Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die geplante Verbrennerförderung für mit E-Fuels betankte Fahrzeuge, die derzeit innerhalb der Ampel-Regierung auf Vorschlag der FDP diskutiert wird. In offenen Briefen an Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sowie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert die DUH wirksame Maßnahmen zum Hochlauf der Elektrifizierung im Straßenverkehr anstelle der Fortsetzung der bestehenden, milliardenschweren Verbrennerförderung.
Die Bundesregierung plant für den heutigen Tag die Vorstellung eines Maßnahmenpakets zur Stärkung der Automobilindustrie. Und die EU-Kommission bereitet derzeit einen strategischen Dialog zur Zukunft der Automobilwirtschaft vor. Neben Kaufprämien für Elektroautos stehen auf der Wunschliste der Autokonzerne unter anderem die vorzeitige Revision der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auf 2025 sowie ein Aussetzen der Strafzahlungen bei Verfehlung der Grenzwerte.
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer, sagt dazu: „Die Probleme der deutschen Autokonzerne sind das Ergebnis jahrzehntelanger Fehlentscheidungen. In vollem Wissen über die verheerenden Folgen ihrer Diesel- und Benzin-Motoren für den Klimaschutz haben BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen ihre Gewinne seit 2020 auf aberwitzige 60 Milliarden Euro (EBIT) gesteigert – anstatt diese in die Entwicklung konkurrenzfähiger Elektroautos zu investieren“, kritisiert er.
In seiner Kritik greift Resch vor allem die Auto-zentrierte Politik der „Porsche-Minister Lindner und Wissing“ an, die „den deutschen Autokonzernen auch noch Steuermilliarden zuschanzen“ wollen, „weil die Gewinne dieses Jahr vielleicht nur noch etwa 55 Milliarden Euro ausmachen. Zudem sollen Verbrenner-Pkw als sogenannte E-Fuel Pkw mit Diesel- und Benzinmotoren sogar noch stärker steuerlich gefördert werden als Elektro-Pkw“. Für den Hochlauf der Elektromobilität müsse die Bundesregierung, so Resch, „jegliche Förderung für Verbrenner-Pkw einstellen und die CO2-Flottengrenzwerte der EU müssen beibehalten bleiben. Bereits mit den aktuellen Regelungen verfehlt Deutschland seine Klimaziele im Verkehrssektor.“
„Brauchen wirksame Maßnahmen für den Hochlauf der Elektromobilität“
In einem offenen Brief an Wirtschaftsminister Habeck und Kanzler Scholz schreibt die DUH, sie beobachte „mit großer Sorge, dass der bereits auf EU-Ebene beschlossene Abschied von der Verbrennertechnologie für Pkw hinterfragt“ werde. Das sei „fatal: Lebensverlängernde Maßnahmen für den Verbrennungsmotor im Kontext eines irreführenden Narrativs der Technologieoffenheit verunsichern sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft.“
Und weiter: „Die fehlende klare Priorisierung der Elektromobilität im Straßenverkehr bremst den für die unvermeidliche Transformation erforderlichen Hochlauf batterieelektrischer Antriebe aus“. Das gefährde nicht nur die Klimaziele, sondern schade auch der deutschen Automobilindustrie, die auf dem derzeitigen Pfad nicht zukunftsfähig sei, so die DUH.
Im Zuge des angekündigten Maßnahmenpakets zur Förderung der Autoindustrie fordert der Umweltverband die Bundesregierung in dem offenen Brief dazu auf, „Investitions- und Planungssicherheit zu gewährleisten und wirksame Maßnahmen für den Hochlauf der Elektromobilität zu beschließen“. Und stellt vier konkrete Forderungen auf:
1. Klares Bekenntnis zum Verbrenner-Aus
„Politische Ungewissheiten rund um das Verbrenner-Aus müssen endgültig beseitigt werden“, so die DUH. Der Verbrennungsmotor im Pkw habe keine Zukunft. „Diskussionen um eine Aufweichung der Regelungen rund um das Verbrenner-Aus schüren Verunsicherung dort, wo wir stattdessen einen klaren Erwartungshorizont und Investitionssicherheit benötigen“. Die DUH fordert Habeck und Scholz auf, „sich für Technologieklarheit einzusetzen und sich für den Umstieg auf den Elektromotor als einzig zukunftsträchtigem Antrieb im Straßenverkehr zu bekennen.“
2. Kein Vorziehen der Revision der CO2-Flottengrenzwerte
Eine Revision der CO2-Flottengrenzwerte der EU dürfe „unter keinen Umständen auf 2025 vorgezogen werden“, mahnt die DUH: „Dies würde die Integrität des Verbrennerausstiegs 2035 gefährden“ und „eine Bewertung auf Grundlage einer verzerrten Daten-Grundlage darstellen, da erwartbare Marktimpulse, die sich erst mit Eintreten des 2025er Grenzwertes realisieren, nicht einbezogen würden“, so der Umweltverband mit Blick auf die deutlich schärferen CO2-Ziele ab 2025, die den europäischen Automobilmarkt ziemlich durcheinanderwirbeln dürften.
Die Erfahrung aus 2019/20, als die letzte Verschärfung anstand, habe gezeigt, „dass die Hersteller erst kurz vor Ablauf der Frist die erforderlichen Maßnahmen umsetzen – und diese dann auch erreichen“. Dass einige Autohersteller „bereits jetzt auf Kurs für das Ziel 2025 sind, zeigt, dass die Ziele der Flottengrenzwertverordnung realistisch sind, denn die Branche hatte ausreichend Zeit sich auf den Zielpfad einzustellen“, verweist die DUH auf die kommenden Grenzwerte, die bereits 2019 verabschiedet wurden. Die Erreichbarkeit der Ziele bestätige auch ein aktueller Bericht des ICCT. Die DUH fordert die beiden Politiker daher auf, „sich auf EU-Ebene für ein Beibehalten der Revision 2026 einzusetzen und so den Verbrenner-Ausstieg bis spätestens 2035 zu schützen.“
3. Verbrenner-Aus auf 2030 vorziehen
Die Zielverfehlungen im Verkehrssektor seien „nach wie vor und seit mehreren Jahren in Folge besonders eklatant“, argumentiert die DUH weiter: Das Verbrenner-Aus ab 2035 sei in dieser Hinsicht lediglich „ein Kompromiss, denn Deutschland müsste bereits 2030 aufhören, neue Verbrenner-Autos zuzulassen, um seine Klimaziele zu erreichen“. Die DUH plädiert deshalb dafür, das Verbrenner-Aus um fünf Jahre vorzuziehen, damit bereits ab 2030 keine fossil befeuerten Autos mehr neu in den Verkehr gebracht werden: Dieser frühzeitige Ausstieg aus der Verbrenner-Technologie schaffe Klarheit und verdeutliche die Priorisierung der Elektromobilität.
4. Abkehr von Scheinlösungen wie E-Fuels im Straßenverkehr
„Wer heute mit dem Verweis auf E-Fuels am Verbrennungsmotor festhalten will, verschleppt die dringend nötige Transformation und zementiert langfristige Abhängigkeiten von fossilen Kraftstoffen“, kritisiert die DUH Stimmen aus Politik und Wirtschaft, die genau das fordern. Allerdings würden „durch die ineffizienten, energiefressenden und teuren E-Fuels wertvolle Ressourcen verbrannt“, so der Umweltverband.
Mit der Elektromobilität bestehe „eine schon heute klimafreundlichere Antriebsalternative, die um ein Vielfaches effizienter“ sei. Die DUH fordert daher Habeck und Scholz auf, „keine E-Fuels im Straßenverkehr einzusetzen und keine staatlichen Förderungen zu verabschieden.“
Wirksame Maßnahmen für den Hochlauf der Elektromobilität
Statt weiter am Verbrenner festzuhalten, fordert die Deutsche Umwelthilfe die Bundesregierung dazu auf, Elektroautos besser zu fördern, und nennt dafür vier konkrete Maßnahmen.
1. Reform der Kfz-Steuer
„Eine einmalige Zulassungssteuer, deren Höhe sich am CO2-Ausstoß und Gewicht der Fahrzeuge orientiert, kann eine starke Lenkungswirkung entfalten und ist in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Niederlande und Norwegen längst üblich“, so die DUH. In Frankreich etwa beträgt der Höchstsatz des Verbrenner-Malus für besonders durstige Benziner und Diesel ab 2025 satte 70.000 Euro, aktuell sind es 60.000 Euro.
Die Mehreinnahmen aus einer derartigen Strafsteuer könnten „über ein Bonus-Malus-System den Kauf von kleinen, leichten und energieeffizienten Elektroautos gegenfinanzieren, um eine sozial gerechte Finanzierung des Elektrohochlaufs sicherzustellen“. Daher fordert die DUH die beiden Politiker auf, „eine dringend notwendige CO2-basierte Neuzulassungssteuer für Kfz einzuführen und Elektroautos über ein Bonus-Malus-System zu fördern.“
2. Abbau klimaschädlicher Subventionen
Den Abbau klimaschädlicher Subventionen hatten SPD, die Grünen und die FDP zu Beginn ihrer Zusammenarbeit im Koalitionsvertrag festgehalten. Immer wieder zeigten Studien die laut DUH „immensen Ausmaße der treibhausgassteigernden Wirkung staatlicher Begünstigungen, doch es folgten keine Taten“. Insbesondere die derzeit geltende Dienstwagenbesteuerung und die Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff „subventionieren weiterhin klimaschädliche Verbrennerfahrzeuge und hemmen die Elektrifizierung im Straßenverkehr“.
Die Forderung der DUH hierzu lautet, „die steuerliche Vergünstigung für Dieselkraftstoff umgehend einzustellen und die Dienstwagenbesteuerung grundlegend zu reformieren.“
3. Ausbau der Ladeinfrastruktur
Um den Umstieg auf Elektroautos in der Breite zu ermöglichen, müsse die Bundesregierung sicherstellen, dass ausreichend Ladesäulen zur Verfügung stehen. Kürzungen von Zuschüssen zur Errichtung von Ladeinfrastruktur im aktuellen Haushaltsplan allerdings „laufen dem zuwider“, mahnt die DUH und fordert, „stattdessen die Finanzierung sicherzustellen und den Mittelabfluss zu gewährleisten.“
4. THG-Quote als Instrument zur Förderung der Elektromobilität stärken
In der richtigen Ausgestaltung könne die Treibhausgasminderungsquote einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und zum Hochlauf der Elektrifizierung bieten, findet die DUH. Die Bundesregierung müsse die Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie nutzen, um die Treibhausgasminderungsquote in die richtige Richtung zu lenken. „Wir fordern Sie auf, die Treibhausgasminderungsquote mit dem vorrangigen Ziel der Förderung der Elektromobilität umzugestalten und noch bestehende systematische Fehlanreize wie die Förderung klimaschädlicher biogener Kraftstoffe und hochgradig betrugsanfälliger Rest- und Abfallstoffe zu eliminieren“, so die Forderung.
Ergänzend zu all dem ist es der DUH wichtig zu betonen, dass die Elektrifizierung im Verkehrssektor „nur ein Teil der Lösung“ sein könne. „Um Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten, brauchen wir eine ganzheitliche Mobilitätswende“. Diese erfordere eine deutliche Verringerung des motorisierten Individualverkehrs, den Ausbau von Rad- und Fußverkehr und eine Stärkung des öffentlichen Verkehrs.
Auch die EU sollte mehr für die Antriebswende tun, findet die DUH
Ein ähnliches und weitestgehend identisch formuliertes Schreiben hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der DUH erhalten, um auch auf die europäische Politik einzuwirken. Auf EU-Ebene fordert die DUH zusätzlich, dass jährliche Zwischenziele in der CO2-Flottengrenzwertverordnung eingeführt werden. Aktuelle bestünden „keine Anreize für Automobilhersteller, ihre CO2-Emissionen bereits vor den Zielen der CO2-Flottengrenzwertverordnung in den Jahren 2025, 2030 und 2035 zu senken“.
„Durch mangelnde Vorgaben in den Zwischenjahren setzen die Hersteller erforderliche Maßnahmen erst kurz vor Fristablauf um“, so die DUH. Dies lässt sich jetzt bereits beobachten: Viele Autohersteller senken aktuell ihre Preise für E-Autos, damit deren Auslieferungen ab 2025 dazu beitragen, die dann schärferen CO2-Vorgaben der EU einhalten zu können. „Hier zeigt sich, dass für einen verlässlichen Transformationspfad statt Fünfjahresschritte jährliche Zwischenziele notwendig sind“, findet die DUH. Daher die Forderung an von der Leyen, „sich für die Einführung jährlicher Zwischenziele einzusetzen, um einen verlässlichen Transformationspfad zu schaffen“.
Zum Maßnahmenpaket für den Hochlauf der Elektrifizierung im Verkehrssektor sollten im europäischen Maßstab gewerbliche Fahrzeuge besser gefördert werden, so der Umweltverband: In gewerblichen Flotten lägen „enorme Emissionsminderungspotenziale“, da sie sind EU-weit für 71 Prozent der CO2-Emissionen von Neuzulassungen verantwortlich seien. Eine schnelle Elektrifizierung gewerblicher Fahrzeuge würde demnach auch „den Elektrohochlauf im privaten Markt signifikant beschleunigen, da gewerbliche Fahrzeuge bereits nach kurzer Zeit in den Gebrauchtwagenmarkt übergehen“, argumentiert die DUH.
So können „ein Beitrag zu einem sozial gerechteren Umstieg auf die Elektromobilität geleistet werden“. Von der EU fordert die DUH daher „eine verpflichtende Elektroauto-Quote für Unternehmensflotten und Leasinganbieter“.
Auch der hohe Ressourcenverbrauch für Neuwagen ist der DUH ein Dorn im Auge: Ein energie- und ressourcenschonender Hochlauf der Elektromobilität sei „elementar, um die effiziente Nutzung der knappen erneuerbaren Energien zu gewährleisten“. Derzeit allerdings gehe der Trend „in die falsche Richtung und E-Autos werden immer größer und schwerer“, weshalb der Umweltverband „Effizienzstandards für E-Autos und eine absolute Obergrenze des Stromverbrauchs pro Fahrzeug“ als „dringend notwendig“ erachtet und die EU dazu auffordert, entsprechende Verordnungen einzuführen.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe – Pressemitteilung vom 22.10.2024