Audi-CEO Gernot Döllner hat im Interview mit Automotive News über die Zukunftsstrategie der Marke mit den vier Ringen gesprochen. Dabei geht der Markenchef, der seine Position vor zwei Jahren angetreten hat, unter anderem auf die Modelloffensive des Unternehmens, die Märkte USA und China sowie die Rolle verschiedener Antriebsarten in den kommenden Jahren ein.
„Mich überrascht immer noch die Fähigkeit der Marke, Fahrzeuge in allen Segmenten anzubieten – vom A-Segment bis zu den D- und E-Segmenten – und in so vielen Varianten, von Sportwagen wie dem Concept C, den wir Anfang September vorgestellt haben, bis hin zu großen SUVs“, antwortet Döllner auf die Frage, was ihn an Audi in den vergangenen beiden Jahren am meisten überrascht hat. „Auch die technologischen Möglichkeiten des Unternehmens sind fantastisch“, ergänzt er.
Alles andere als fantastisch lief für den Ingolstädter Autobauer das erste Halbjahr mit einer operativen Marge von 3,3 Prozent, was einem Minus von 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Trotz der enttäuschenden Bilanz arbeitet Audi laut Döllner daran, einen Margenkorridor von 5 bis 7 Prozent für das Gesamtjahr zu erreichen, den der Vorstand im Juli in Aussicht gestellt hatte. Dabei hoffe man auf eine Stabilisierung der US-Zölle für europäische Importe mit einem Satz von 15 Prozent, der im September in Kraft tritt. Zudem rechne man mit einer Lösung für die Zölle zwischen Mexiko und den USA.
Der CEO sagt, dass Audi sich wieder stärker darauf konzentrieren will, der Herausforderer im Premiumsegment zu sein. Zur Wettbewerbsfähigkeit soll auch die weltweite Reorganisation des Unternehmens beitragen. Während die Managementebenen von vier auf drei verringert wurden, mussten 85 Prozent der Ausschüsse weichen. „Dadurch ist die Entscheidungsfindung nun sehr nah am Produkt“, erklärt der Audi-Chef.
Produktportfolio soll weniger komplex werden
„Klarheit und Fokus sind zentrale Bestandteile unserer neuen Strategie“, erklärt Döllner. Klarheit sei nicht nur das Leitprinzip für das Fahrzeugdesign, sondern auch für die Umstrukturierung der Organisation und die Produktpalette. Das Portfolio soll demnach fokussierter werden und eine gezielte Auswahl an Optionen pro Modell bieten. „Das wird die Kundenerfahrung verbessern. Komplexitätsreduktion ist ein entscheidender Hebel, um unsere Marke noch erfolgreicher und profitabler zu machen“, erläutert der Audi-Chef.
„Unsere große Modelloffensive umfasst mehr als 20 neue Modelle, die 2024 und 2025 eingeführt werden“, sagt Döllner. Dabei setzt Audi auf eine Antriebsvielfalt, die aus Verbrennern, Plug-in-Hybriden und batterieelektrischen Autos besteht. „Wir sind perfekt aufgestellt, um die sehr unterschiedlichen Übergangsmuster hin zu Elektrofahrzeugen weltweit zu bewältigen“, lautet die Einschätzung des CEO. Während er in Europa einen klaren Weg zur Elektrifizierung sieht, kehrten die USA zurück zu Verbrennern und Plug-in-Hybriden. Für Audi sei die Flexibilität bei den Antrieben daher ein Vorteil.
Fokus auf neue Markteinführungen in China
Nachdem sich Audi in den vergangenen zwei Jahren auf die Modellinitiativen in Europa und Nordamerika konzentriert hat, stehen nun die Markteinführungen der für den chinesischen Markt angepassten Versionen bevor. Als batterieelektrische Modelle kamen dieses Jahr der Q6 L und der A6 L auf den Markt, während der Q5 L und der A5 L in 2026 folgen sollen.
Um Audi in China wieder nach vorn zu bringen, vor allem bei der jüngeren Generation, hat das Unternehmen zudem die Schwestermarke mit den vier Großbuchstaben AUDI als Schriftzug ins Leben gerufen, die auf die vier Ringe verzichtet. „Diese Marke kombiniert das Beste aus beiden Welten: Audi-Design, Qualität, Innenraumwahrnehmung, Fahrleistungen und zugleich das chinesische Ökosystem im Innenraum“, sagt Döllner. Noch in diesem Monat sollen die ersten Autos der neuen Tochter die Kunden erreichen.
Range-Extender-Elektroautos als mögliche Option
Man sei sehr optimistisch für die Entwicklung in China. Mit der neuen Marke stoße man zudem in das NEV-Segment vor, das gegenwärtig von chinesischen Marken dominiert wird. Für den chinesischen Markt evaluiere man außerdem die Einführung von Range-Extender-Elektroautos (EREV), die ein Spezialgebiet chinesischer Hersteller sind. Döllner bezeichnet EREVs als sehr effizient, „wenn man es richtig macht“. Im Vergleich zu einem Plug-in-Hybrid sieht er einen Vorteil im Ursprung der Plattform, wozu der Audi-CEO erklärt: „Beim Range-Extender startet man mit einer batterieelektrischen Plattform und ergänzt einen Verbrenner. Langfristig gesehen ist das eine zukunftsorientierte Plattform.“
Auf dem US-Markt hofft der Autobauer auf eine Stabilisierung der Zölle, um „wieder eine klare Basis für Wachstum“ zu haben. Derzeit bleibt die Frage offen, ob Audi ein eigenes Werk in den USA errichten wird oder ob die Marke möglicherweise im VW-Werk in Tennessee oder im neuen Scout-Werk von Volkswagen in South Carolina produzieren wird. „Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Diskussion über die Produktion wird vom VW-Konzern geführt“, sagt Döllner.
Ende September will Audi seine offizielle Strategie publik machen. Zuvor will das Unternehmen seine Strategie intern kommunizieren und das Wachstumsziel bekanntgeben. Zuvor war in Medien berichtet worden, Audi wolle den jährlichen Absatz auf zwei Millionen Fahrzeuge steigern, wobei der konkrete Zeitraum nicht näher bestimmt wurde. Döllner äußert dazu lediglich, dass Audi in den kommenden Jahren profitabel wachsen will.
Quelle: Automobilwoche – Audi-CEO Döllner: „Danach entscheiden wir, ob Audi ein eigenes Werk in den USA bekommt“