Volkswagen steht vor einer der härtesten finanziellen Bewährungsproben der vergangenen Jahre, wie das Manager Magazin berichtet. Finanzvorstand Arno Antlitz, im Konzern seit Langem als unerbittlicher Kostensenker bekannt, hat eine neue Sparoffensive gestartet, die weit über frühere Programme hinausgeht. Ende September berief er die Finanzchefs der wichtigsten Marken sowie zentrale Strategen ein und erklärte die Runde zur Taskforce „Netto Cashflow“. Ziel ist es demnach, bis 2026 zwölf Milliarden Euro zusätzlich zu erwirtschaften – eine Zahl, die selbst in einem Konzern dieser Größe für Aufsehen sorgt.
Hintergrund sind besorgniserregende Finanzdaten. Der Netto-Cashflow, der zeigt, wie viel Geld nach allen Ausgaben übrig bleibt, ist 2024 auf rund fünf Milliarden Euro gesunken. Für das laufende Jahr prognostiziert Antlitz sogar „rund null Milliarden Euro“. Nach internen Berechnungen droht 2026 ein Minus von etwa sieben Milliarden Euro. Um diese Lücke zu schließen und das Minimum von fünf Milliarden Euro wieder zu erreichen, braucht es also rund zwölf Milliarden Euro zusätzlichen Mittelzufluss.
Der Druck wächst, weil die operative Leistung schwächelt. Konzernchef Oliver Blume hatte auf der IAA in München noch versucht, Zuversicht auszustrahlen. Doch kurz darauf senkte Porsche seine Gewinnprognose drastisch – von ursprünglich deutlich höheren Werten auf nun maximal zwei Prozent operative Umsatzrendite. Die Muttergesellschaft Volkswagen korrigierte daraufhin ihre eigenen Erwartungen um fünf Milliarden Euro nach unten. Auch die Porsche SE, die Beteiligungsgesellschaft der Eigentümerfamilien, hatte bereits zu Jahresbeginn erhebliche Abschreibungen vorgenommen.
Wichtigster Weltmarkt China ist eingebrochen – für alle VW Marken
Das schwache Ergebnis zieht sich durch alle Marken. In China, traditionell wichtigster Markt des Konzerns, brach der Absatz bei Porsche nach einem schwierigen Jahr 2024 erneut um ein Viertel ein. Audi bewegt sich aktuell nur knapp über der Gewinnschwelle, während die Kernmarke VW im ersten Halbjahr mit einer Rendite von 2,5 Prozent immerhin leicht positiv abschneidet. Doch die Tendenz zeigt nach unten.
Besonders problematisch ist die Lage in Nordamerika. Dort hat Volkswagen die Produktion des elektrischen ID.4 in Chattanooga gestoppt. Der geplante Elektro-SUV und Pick-up von Scout soll laut internen Informationen zunächst nicht als reines Batterieauto, sondern mit Verbrennungsmotor und Range-Extender starten. Das Ziel, ein positives Ergebnis zu erzielen, wurde verfehlt – stattdessen rechnet das Management mit einem Verlust von rund einer Milliarde Euro.
Die Konzentration von Blume auf seine Rolle als VW-Chef, nachdem er zum Jahresbeginn die Leitung bei Porsche abgibt, wird die Lage wohl nur begrenzt entspannen. Analysten erwarten keine schnelle Trendwende. Probleme in der Softwareentwicklung verzögern weiterhin wichtige Modellanläufe. Der neue Elektro-Baukasten SSP, auf dem künftige Modelle basieren sollen, dürfte erst 2029 marktreif sein.
Vor diesem Hintergrund will Antlitz den Konzern finanziell absichern. Investitionen sollen zwar nicht drastisch gekürzt werden, doch eine Senkung von ursprünglich 180 auf 160 Milliarden Euro bis 2028 steht im Raum. Zwischenzeitlich hatte der Finanzvorstand laut Insidern sogar 150 Milliarden Euro vorgeschlagen, stieß jedoch auf Widerstand der Markenverantwortlichen, die ihre Budgets verteidigen.
Kurzfristige Maßnahmen sollen Geld sparen
Deshalb richtet sich der Fokus nun auf kurzfristige Maßnahmen. Antlitz prüft Einsparungen und Effizienzgewinne innerhalb der Marken. Eine Idee ist, künftige Modelle von Audi und Porsche auf eine gemeinsame technische Basis zu stellen – etwa den nächsten Audi A6 und den Nachfolger des Taycan. Das würde Entwicklungskosten senken, birgt aber Risiken für die Markenpositionierung. Ebenso wird über die Verschiebung bestimmter Nutzfahrzeugprojekte nachgedacht, um Investitionen zeitlich zu strecken.
Unterstützt wird die interne Suche nach Einsparpotenzialen durch McKinsey. Eine vorläufige Liste von Vorschlägen liegt vor, doch nach Einschätzung von Führungskräften reichen die Ideen nicht aus, um die geforderte Summe zu erreichen. Die Zeit drängt, denn die Kapitalmärkte beobachten Volkswagen aufmerksam. Ratingagenturen wie Moody’s stufen den Konzern derzeit mit Baa1 ein – knapp oberhalb des sogenannten Investment-Grade-Bereichs. Eine Herabstufung würde die Finanzierung deutlich verteuern, insbesondere für die milliardenschweren Kreditgeschäfte der Volkswagen Financial Services.
Arno Antlitz steht damit vor einer Gratwanderung. Einerseits muss er Liquidität sichern, um das Vertrauen der Investoren zu bewahren. Andererseits darf der Sparkurs nicht so tief greifen, dass wichtige Zukunftsprojekte in Gefahr geraten. Der Finanzchef weiß, dass die Zeit knapp wird – und dass seine Suche nach Cash diesmal keine bloße Routineübung ist, sondern über die finanzielle Stabilität des gesamten Konzerns entscheidet.
Quelle: Manager Magazin – Warum Volkswagen der nächste Sparschock trifft