Wie es um die Entwicklung von Feststoffbatterien für E-Autos steht

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Feststoffbatterien (Solid-state batteries, SSB) werden immer wichtiger: Fast alle namhaften Auto- und Batteriehersteller nennen die Technologie in ihren Entwicklungsroadmaps, teilweise sogar mit recht konkreten Zeitpunkten für die Einführung. Doch haben SSB bereits die nötige technologische Reife für den Start im Automobilmarkt erreicht? Noch immer finden sich neben den Kommerzialisierungsankündigungen der Hersteller auch Berichte aus der Forschung und Entwicklung, die nach wie vor auf große Herausforderungen auf dem Weg zum Massenprodukt schließen lassen.

Feststoffbatterien gelten als vielversprechende Technologie, um technische Limitierungen der aktuellen Lithium-Ionen-Batterie-Technologie zu überwinden. Sie versprechen eine sehr hohe Energiedichte in Elektrofahrzeugbatterien und somit potenziell eine hohe Reichweite, insbesondere bei Verwendung von Lithium-Anoden oder „anode-less“-Zellkonzepten. Zudem verringert das Fehlen von flüssigen Elektrolyten in Feststoffbatterien das Risiko von Gefahren bei Unfällen, da sie größtenteils auf nicht brennbare Komponenten setzen. Einige Festelektrolyte weisen zudem gute kinetische Eigenschaften auf und versprechen hohe Lade- und Entladungsraten, was die Gesamtleistung der Batterie verbessern könnte.

Trotz der vielversprechenden Aussichten der SSB-Technologie sind bislang nur wenige Feststoffbatteriezellen kommerzialisiert worden. Die Herausforderungen liegen nicht nur in den Material- und Zellkonzepten selbst, sondern insbesondere in den Produktionsprozessen, die sich teilweise erheblich von denen konventioneller Lithium-Ionen-Batterien (LIB) unterscheiden.

In einem ausführlichen Beitrag gibt das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) einen aktuellen Überblick auf die industrielle und wissenschaftliche Landschaft im Zusammenhang mit Feststoffbatterien. Darüber hinaus werden verschiedene Technologievarianten der wichtigsten Industrieakteure identifiziert. Zuletzt werden Erkenntnisse aus Industrie-Roadmaps und Produktionsausbauplänen abgeleitet, um den aktuellen Stand und die zukünftigen Aussichten der Feststoffbatterietechnologie darzustellen.

Welche Akteure sich mit Feststoffbatterien beschäftigen

Die SSB-Technologie soll vor allem in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Mehrere bedeutende Akteure haben bereits angekündigt, die SSB-Technologie nutzen zu wollen. BMW plant beispielsweise ab 2030, Mercedes bis 2030, Ford ab 2028 und Toyota ab 2027, Feststoffbatterien zu nutzen. Hyundai hat ähnliche Pläne und strebt die Integration dieser Technologie bis zum Jahr 2030 an. In sogenannten „semi-solid“-Konzepten sollen SSB-Zellen sogar noch früher auf den Markt kommen.

Aktuell dominiert China die Erforschung und Entwicklung von SSB-Batterien. Ein Blick in die Publikationen der vergangenen fünf Jahre, die den Begriff „Solid State Batteries“ enthalten, spiegelt dies wider. Die größte Anzahl von Publikationen stammt von chinesischen Autor:innen (55 Prozent), gefolgt von Nordamerika (16 Prozent), Europa (14 Prozent) und Asien (14 Prozent).

Ähnliche Trends lassen sich bei der angekündigten SSB-Produktion erkennen. Unter den Unternehmen, die bereits Produktionsvolumina bis 2030 angekündigt haben, finden sich Namen wie WeLion, Solid Energy Systems, Blue Solutions, TDK, Pro Logium und Gangfeng. China dominiert bei den angekündigten Produktionskapazitäten, gefolgt von Europa, Asien und den USA.

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Fraunhofer ISI

Einige Unternehmen haben zwar erklärt, sich in den kommenden Jahren an der Produktion von Feststoffbatterien beteiligen zu wollen, haben jedoch keine genauen Zahlen bekannt gegeben. Darunter sind Großunternehmen wie AESC (bis 2027), LGES (ab 2030), Samsung SDI (ab 2027), SVolt (bis 2030) und Lition (ab 2025). Auch aus Europa sind einige Start-ups wie LionVolt (ab 2025), LeydenJar (ab 2026) und Morrow Battery (ab 2030) vertreten. In Nordamerika sind Hydro Quebec (ab 2025), Ionic Materials und Prieto Battery bereits ab diesem Jahr, sowie EnPower GreenTech (ab 2025) und Solid Ultrabattery (ab 2025) aktiv.

Technologische Varianten von Feststoffbatterien

Die entwickelten Konzepte für Feststoffbatterien sind so vielfältig wie ihre Hersteller. Das liegt daran, dass es eine große Zahl möglicher Kombinationen von Anoden, Festelektrolyten und Kathodenkonzepten gibt. Obwohl die Forschung und Entwicklung seit mehreren Jahren im Gange ist, wurde die Vielfalt der Technologievarianten bisher kaum konsolidiert.

Unterschiede liegen in der Verwendung verschiedener Anoden-Aktivmaterialien, darunter Lithium-Metallanoden und Silizium-basierte Anoden, sowie in der Verwendung von üblichen Kathodenmaterialien (LFP, NMC). Unter den Festelektrolyten, die aktuell als vielversprechend gelten, sind Polymer-, Sulfid- und Oxid- Elektrolyte, die bezüglich Ionenleitfähigkeit und chemischer Stabilität verschiedene Eigenschaften aufweisen.

Mit Ausnahme einiger Zellvarianten, die auf Polymer-Elektrolyten basieren, wurde bisher kein klarer Unterschied im erreichten Technologiereifegrad identifiziert. Einige Entwickler haben großformatige und mehrschichtige Zellen (geeignet für Elektrofahrzeuge) vorgestellt. Die erste gigakommerzielle Umsetzung im Bereich der Elektromobilität zeichnet sich jedoch erst bei den halbfesten Konzepten ab oder befindet sich noch im Entstehen.

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Fraunhofer ISI

Die erreichte Energiedichte von Feststoffbatterien hängt von den verwendeten Technologien in Anode, Kathode und Elektrolyt ab. Dies liegt nicht nur an den unterschiedlichen spezifischen Gewichten der Festelektrolyte (Oxide sind zum Beispiel recht schwer, während polymerbasierte Materialien eher leicht sind), sondern ist immer das Ergebnis des Gesamtzellendesigns, z. B. der Dicke des Separators und der Elektrodenschichten, dem Füllanteil der Katholyten und insbesondere dem verwendeten Anodenkonzept. Obige Abbildung zeigt die angekündigte spezifische Energie verschiedener SSB-Zellen und -Hersteller. Abhängig von der ausgewählten Technologie schwanken die Werte um 400 Wh/kg.

Wie werden sich Feststoffbatterien weiter entwickeln?

Unternehmen wie Pro Logium aus Taiwan haben bereits 2021 ihre Intention für die Massenproduktion von Feststoffbatterien angekündigt. Ziel war es, bis 2023 in den Markt einzutreten. Eine Produktionskapazität von 1 bis 2 GWh bis 2022 wurde beabsichtigt, die Eröffnung einer Giga-Level Solid-State-Fabrik im Januar 2024 aber deutet auf eine Verzögerung um etwa ein bis zwei Jahre hin.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei US-amerikanischen Unternehmen wie Quantumscape und Solid Power. Quantumscape plante zunächst, bis 2024 eine Produktionskapazität von 1 GWh zu erreichen, die bis 2026 auf 20 GWh erhöht werden sollte. Aktuelle Berichte weisen jedoch darauf hin, dass eine erste Pilotfertigung mit niedrigen Stückzahlen erst Ende 2024 geplant ist, und die Großproduktion erst 2025 beginnen soll.

Ähnlich kündigte Solid Power in 2021 an, dass der Produktionsstart einer ersten industriellen Linie Anfang 2026 erfolgen sollte und die Massenproduktion von Feststoffelektrolyten bereits 2023 beginnen sollte. Nun wird die Massenproduktion von Festelektrolyten erst ab 2026 in Aussicht gestellt. Trotz der Ankündigung weiterer Pilotlinien ab 2025 scheint eine industrielle Produktion noch nicht in vollem Umfang realisiert worden zu sein.

Die Roadmap für die breitere Einführung von SSB-Batterien in Elektroautos bleibt also weiterhin spekulativ. Unternehmen müssen die bisher demonstrierten und automotive-tauglichen Produkte bis zur Produktion weiterentwickeln, so das Fraunhofer ISI abschließend.

Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 14.05.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Wolfbrecht Gösebert:

Bei allen technischen Betrachtungen über Realisierungen fehlt mir hier aber die beinahe wichtigste: Die Kostenseite!
Und klar ist: Je weniger die Produktionsmethoden mit denen der herkömmlichen Li-Ion-Techniken zu tun haben, desto mehr Kosten entstehen.
Wobei ja erst eine Produktion im „Giga-Maßstab“ eine praktisch sinnvolle Abschätzung der Kosten ermöglicht. Bekanntgeworden ist da eine Äußerung von Nio, dass allein eine solche Batterie dort irgendwann über umgerechnet 41.000 US$ kosten soll …

Da aber schon heute großtechnisch Batterien gebaut werden, die 4C-ladefähig sind, läßt sich „schwerwiegende!“ (und oft nur selten gebrauchte) Reichweite inzwischen doch in vielen Fällen auch leicht! durch Schnellladen substituieren.

Also »Feststoff« gern in allen Richtungen ergebnisoffen :) erforschen, bis dahin bietet Li-Ion noch reichlich Entwicklungs-Potential!

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