Klimaschädliche Subventionen im Verkehr schwächen CO2-Bepreisung

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Michael Neißendorfer
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  —  Lesedauer 3 min

Subventionen im Verkehr, wie das Diesel- oder Dienstwagenprivileg, bedeuten negative CO2-Preise in Höhe von minus 70 bis zu minus 690 Euro pro Tonne CO2 und schwächen die Wirkungsweise der CO2-Bepreisung als wichtiges Instrument der Klimapolitik. Das zeigen Forschende des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne in einer aktuellen Studie.

Die Ariadne-Berechnungen unterstreichen demnach, dass Deutschlands derzeitiges Steuer- und Abgabesystem im Verkehrssektor noch stark auf die Nutzung fossiler Energieträger ausgerichtet ist, was das Erreichen der deutschen Klimaziele erschwere.

Aktuell treten wir beim Klimaschutz im Verkehr mit einem Fuß aufs Gas, mit dem anderen auf die Bremse: Emissionsverursachende sollten durch den CO2-Preis eigentlich Anreize zur Senkung von Emissionen erhalten. Unsere Forschung zeigt, wie sehr Haushalte, die Diesel fahren, längere Wege mit dem privaten Auto oder Dienstwagen zur Arbeit pendeln oder innerdeutsche Flüge nutzen, aktuell durch Subventionen für den Ausstoß einer Tonne CO2 belohnt werden“, erklärt Ariadne-Experte Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI.

Um die Bedeutung von Subventionen im Verkehr für die deutsche Klimapolitik herauszustellen und einzuordnen, haben die Ariadne-Fachleute sie mit dem CO2-Preis, einem tragenden Instrument der Klimapolitik, vergleichbar gemacht. Die Forschenden betrachten vier Subventionen mit Einfluss auf die nationalen CO2-Emissionen des deutschen Verkehrssektors: das Dieselprivileg (Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff), die Pendlerpauschale (Entfernungspauschale), das Dienstwagenprivileg (Pauschale Besteuerung des geldwerten Vorteils privat genutzter Dienstwagen) und die Kerosinsteuerbefreiung (Energiesteuerbefreiung für Kraftstoffe im inländischen Flugverkehr).

Wir haben zum ersten Mal vier wesentliche Subventionen aus dem Verkehrsbereich in negative CO2-Preise umgerechnet. Die Umrechnung ermöglicht einen Vergleich mit dem tatsächlichen CO2-Preis für den Verkehr“, erläutert Ariadne-Fachmann Nicolas Koch vom Mercator Institute for Global Commons and Climate Change MCC.

Die Berechnungen der Forschenden zeigen: Subventionen wie das Diesel- oder Dienstwagenprivileg entsprechen negativen CO2-Preisen von minus 70 Euro bis zu minus 690 Euro pro Tonne CO2 – und überkompensieren damit den aktuell geltenden CO2-Preis von 45 Euro pro Tonne zum Teil beträchtlich. Pauschal umgerechnet in Euro pro Liter Benzin entsprechen die Subventionen Kostenersparnissen von 0,18 bis 1,70 Euro pro Liter. Die Höhe der Subventionen im Verkehr übersteigt also deutlich die des aktuellen CO2-Preises von 45 Euro pro Tonne CO2, was etwa 11 Cent pro Liter Benzin entspricht.

Diese sich widersprechenden Preissignale schwächen die Wirkungsweise der CO2-Bepreisung und konterkarieren so Klimaschutzbemühungen. Wenn sich der CO2-Preis als eines der Leitinstrumente der Klimapolitik durchsetzen soll, dann müssen verzerrende Subventionen im Verkehr soweit möglich abgebaut oder klimafreundlich umgebaut werden“, so Koch.

Einkommensstarke Haushalte profitieren überproportional von Subventionen

Die Verteilungswirkung unterscheiden sich dem Autorenteam zufolge für die vier betrachteten Subventionen. „Von den von uns untersuchten Subventionen profitieren hauptsächlich wohlhabende Haushalte“, erläutert Ariadne-Experte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die Wirkungen des Dieselprivilegs sind vor allem bei mittleren und höheren Einkommensgruppen spürbar, bei denen ein Drittel aller Haushalte einen Diesel fährt. Auch die Pendlerpauschale entlastet vor allem mittlere und höhere Einkommensgruppen.“

Das Dienstwagenprivileg begünstige vor allem Haushalte mit hohem Einkommen, denn nur wenige Erwerbstätige mit geringen oder mittleren Einkommen würden einen Dienstwagen besitzen. Die Entlastungswirkung der Kerosinsteuerbefreiung sei als gering einzuschätzen, so die Forschenden.

Mögliche Reformoptionen wären die schrittweise Abschaffung des Dieselsteuerprivilegs, was schon kurzfristig zu spürbaren Emissionsminderungen führen könnte. Eine Umgestaltung des Dienstwagenprivilegs gestaffelt nach CO2-Emissionen der Fahrzeuge könne den Hochlauf der E-Mobilität unterstützen. Eine Reform der Pendlerpauschale sollte klimafreundliche Mobilitätsvarianten zum Auto attraktiver machen.

Quelle: Ariadne Projekt – Pressemitteilung vom 22.04.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Smartino:

Ist Zeitnot wegen zu späten Aufstehens und miserable Zeitplanung ein Notfall?
Ich hatte glücklicherweise noch nie einen wirklichen Notfall, der Raserei rechtfertigt hätte.
.

Spiritogre:

160 sollte schon Minimum sein, damit man im allergrößten Notfall auch mal 180 fahren kann.

Talis:

In der Regel ist 130 die Forderung, passend zur derzeitigen Richtgeschwindigkeit.
Und das IST nicht albern, sondern du empfindest es lediglich als solches. Das ist ein wichtiger Unterschied.

130 würde zudem bedeuten, dass auch 140 noch locker drin sind, die Entfernung zur 160, mit der du dich problemlos anfreunden könntest, also gar nicht mal so groß ist.

Johannes:

Und 90 für Autos mit einer aktiven Stirnfläche > 1m² (sprich Kleinbusse, Womos und große SUV) – hahaha, in Deutschland :)

steinpilz:

150 wäre Okay.

Spiritogre:

Das Problem beim Tempolimit, es wird immer 120 gefordert. Und das ist albern! Mit 160 kann ich mich aber problemlos anfreunden.

Dr. Kralle:

Oder einfach ein Tempolimit. Ich war auch lange Zeit dagegen, aber die Faklten lassen sich nicht leugnen. Gerade Dienstwagenfahrer achten weniger auf den Verbrauch, da sie ja mitunter eine Tankkarte besitzen. Und egal welche Antriebsform es ist, es wird in Summe weniger Energie notwendig. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, auch wenn ich heute glücklicherweise anders darüber denke.

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