Polestar-Chef Michael Lohscheller offenbart, welche Autos der schwedisch-chinesischen Marke als nächstes kommen, wie es um die Margen steht, und warum er dem Konzept der vertikalen Integration eine Absage erteilt.
Polestar hat in Deutschland von Januar bis August dieses Jahres 2923 Autos zugelassen. Das ist zwar ein deutliches Plus gegenüber dem Vorjahr, aber immer noch eine überschaubare Anzahl. Was wollen Sie unternehmen, um das zu ändern?
Michael Lohscheller: Also, erstmal sind wir im ersten Halbjahr bei den weltweiten Zulassungen um 51 Prozent gewachsen. Das sind mehr als 30.000 Fahrzeuge. Wenn man derart wächst, dann macht man vieles richtig. Wichtig ist außerdem, dass 77 Prozent unseres Absatzes auf Europa und 8,5 Prozent auf die USA enfallen.
Wenn 77 Prozent des gesamten Wachstums auf eine Region entfallen, kann das gesund sein?
Ich sehe das nicht problematisch. Europa ist unser Heimatmarkt. Das ist ja auch sinnvoll, denn wir sind eine schwedische Marke und in Skandinavien sowie in England sehr erfolgreich. Aber auch Australien, Korea, Kanada und nach wie vor die USA sind ebenfalls wichtige Regionen für uns. Dabei soll es nicht bleiben. Deshalb expandieren wir jetzt in weitere europäische Märkte wie Frankreich und dann sind noch weitere Märkte geplant.
Das ändert aber nichts an der europäischen Monokultur, sondern verstärkt diese nur noch.
Wir sind eine kleine Marke und wollen nicht um jeden Preis schnell wachsen. Das wäre ungesund. Die Märkte in Europa sind sehr divers. Deswegen würde ich das nicht als negativ bezeichnen. Ganz im Gegenteil.
Nichtsdestotrotz drängen ja auch andere nach Europa und holen sich dort die ein oder andere blutige Nase. Wie wollen Sie dem stärkeren Wettbewerb durch chinesische Konkurrenten trotzen?
Ich sehe uns sehr gut positioniert, da wir absolut als schwedische Marke wahrgenommen werden und das sind wir ja schließlich auch. Unsere Design-Kompetenz in Göteborg ist ein starkes Argument, besonders für europäische Kunden. Zudem nutzen wir das Servicenetz von Volvo mit rund 1400 Service-Standorten weltweit, davon allein 200 in Deutschland. Das schafft Vertrauen und Verfügbarkeit.
Die Ambitionen der Wettbewerber sind aber auch unverändert.
Wettbewerb ist immer gut. Die Automobilindustrie hat die letzten 100 Jahre einen harten Konkurrenzkampf erlebt – und das wird auch so weitergehen. Dem stellen wir uns ganz bewusst. Ich glaube, dass die Kombination aus schwedischer Marke, Zugang zu Volvo und Zugang zu Geely ein Plus ist. Wir besitzen keine eigenen Fabriken, sondern arbeiten mit Partnern zusammen.
Widerspricht das nicht dem Trend der vertikalen Integration, den beispielsweise BMW und viele chinesische Hersteller beschreiten, indem sie wichtige Elemente in der eigenen Hand zu behalten?
Nein, wir setzen klare Prioritäten. Schlüsseltechnologien behalten wir im Haus, allen voran Fahrzeug-Software. Stichwort: Software-defined Vehicle. Mit dem Polestar 3 haben wir ja das erste europäische Software-Defined Vehicle am Markt. Zugleich arbeiten wir partnerschaftlich mit Volvo und Geely zusammen. Vertikale Integration ist sinnvoll, aber nur selektiv: Man muss sich auf die entscheidenden Punkte konzentrieren. Alles selbst zu machen ist nicht die Zukunft.
Im zweiten Quartal dieses Jahres gab es eine hohe Sonderabschreibung und einen Nettoverlust von rund einer Milliarde US-Dollar. Ist das damit erledigt und wie geht es weiter?
Die Sonderabschreibung betrifft Investitionen rund um den Polestar 3, vor allem mit Blick auf die USA und den aktuellen Gegebenheiten dort. Dabei spielen sowohl die Zölle als auch die veränderten Steueranreize für den Kauf von Elektroautos eine Rolle. Das ist ein einmaliger bilanzieller Effekt.
Operativ haben wir deutlich zugelegt. Der Umsatz ist im ersten Halbjahr um 56 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass wir erstmals eine positive Bruttomarge haben. Auch die Kosten und die Verluste gehen zurück. Wir verfolgen unseren Kurs weiter. Wir optimieren die Produktkosten und verbessern die Effizienz.
Wo setzen Sie angesichts dieser Entwicklungen die Schwerpunkte?
Die USA bleiben ein wichtiger Markt für uns, sind aber derzeit unsicher. Trotzdem wollen wir Volumenwachstum und Profitabilität ausbalancieren. Deswegen stellen wir uns agil auf. Den Polestar 3 fertigen wir lokal in South Carolina und den Polestar 4 führen wir aus Südkorea in die USA ein. Die Zölle sorgen kurzfristig für Kostenerhöhungen. Die werden wir natürlich versuchen zu kompensieren.
Ein entscheidender Hebel, um dauerhaft profitabel zu sein, ist der Vertrieb. Was planen Sie da?
Wir erweitern unser Händlernetz und gehen weg vom reinen Direktvertrieb. Das ist bislang sehr erfolgreich. Der Polestar 3 und Polestar 4 kommen sehr gut an. Außerdem haben wir das Marketing und die Kommunikation gebündelt, was zu spürbaren Effizienzsteigerungen führt.

Damit das Wachstum kein Strohfeuer bleibt, brauchen Sie mehr Produkte. Zunächst kommt der Polestar 5, den Sie als „Game-Changer“ bezeichnen, dann erst in drei Jahren der Polestar 7, ein kompaktes SUV, das mehr Umsatz verspricht.
Ja, der Polestar 7 wird im ersten Quartal 2028 kommen und im Volvo-Werk Košice gebaut. Das Auto ist sehr wichtig für die Margen und das Wachstum.
Wäre es nicht wichtig, dieses Auto möglichst schnell zu realisieren?
Ja. Wir haben uns aber erst im Juni entschieden, dieses Auto zu bauen und werden es in drei Jahren auf den Markt bringen. Das ist dann schon wie Lichtgeschwindigkeit.
Wird der Polestar 7 auch die 800-Volt-Technik der Polestar Performance Architecture haben?
Zur Architektur will ich jetzt noch nichts sagen. Aber gehen Sie davon aus, dass das Auto in allen wichtigen Bereichen wettbewerbsfähig sein wird. Danach kommt der bereits gezeigte Polestar 6. Der Nachfolger des Polestar 2 ist ebenfalls gesetzt. Unser Portfolio wird breiter und erneuert sich Schritt für Schritt. Wir können nicht nur Nischenmodelle bauen.