Südamerika galt lange Zeit als Nachzügler in Sachen Elektromobilität: Starke Gebrauchtmärkte für Verbrenner, eine noch sehr lückenhafte Ladeinfrastruktur, große, sehr ländliche Landstriche, vergleichsweise niedrige Durchschnittseinkommen, hohe Importsteuern und ein Mangel an lokalen Herstellern führten zu der Erwartung zahlreicher Branchenbeobachter, dass sich Elektroautos in Südamerika nur sehr schleppend durchsetzen würden. Zwar wächst der südamerikanische E-Auto-Markt weiterhin vergleichsweise langsam – zuletzt jedoch deutlich schneller als eigentlich erwartet, berichtet Reuters.
In Peru etwa, wo Tesla-Käufer noch vor wenigen Jahren mit immensen Hürden beim Import konfrontiert wurden, sei es inzwischen nicht mehr so schwierig, einen Stromer zu kaufen. Zwar unterhält Tesla weiterhin keinen Ausstellungsraum in Peru, dafür haben chinesische Hersteller ihre Präsenz jedoch immens gesteigert: Marken wie BYD, Geely und Great Wall Motors verkaufen in Peru inzwischen Elektroautos für etwa 60 Prozent des Preises, den ein Tesla kostet. Einige etablierte Hersteller wie Toyota, Kia und Hyundai bieten ihre E-Autos und Hybridfahrzeuge inzwischen ebenfalls in Peru an.
Megahafen Chancay: Chinas Tor zum südamerikanischen Fahrzeugmarkt
Auch in anderen südamerikanischen Ländern konnten chinesische Hersteller zuletzt ihren Einfluss vergrößern, sowohl mit Verbrennerfahrzeugen als auch mit Elektroautos. E-Autos machen bislang zwar nur einen kleinen Teil der 135.394 Neuwagen aus, die in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres in Peru verkauft wurden. Der Absatz von Hybrid- und Elektrofahrzeugen erreichte mit 7256 Einheiten aber dennoch einen Rekordwert, der einem Anstieg von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht.
China konnte seine Verkaufszahlen seit Eröffnung des Hafens von Chancay nördlich von Lima im vergangenen Jahr merklich steigern. Der von China gebaute Megahafen hat die Lieferzeiten über den Pazifik nach Peru halbiert – und das zu einer Zeit, in der chinesische Hersteller einerseits mit Überkapazitäten im Heimatland und andererseits mit zunehmenden Markteintrittsbarrieren in den USA und Europa zu kämpfen haben. Ein Großteil des Überschusses wird laut dem Autoexperten Felipe Munoz von Jato Dynamics in den Nahen Osten, nach Zentralasien und Lateinamerika exportiert.
E-Auto-Gigant BYD will bis Ende des Jahres einen vierten Showroom in der peruanischen Hauptstadt eröffnen, während die Hersteller Chery und Geely zusammen bereits mehr als ein Dutzend Niederlassungen in dem Land unterhalten.
Elektroautos erzielen Rekord-Zulassungswerte in Chile, Brasilien und Uruguay
In Chile ist die Entwicklung ähnlich: Die Chinesen hätten sich sowohl bei Elektro- als auch bei Benzinfahrzeugen „Raum erobert“, so Martin Bresciani, Präsident des chilenischen Automobilverbands CAVEM. „Die Chinesen haben bereits gezeigt, dass sie bei der Qualität internationalen Standards entsprechen.“ Chinesische Marken machten im ersten Quartal dieses Jahres 29,6 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen in Chile aus.
Neuesten Zahlen zufolge hatten Elektroautos und elektrifizierte Fahrzeuge im September einen Anteil von 10,6 Prozent an den Neuzulassungen in Chile. In Brasilien machten sie im August 9,4 Prozent der Neuzulassungen aus. In Uruguay entfielen im dritten Quartal 28 Prozent der Neuzulassungen auf E-Autos – allesamt Rekordwerte, wie lokale Autoverbände und Beratungsfirmen berichten. Zwar besaßen in Europa und China bis Mitte 2025 rund die Hälfte aller neu zugelassenen Autos einen Elektromotor – in Japan und den USA lagen die Zahlen mit jeweils 2 Prozent und 10 Prozent aber deutlich niedriger.
Die Verbreitung von Elektroautos in Lateinamerika einschließlich Mexiko und Mittelamerika hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt, auf einen Anteil von etwa 4 Prozent am gesamten Fahrzeugmarkt. Staatliche Anreize und der Zustrom neuer, erschwinglicher Modelle aus China dürften die Entwicklung weiter vorantreiben.
Chinesische Hersteller erzielen bereits 22 Prozent Marktanteil in Uruguay
Selbst in Argentinien, wo die Regierung weiter mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen hat und die Handelsbarrieren höher sind, steigen die E-Auto-Verkaufszahlen, wenngleich von einem niedrigen Niveau aus. BYD verkauft seit Oktober erstmals auch in Argentinien Fahrzeuge. In Brasilien, Kolumbien, Ecuador und Uruguay führt der Hersteller bereits die Elektro-Verkaufsranglisten an.
Ein Teil des Erfolgs chinesischer Hersteller beruht laut Autohändlern aus Peru, Chile, Uruguay und Argentinien auch auf Kooperationen mit vertrauenswürdigen lokalen Importeuren, um erschwingliche Modelle anzubieten, die auf die jeweiligen regionalen Vorlieben zugeschnitten sind.
Der Mobilitätswandel ist in Uruguay besonders sichtbar: BYD ist dort mittlerweile der drittgrößte Anbieter über alle Fahrzeugtypen hinweg, nur übertroffen von Chevrolet und Hyundai. Der Marktanteil chinesischer Hersteller hat sich dort seit 2023 mehr als verdoppelt und liegt nun bei 22 Prozent.
Kredit-Kooperationen und niedrige Preise: Chinas Autobauer haben „hart zugeschlagen“
„Die Chinesen haben zuerst zugeschlagen – und hart zugeschlagen“, erklärt der Autohändler Gonzalo Elgorriaga, der seit einigen Jahren auch BYD-Fahrzeuge verkauft. Chinesische Marken hätten in Uruguay an Legitimität und Größe gewonnen, so Elgorriaga. Sie arbeiteten mit lokalen Banken zusammen, um günstige Kredite und Gewinnspiele anbieten zu können. Wettbewerbsfähige Preise seien ebenfalls entscheidend für die Attraktivität chinesischer Autobauer – in Uruguay starten die Preise für Elektroautos von BYD bei umgerechnet gut 16.000 Euro. „Ich kann drei chinesische Pickups zu einem Preis kaufen, bei dem ich bei traditionellen Marken zwei bekäme. Das ist ein großer Unterschied“, so Federico Guarino, ebenfalls uruguayischer Autohändler.
Im peruanischen Megahafen Chancay bringt jedes eintreffende Schiff „800 bis 1200 Fahrzeuge“, rechnet Gonzalo Rios vor, stellvertretender Manager beim Hafenbetreiber Cosco Shipping. Cosco erwartet, dass bis Jahresende 19.000 Fahrzeuge aus China in Chancay eintreffen.
Peru ist allerdings nicht die Endstation: Cosco Shipping führte im September die erste Umladung per Schiff durch und schickte 250 Fahrzeuge weiter in den Süden, nach Chile, wo chinesische Marken im Juli 33 Prozent des Gesamtmarktes eroberten. Eine weitere Umladung von Elektro- und Hybridfahrzeugen ging kürzlich ebenfalls nach Chile. Cosco habe außerdem Lieferungen nach Ecuador und Kolumbien, mit dem Ziel, Peru zu einem regionalen Verteilzentrum für chinesische Hybrid-, Elektro- und Verbrennerfahrzeuge zu machen, so Rios.
Brasilien könnte ein wichtiges Produktions- und Verteilzentrum für Südamerika werden
Einige chinesische Hersteller investieren zudem in Fabriken in Brasilien, weil die dort herrschenden Zollbarrieren Anreize zur lokalen Produktion setzen. BYD begann im Oktober damit, Elektroautos im ehemaligen Ford-Werk in Bahia zu montieren, Great Wall Motors startete im August eine Teilproduktion in einem umgewidmeten Mercedes-Benz-Werk.
Brasilien könnte bald zu einer Art Gegenstück für Chancay als regionales Verteilzentrum werden – zum einen durch die inländische Produktion, zum anderen auch durch Importe: Der Hafen von Vitoria an der südöstlichen Atlantikküste ist derzeit der wichtigste Umschlagplatz des Landes für Fahrzeugimporte. Anfang dieses Jahres legte das größte Autotransportschiff der Welt im brasilianischen Hafen Itajai an. Der BYD-Landeschef für Argentinien erklärte im Oktober gegenüber Reuters, dass das Unternehmen ab 2027 Lieferungen aus Brasilien erwarte. „Ich denke, wir könnten irgendwann sehen, dass Argentinien ähnliche Elektro-Quoten erreicht wie Brasilien“, sagte er.
Quelle: Reuters – Electric vehicle sales are booming in South America — without Tesla







Kommentare (Wird geladen...)