Ab 2026 möchte Audi nur noch Modelle mit Elektroantrieb neu auf den Weltmarkt bringen, bis 2033 soll die Produktion der Verbrenner nach und nach gänzlich auslaufen. Die Zukunft der Ingolstädter ist also ganz klar elektrisch, jedoch gibt es noch einiges zu tun. In einem Interview mit dem Branchenmagazin Automobil Produktion erklärt der Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann, dass die gegenwärtige Phase und die Transformation hin zur Elektromobilität in der Automobilindustrie herausfordernd, aber auch äuĂźerst spannend sei. Die Möglichkeit, diese Phase aktiv mitzugestalten, sei fĂĽr ihn “ein groĂźes Privileg”. Mit Gernot Döllner, der seit Herbst 2023 der neue Audi-CEO ist, werde “Tempo ins Unternehmen” gebracht, so Hoffmann weiter.
Ein zentrales Thema der Marke ist die Elektromobilität. Hoffmann bestätigt, dass Audi einen “sehr klaren Plan” fĂĽr den Ăśbergang ins elektrische Zeitalter habe und diesen konsequent verfolge. Bis zum Jahr 2026 werde die Entwicklung von Verbrennungsmotoren eingestellt. Audi plant, fĂĽr jeden Kunden maĂźgeschneiderte elektrische Angebote anzubieten. Dieses Jahr soll die nächste Generation vollelektrischer Fahrzeuge auf der neuen PPE-Architektur eingefĂĽhrt werden, die in Zusammenarbeit mit Porsche entwickelt wurde. Parallel dazu werde eine neue Generation von Verbrennungsmotoren und Plug-in-Hybriden mit einer eigenen Plattform und einem höheren Elektrifizierungsgrad auf den Markt gebracht.
Hoffmann spricht über die Herausforderung, Kunden von der Elektromobilität zu überzeugen. Er verweist auf die Anfänge von Audis Einstieg in die Elektromobilität mit dem E-Tron im Jahr 2018, der noch auf einer Plattform für Verbrennungsmotoren basierte. Frühzeitig habe sich Audi jedoch entschieden, eine dedizierte Elektro-Plattform zu entwickeln. Denn: Plattformseitig keine Kompromisse einzugehen, betrachtet Hoffmann als entscheidenden Faktor, um Kunden mit Elektromodellen von Audi zu begeistern.
Es geht vor allem um Kostenreduktion
Laut Hoffmann sei es ein strategischer Vorteil, Teil eines Konzernverbunds zu sein, der fast zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr produziert. Dies ermögliche Skaleneffekte, die letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit aller Marken im Konzern stärken. “Heute sind wir an dem Punkt, die Batterie vollumfänglich vertikal zu integrieren. Wir betrachten also eher die Rohstoffkette im Ganzen. Am Ende ist aber der technologische Aspekt – die verschiedenen Zellformate, Gewicht, Package, Energiedichte – nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen die Kosten – und das ist fĂĽr mich derzeit das dringlichere Thema”, erklärt der Manager. Dieser Ansatz sichere frĂĽhzeitig Rohstoffe und mache Projekte robuster.
Die aktuellen Kosten im Batteriepack liegen laut Automobil Produktion aktuell bei etwa 130 bis 140 US-Dollar pro Kilowattstunde. Für die Zukunft geht es vor allem um Kostenreduktion. Hoffmann zeigt sich im Gespräch zuversichtlich, dass Produktionskosten von Elektroautos in den kommenden Jahren weiter sinken werden. Wichtig hierfür sei für Audi das im Volkswagen-Konzern frühzeitig festgelegte Einheitszellformat. Dieses soll Preisschwankungen minimieren, gebe den Zulieferern Klarheit und bilde auch die Grundlage für eigene Zellwerke, die über die Batterie-Konzerntochter PowerCo etabliert werden könnten.
Um die Kosten der Elektromobilität weiter zu senken, arbeite Audi wieder an Lithium-Eisenphosphat-Akkus. Obwohl sie in der Vergangenheit aufgrund geringerer Leistungsdichten im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus vernachlässigt wurden, werden jene wieder verstärkt in Betracht gezogen. Insbesondere im Volumensegment könnten LFP-Akkus dazu beitragen, den Einstieg in die Elektromobilität zu erschwinglichen Preisen zu ermöglichen. Dies liege daran, dass sie auf teure Rohstoffe verzichten und somit kostengünstiger seien. Hoffmann sieht in LFP-Akkus eine vielversprechende Option für kleinere Fahrzeugmodelle und betont damit Audis Bestreben, Elektromobilität einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Ingolstädter irgendwann wieder Einsteigermodelle wie den A1 anbieten werden – nur eben dann elektrisch.
“China ist einer der wichtigsten Märkte fĂĽr uns”
“China ist einer der wichtigsten Absatzmärkte fĂĽr uns”, so der Manager im Interview. Dabei betont er die langjährige Präsenz der Marke in Fernost, die sich ĂĽber mehr als 30 Jahre erstreckt. Im Ăśbrigen wird Johannes Roscheck ab 1. April als neuer Präsident von Audi China die Steuerung des operativen Fernost-Geschäfts von Audi ĂĽbernehmen. Während Audi im Bereich der Verbrennungsmotoren dort gute Marktanteile vorweisen kann, gibt Hoffmann zu, dass die Herausforderungen im Bereich Elektromobilität in China signifikant sind. Die heimischen Hersteller haben sich rasant entwickelt und decken mittlerweile ein breites Spektrum ab, heiĂźt es. “Deutsche Ingenieurskunst wird noch immer hochgeschätzt. Wir mĂĽssen nur wesentlich schneller werden und uns konsequent an den lokalen Kundenanforderungen ausrichten”, so der 46-Jährige.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, erklärt Hoffmann, dass die Zusammenarbeit mit lokalen Tech-Partnern verstärkt werde, um Funktionen im chinesischen Markt zu entwickeln. Er betont die Wichtigkeit eines nahtlosen Übergangs zwischen digitalen Ökosystemen und hebt hervor, dass dies nur durch enge Kooperationen vor Ort erreicht werden könne. Audi habe sich dazu mit den Partnern FAW und SAIC positioniert und arbeite intensiv daran, sich an die lokalen Kundenanforderungen anzupassen. Hoffmann sieht die Deutsche Ingenieurskunst weiterhin als einen wertvollen Vorteil.
Dennoch mĂĽsse Audi schneller werden, um mit der dynamischen Entwicklung des chinesischen Marktes Schritt zu halten. “Die Entwicklungsgeschwindigkeit der dortigen Player ist enorm hoch”, so Hoffmann. Er ist optimistisch, dass Audi gut gerĂĽstet sei, die lokalen BedĂĽrfnisse zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren. Zudem prognostiziert er eine starke Konsolidierung der chinesischen Player in den kommenden Jahren. Diese Entwicklung könnte den Wettbewerb in China beeinflussen und möglicherweise neue Chancen fĂĽr etablierte Automobilhersteller bieten.
Hoffmann sieht autonomes Fahren als “Gamechanger”
Zu den wichtigen Zukunftsthemen von Audi zählen auch die Digitalisierung und die Softwareentwicklung fĂĽr Fahrzeuge. HierfĂĽr hat der VW-Konzern im Jahr 2020 die eigene Software-Schmiede Cariad gegrĂĽndet, um alle diesbezĂĽglichen Interessen zu bĂĽndeln. Dass Audi Partnerschaften mit groĂźen Tech-Playern wie Google eingegangen ist, heiĂźe allerdings nicht, dass man von Cariad Abstand nehmen möchte. “Ich glaube, bei OEMs hat grundsätzlich ein Umdenken stattgefunden, was man selbst machen muss und welche Umfänge bei Partnern besser aufgehoben sind”, so Hoffmann. Vielmehr gehe es darum, geschickt mit Partnern zusammenzuarbeiten und die Elektronikarchitektur sowie grundlegende Fahrfunktionen, etwa das autonome Fahren, in eigener Hand zu behalten. Es sei der richtige Schritt, die Softwarekompetenz zu zentralisieren und fĂĽr Skalierungseffekte zu bĂĽndeln.
Apropos autonomes Fahren: Dieses Thema ist fĂĽr Hoffmann “ein Gamechanger“, sowohl im Ownership- als auch im Sharing-Modell, wie er erklärt. Die gesamte Branche habe die Herausforderungen erkannt, teilautomatisierte Fahrfunktionen von Level 2 oder Level 2+ auf die Level 3 oder 4 zu heben. Entscheidend sei die Schaffung von Standards und Gespräche mit Gesetzgebern weltweit. Aufgrund dieser Herausforderung seien OEMs zurĂĽckhaltender mit AnkĂĽndigungen geworden, glaubt der Entwicklungschef. Innovationen von Global Playern wie Tesla mĂĽssten genau analysiert und fĂĽr die eigene Entwicklung bewerten werden. Er sehe dies als einen Weg, um die Geschwindigkeit in der Entwicklung zu erhöhen, zudem flexibler sowie schneller in der Skalierung zu werden. Hoffmann ist davon ĂĽberzeugt, dass derjenige am erfolgreichsten sein wird, der sich am schnellsten anpassen kann.
Quellen: Automobil Produktion – „Die Geschwindigkeit der chinesischen Player ist enorm hoch“