll, wie es mit den Ladesäulen an den überwiegend von Tank & Rast bewirtschafteten Rastplätzen weitergehen soll. „Eine Ausschreibung für bewirtschaftete Standorte befinde sich derzeit bei der Autobahn GmbH in Vorbereitung„, sagt das BMVI ohne jedoch einen konkreten Starttermin zu nennen. Es gibt also noch viele unsichere Faktoren. Das Problem könnte sich jedoch bald von selbst lösen: Denn das neue Schnellladegesetz sieht laut Focus.de nämlich vor, „dass bis 2023 an 1.000 Standorten Ladesäulen installiert werden sollen, die mit mindestens 150 Kilowatt schnelle Energie liefern können“. Außerdem werden laut Handelsblatt bereits zum Jahreswechsel 200 Standorte an unbewirtschafteten Rastanlagen für Ladesäulenbetreiber ausgeschrieben – Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. So könnten vor allem an Autobahnen zukünftig Unsicherheitsfaktoren wie Reichweitenangst und horrende Strompreise der Vergangenheit angehören. Dafür nehme die Bundesregierung rund 1,9 Milliarden Euro in die Hand. Wir bleiben dran …
Quellen: Handelsblatt.com, Focus.de, next-mobility.de, auto-motor-und-sport.de, Tank & RastÂ