Von Timo Kauffmann
Volkswagen hat mit dem ID.Buzz Pro seinen ersten vollelektrischen Bus auf den Markt gebracht. Naja… nicht ganz „Bus“, eher ein großer Van. Die Ziel-Käufergruppe für den ID.Buzz sind ganz klar Familien. Wir als Familie fühlten uns vom Buzz auch sehr angesprochen und durften ihn direkt für ein Wochenende auf Herz und Nieren testen.
Der Buzz überzeugt direkt mit seiner auffälligen Bicolor-Lackierung und coolen Design. Auch seine Abmaße von 4712 mm in der Länge, 1985 mm in der Breite und 1927 mm in der Höhe sind eine Wucht. Bei solchen Abmaßen rechnet man mit einem großen Wendekreis, war aber doch von seinen benötigten 11 Metern sehr positiv überrascht.
Den ID.Buzz gibt es übrigens auch in der Cargo-Variante, dort fehlt die hintere Sitzreihe komplett. Im vorderen Bereich befinden sich dafür drei Sitzplätze. Eine Trennwand separiert den Fahrerraum vom Laderaum. Bei solch einem Fahrzeug geht es natürlich in erster Linie um Platz und Komfort auf langen Fahrten. Und Platz hat der ID.Buzz in Hülle und Fülle. Überall im Innenraum findet man wohlüberlegte Verstau- oder Ablageflächer. In der Standard-Version verfügt der ID.Buzz über fünf Sitzplätze.
Die vorderen Sitze sind elektrisch verstellbar und verfügen über einen Memory-Funktion (Speicherung der Sitzeinstellungen) mit zwei Profilen. Zusätzlich verfügen die Sitze über eine Massage-Funktion und Sitzheizung. Die ausziehbaren Sitzverlängerung steigert den Sitzkomfort auf langen Strecken. Die Sitzheizung und Massagefunktion befinden sich leider nur auf den Vordersitzen, die hinteren Sitze verfügen über keine Sitzheizung. Die Komfort-Sitze mit den genannten Funktionen sind allerdings aufpreispflichtig.
Viel Platz für Kind und Kegel
Die hintere Sitzreihe lässt sich manuell auf den Schienen-System vor- und zurückschieben. Bei vorgeschobener Sitzreihe ergibt sich zusätzlicher Stauraum im Kofferraum. Auch lassen sich die hinteren Sitze (60/40) komplett umklappen, der Klappmechanismus ist dabei besonders durchdacht, es senkt sich auch die Sitzfläche ab. So ergibt sich ein ebener Boden im gesamten Kofferraum.
Auch der Kofferraum überzeugt mit viel Platz. Der doppelte Boden im Kofferraum lässt sich werkzeuglos ausbauen. Auch die Kofferraumabdeckung ist schnell demontiert. So hat man nochmal mehr Stauraum. Wir haben einen vollwertigen Kinderwagen zusammengeklappt unterbekommen. Entspannt hat sich noch ein Buggy für unsere größere Tochter dazugesellt. Dazu noch etwas Proviant und Ersatzkleidung – man weiß ja nie, was bei Kindern so alles passieren kann…
Das VW-eigene Typ-2-Ladekabel durfte auch nicht fehlen und für den Notfall haben wir noch den Juice Booster eingepackt. Trotzdem war noch jede Menge Platz vorhanden. Für nachts ist der Kofferraum sehr gut ausgeleuchtet und bietet sogar zusätzlich mit geöffneter Heckklappe zwei Deckenleuchten, welche den Bereich vor dem Kofferraum sehr gut erhellen.
Die aufpreispflichtige Anhängerkupplung lässt sich elektrisch über einen Schalter an der linken Seite herausschwenken. Unterhalb dieses Schalters ist hinter einer entfernbaren Abdeckung der Sicherungskasten. Auch verfügt der Buzz über eine 12 Volt Steckdose im Kofferraum. Gleich daneben befindet sich ein herausklappbarer Haken für Einkaufstaschen. Darunter befindet sich eine entfernbare Abdeckung, um dort Zugriff auf die Notentriegelung für den Ladestecker zu erhalten.
Enttäuschung in Sachen Stützlast
Die Breite in der künftigen dritten Sitz-Reihe der XL-Variante beträgt circa 1,23 Meter. Hier wird es wohl höchstens auf eine zweier Bestuhlung hinauslaufen. Einen vorderen Kofferraum (Frunk) sucht man leider vergebens. Obwohl der Elektromotor an der Hinterachse sitzt, ist die Nase des Buzz voll mit Technik. Schade VW! Gerade für Ladekabel erachte ich einen Frunk beim Buzz für sinnvoll. So würde man sich die Sucherei nach dem Ladekabel im Kofferraum ersparen. Die Nase muss man nur für einen Grund öffnen – Wischwasser nachfüllen. Die Klappe wird übrigens nur über ein Band gehalten. Geschlossen wird die Klappe wieder mit einem sanften Druck auf das große VW-Emblem.
Die elektrisch schwenkbare Anhängerkupplung gibt es zum Aufpreis von 952 Euro. Sie verfügt über eine Stützlast von 50 Kilo und eine Anhängelast von 1000 Kilo. Leider ergibt die 50 Kilo Stützlast keinerlei sinnvolle Verwendung für eine vierköpfige Familie mit Fahrrädern. Alleine schon der Fahrradträger wiegt circa 20 Kilo. So bleiben noch 30 Kilo, die auf vier Fahrräder verteilt werden können. Hier hat Volkswagen aus meiner Sicht eine Fehlentscheidung getroffen.
Jeder kennt es, kaum sind auf den hinteren Sitzen zwei Kindersitze verbaut, schon ist alles beengt und kaum noch Platz. Nicht so beim Buzz! Ich habe noch nie so entspannt die Kindersitze in ein Auto eingebaut. Der Einbau war innerhalb von ein paar Minuten erledigt und das ganz ohne hinten reinklettern oder sich verrenken zu müssen. Ein ganz großes Lob an VW! Ein weiterer Pluspunkt ist, dass ich als Erwachsener in der Mitte zwischen den beiden Kindersitzen sogar angeschnallt noch entspannt sitzen konnte.
Klappbare Tabletts befinden sich auf der Rückseite der vorderen Sitze und bieten somit zusätzliche Stellfläche. Sei es nun zum Essen oder für Gesellschaftsspiele. Rutschfest sind die Ausklapptischchen leider nicht. Bei Bremsmanövern, Kurvenfahrten oder stärkeren Beschleunigungen rutscht gerne mal alles vom Tablett. Hier hätte ich mir eine rutschhemmende Oberfläche gewünscht.
Navigation errechnet Reichweite pessimistisch
Der Fußraum bei den hinteren Sitzen ist beleuchtet, falls etwas Nachts herunterfällt, verschwindet es also nicht ganz im „schwarzen Nichts“. So erspart man sich das anschalten der Deckenleuchten. Diese lassen sich übrigens per Touch bedienen. Berührt man die Leuchte etwas länger, lassen sich die Leuchten dimmen – sehr sinnvoll bei schlafenden Kindern. Auch lässt sich das Ambientelicht, das in den Türbereichen erstrahlt, über das Hauptdisplay dimmen und auch ganz ausschalten. Die Fußraumbeleuchtung lässt sich ebenfalls über das Hauptdisplay steuern.
Die elektrischen Türen (aufpreispflichtig) und die großen Seitenfenster waren für unsere Vierjährige ein Highlight. Die große Einstiegsöffnung ermöglicht es Kindern sogar, selbst und ohne Probleme ein- und auszusteigen. Ein Panoramadach (welches mit der Lang-Version kommen soll) wäre noch das i-Tüpfelchen.
Das Navi rechnet die Reichweite recht pessimistisch aus, was in erster Linie auch gut ist, damit Neulinge nicht direkt mit dem E-Auto liegenbleiben. Allerdings zwingt es einem in der Routenplanung Ladestopps auf, wir haben keinerlei Möglichkeit gefunden, die Ladestopps aus der Routenplanung zu entfernen. Wir wussten, dass wir ankommen und wollten den unnötigen Ladestopp – 10 Kilometer vor Zuhause – nicht ansteuern. Es gab aber keinerlei Möglichkeit, diesen aus der Routenplanung zu entfernen.
Man kann zwar bei den geplanten Ladestopps eine andere Ladesäule auswählen, jedoch wünsche ich mir eine Funktion, die es ermöglicht, bestimmte Ladesäulenbetreiber zu favorisieren und andere Betreiber zu meiden. Dieser Filter sollte direkt bei der Planung der Ladestopps mit einbezogen werden. In den Grundeinstellungen kann man bei der Routenplanung angeben, mit wie viel Ladestand ein Ziel oder Zwischenziel erreichen werden soll, dies allerdings nur in Kilometer Schritten. Hier wünsche ich mir eine prozentuale Angabe.
In der Routenplanung wird mittels einen farbigen Batterie-Symbols angezeigt, mit welchen Ladestand man am Ziel ankommt. Wünschenswert wäre es, würde eine Restreichweite oder ein prozentualer Ladestand an den jeweiligen Zielen direkt angezeigt werden. Stattdessen muss man das Ziel in der Navigation aufrufen und nochmals draufklicken, um herauszufinden, mit wie viel Prozent man am jeweiligen Ziel ankommt.
Angenehme Fahreigenschaften
Auf der Autobahn macht der Buzz eine wirklich gute Figur. Das Einfädeln vom Beschleunigungsstreifen auf die Autobahn meistert der Buzz dank des leistungsstarken E-Motors ohne Probleme. Auch die Assistenzsysteme unterstützen bei der Fahrt, vor allem der Travel-Assist (Autopilot) nimmt dem Fahrer ordentlich Arbeit ab. Das verbaute ID-Light weist deutlich darauf hin, in welche Spur oder Abfahrt gewechselt werden muss. Das Fahrwerk schluckt die meisten Fahrunebenheiten souverän und gestaltet die Fahrt somit für alle Insassen angenehm. Lediglich die Windgeräusche sind bei 120 Stundenkilometer konstruktionsbedingt etwas lauter, aber angesichts der Frontfläche des Buzz halten sie sich noch im Rahmen.
Die hochangepriesene und doch allseits kritisierte Software von Volkswagen… Ja sie ist besser geworden! Leider entspricht sie nicht meinen Vorstellungen einer guten Software. Das volle Potenzial der Software konnten wir, aufgrund eines Fehlers, leider nicht nutzen. Der Buzz war ständig im Offline-Modus und ließ sich auch nicht Online schalten. So hat er einige Sprachbefehle und Navigationsansagen nicht verstanden – was vermutlich am Offline-Modus lag. Erst die direkte Angabe der Adresse per Spracheingabe brachte das gewünschte Ergebnis. Natürlich lässt sich auch das eigene Smartphone mit dem Fahrzeug über Android-Auto und Apple CarPlay kabellos koppeln.
Im Allgemeinen ist das Fahrzeug gut verarbeitet. Mich störte jedoch, dass fast überall im Innenraum Hartplastik zu finden war. Zwar waren die Armablagen in den Türen leicht gepolstert und etwas wertiger, leider war alles drum herum aus dem billigen Hartplastik – wie man es aus gewerblichen Transportern kennt. Hier hätte ich mir bei einem reisetauglichen Familiengefährt etwas mehr Gemütlichkeit durch hochwertigere Innenraumkomponenten gewünscht.
Wer ein vollelektrisches Fahrzeug mit viel Innenraum und vor allem Platz und Praktikabilität haben möchte, macht mit dem Buzz sicher nichts falsch. Für Familien mit Kindern ist das Fahrzeug sicher optimal. Allerdings muss man Abstriche in Sachen Reaktionsgeschwindigkeit der Navigationskarte und Software machen. Leider kann ich keine Aussage zu weiteren Konnektivität-Features machen, da sich der Buzz nicht in den Online-Modus schalten ließ.
Einen noch detaillierteren Bericht zum ID.Buzz mit allen Infos zur Tour, den Rahmenbedingungen, den Verbrauchswerten und technischen Daten, gibt es auf der Homepage von Timo Kauffmann.