Die Logistikbranche steht am Beginn einer neuen Ära: Batterieelektrische Lkw sind technisch reif und der kommerzielle Kipppunkt ist in greifbarer Nähe. Vorreiter preschen mit innovativen Lösungen voran und investieren bereits in die Elektrifizierung ihrer Flotten. Doch der Markthochlauf wird weiterhin durch fehlende Ladeinfrastruktur, unzureichende Netzanschlüsse und langwierige Genehmigungsverfahren gebremst, so eine aktuelle Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint, für die 400 Expert:innen aus Flottenmanagement, Fahrzeugherstellern und Zulieferern, Energieversorgung, Logistik und Mineralölwirtschaft in der DACH-Region befragt wurden.
Ihr Tenor falle eindeutig zugunsten des Elektro-Lkw aus: Jetzt sei das Momentum da – die Regulatorik müsse mit Hochdruck die Rahmenbedingungen schaffen, um die Skalierung zu ermöglichen. Die Branche sei bereit für den Wandel, und die Technik macht große Fortschritte. Die zentralen Herausforderungen beim Umstieg auf E-Lkw sind laut den Befragten: eingeschränkte Reichweite (59 Prozent), unzureichende Ladeinfrastruktur (51 Prozent) sowie ein unsicherer Restwert bei batterieelektrischen Fahrzeugen (37 Prozent). Die Reichweite wird dabei weniger als technisches Problem gesehen, sondern als Frage operativer Sicherheit: Erst wenn Fahrzeuge, Ladepunkte und Tourenplanung nahtlos zusammenspielen, steige das Vertrauen in den Alltagseinsatz.
Parallel spielt das Kostenmanagement weiterhin eine zentrale Rolle: Für 51 Prozent der Befragten ist es derzeit das wichtigste Thema, noch vor Fachkräftemangel (35 Prozent) oder der Umstellung des Antriebs (16 Prozent). Diese Priorisierung zeige, dass viele Unternehmen aktuell auf wirtschaftliche Stabilität setzen, bevor sie größere Transformationsinvestitionen angehen. Trotz aller Hindernisse sehen die Befragten besonders im Nah- und Verteilerverkehr batterieelektrische Antriebe in den kommenden fünf Jahren als die wahrscheinlichste Lösung (51 Prozent bzw. 38 Prozent).
Logistikbranche als Treiber, Ladeinfrastruktur bleibt Engpass
In der DACH-Region sind rund 700.000 Nutzfahrzeuge mit einer Nutzlast von mehr als 3,5 Tonnen im Bestand. Besonders bei schweren Lkw über 12 Tonnen verläuft der Hochlauf noch verhalten: In Deutschland sind derzeit erst rund 2300 Fahrzeuge dieser Klasse elektrisch unterwegs, weniger als 1 Prozent.
Derzeit gebe es in Deutschland nur 248 öffentliche Lkw-Ladepunkte an 64 Standorten, europaweit seien es etwa 1100 Ladepunkte, so BearingPoint. Der Bedarf bis 2030 in Europa soll bei bis zu 10.000 Ladepunkten liegen. Zahlreiche Logistikunternehmen möchten auch in eigene Depot-Ladeinfrastruktur investieren, da öffentliche Ladepunkte als schwer planbar, kostspielig und häufig leistungsmäßig unzureichend dimensioniert gelten. Gleichzeitig fehlen auf beiden Seiten Netzkapazitäten, Anschlussleistungen und verfügbare Flächen. Genehmigungsverfahren dauern oft Monate bis Jahre – ein großer Hemmschuh für Investitionen, insbesondere bei mittelständischen Unternehmen.

Politik in der Pflicht: jetzt Rahmenbedingungen schaffen
Hersteller wie Mercedes-Benz mit dem neuen eActros 600 oder MAN mit seinem eTruck haben serienreife E-Lkw mit mehr als 500 km Reichweite im Angebot. Doch der politische Rahmen hält nicht Schritt: Der von der EU verabschiedete AFIR-Standard sieht alle 60 km eine Lademöglichkeit vor, in Deutschland sind jedoch viele Standorte noch nicht geplant oder genehmigt. Zwar verweist die Bundesregierung auf das Programm „Lkw-Schnellladenetz Deutschland“ mit 350 geplanten Standorten bis 2030, doch aus Branchensicht reiche das nicht aus, um den elektrischen Schwerlastverkehr im großen Maßstab zu etablieren. Daher sei die Politik jetzt stärker gefordert, das Momentum zu nutzen und die Skalierung zu ermöglichen.
Handlungsempfehlungen für Flottenbetreiber
Die Studie zeigt auch konkrete Hebel für Flottenbetreiber auf, um die Elektrifizierung der Nutzfahrzeuge zu beschleunigen:
Geeignete Einsatzbereiche für E-Fahrzeuge identifizieren, insbesonders dort, wo die Umstellung im Rahmen der Gesamtbetriebskosten wirtschaftlich attraktiv ist. Frühe Erfahrungen sichern Wettbewerbsvorteile und ermöglichen Zugang zu Mautbefreiungen und Förderprogrammen.
Know-how aufbauen: Interdisziplinäre Teams aus Fuhrpark, Facility Management und Controlling bewerten gemeinsam Wirtschaftlichkeit, Eigenproduktion von Energie (z. B. Photovoltaik), Speicherkonzepte sowie Förderlogiken. Der Austausch mit Vorreitern helfe, operative Hürden frühzeitig zu lösen.
Mit Pilotprojekten starten: Kooperative Ladehubs aufbauen (geteilte Flächen, Netzzugänge, Roaming), da eine hohe Auslastung die Wirtschaftlichkeit steigert. Erste KI-Use-Cases wie automatisiertes Lademanagement, Tourenplanung oder Echtzeitabrechnung in begrenzten Regionen oder Depots zu testen unterstütze dabei, Erfahrungen sammeln.
„Die Branche ist bereit, jetzt muss die Politik die Voraussetzungen schaffen“
Nina London, Partnerin bei BearingPoint, resümiert: „In der Logistikbranche herrscht Aufbruchstimmung. Die Technik ist reif, die Anwendungsbereiche sind da und die Gesamtbetriebskosten kippen mit Auslastung zunehmend zugunsten elektrischer Antriebe. Was fehlt, ist ein verlässliches Umfeld aus Ladeinfrastruktur, Netzzugang und -kapazitäten sowie schneller Genehmigung. Wer jetzt kooperativ investiert, etwa in Depot-Laden, gemeinsame Hubs, Photovoltaik und Speicherlösungen, verschafft sich klare Kosten- und Skalierungsvorteile. Die Branche ist bereit, jetzt muss die Politik die Voraussetzungen schaffen, damit das Momentum nicht verloren geht.“
Quelle: Bearing Point – Pressemitteilung vom 09.12.2025







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