Nicht nur Zeekr und Neta: Chinesische Hersteller schönen offenbar Verkaufszahlen

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Tobias Stahl
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Erst vor wenigen Tagen hat die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass die chinesischen Elektroautobauer Zeekr und Neta offenbar ihre Verkaufszahlen künstlich in die Höhe getrieben haben, indem sie die Verkäufe der Fahrzeuge frühzeitig verbucht haben. Nun berichtet Reuters, dass die Taktik offenbar nicht nur von diesen beiden Herstellern genutzt wurde: Die Analyse von Verbraucherbeschwerden habe ergeben, dass auch andere Hersteller die Taktik genutzt haben sollen, darunter auch die Marktführer BYD, Toyota und Volkswagen.

Reuters hatte zunächst berichtet, dass Zeekr und Neta einige ihrer Autos bereits haben versichern lassen, bevor diese tatsächlich verkauft wurden. Die Vorgehensweise würde die Verkaufszahlen der Hersteller künstlich in die Höhe treiben und den Anschein erwecken, dass Unternehmen ihre periodischen Ziele erreichen, obwohl dies möglicherweise nicht der Fall war.

Eine Überprüfung von 97 Verbraucherbeschwerden durch Reuters soll nun ergeben haben, dass die Taktik auch von anderen Herstellern angewandt wurde oder wird. Die Verbraucherbeschwerden wurden auf drei unterschiedlichen, in China weit verbreiteten Verbraucherwebsites veröffentlicht. In mehr als einem Dutzend Fällen sollen Käufer angegeben haben, von Händlern darüber informiert worden zu sein, dass diese Praxis speziell darauf ausgerichtet sei, Verkaufsziele zu erreichen. Die Vorwürfe betreffen einige der umsatzstärksten einheimischen und ausländischen Marken, darunter BYD, Toyota, Volkswagen und Buick. Die drei letztgenannten Hersteller betreiben ihr China-Geschäft in Partnerschaft mit den staatlichen Unternehmen GAC und SAIC Motor Group.

Die frühesten Verbraucherbeschwerden stammen dem Bericht zufolge aus dem Jahr 2021, die meisten Beschwerden seien jedoch 2024 und 2025 veröffentlicht worden. Damit deckt sich der Beschwerdezeitraum mit einer Phase, in der in China ein erbitterter Preiskampf unter zahlreichen aufstrebenden Herstellern entbrannt ist. In den meisten der von Reuters untersuchten Fälle haben die Autohersteller bereits öffentlich Stellung bezogen und erklärten, sie würden sich um eine Lösung der Probleme bemühen. Reuters war bislang jedoch nicht in der Lage, die Verbraucherbeschwerden oder die angekündigten Lösungen unabhängig zu überprüfen. Unklar ist auch, welcher Anteil der Autoverkäufe in China durch die Taktik künstlich aufgebläht wurde.

Die Praxis verschleiere effektiv, wie viel Lagerbestand die Autohersteller tatsächlich hatten, so Yale Zhang, Geschäftsführer der Beratungsfirma Automotive Foresight. „Das könnte zu einer Fehleinschätzung der monatlichen Nachfrage innerhalb der Branche führen und zu einer erhöhten Produktionsplanung“, erklärte Zhang. In insgesamt 14 Beschwerden auf den drei Plattformen gaben Käufer von Autos der Marken BYD, Neta, Toyota, Buick und Chevrolet konkret an, dass ihnen von Händlern gesagt worden sei, diese Praxis diene dazu, Verkäufe frühzeitig zu verbuchen, um Verkaufsziele zu erreichen.

Ein Sprecher der Volkswagen Group China erklärte, man lehne es ab, Verkaufszahlen durch Versicherungabschlüsse künstlich aufzublähen. Entsprechende Beschwerden würden untersucht, so der Sprecher weiter.

Die Masche könnte den erbitterten Preiskampf noch verstärken

Unabhängig von den Online-Verbraucherbeschwerden identifizierte Reuters zudem 29 offizielle Medienberichte aus den Jahren 2020 bis 2025, in denen Beschwerden gegen Händler großer Marken eingereicht wurden, darunter BYD und Changan sowie die ausländischen Marken Volkswagen, GM, Toyota, Nissan und Honda, die jeweils von ihren Joint Ventures mit staatlichen chinesischen Autoherstellern betrieben werden.

In neun Fällen erklärten Händler von FAW Hongqi, SAIC Roewe, SAIC VW, Dongfeng Nissan, GAC Toyota, GAC Honda und SAIC GM gegenüber offiziellen chinesischen Medien, dass die Versicherung unverkaufter Fahrzeuge dazu diene, Käufe frühzeitig zu buchen, um die Verkaufsziele zu erreichen. Ein Honda-Sprecher erklärte, dass GAC Honda den Händlern verbiete, vor dem Verkauf von Neuwagen eine Pflichtversicherung abzuschließen, und dass gegen Händler, die dies dennoch tun, streng vorgegangen werde. FAW Hongqi erklärte, dass das Unternehmen keine vorzeitigen Versicherungsabschlüsse durchführe und dass solche Aktivitäten keine offiziellen Maßnahmen des Unternehmens seien. GM China wies darauf hin, dass es keine Versicherungspflicht für unverkaufte Großhandelsfahrzeuge gebe und dass das Unternehmen sich in seinen Geschäftsberichten auf die Zahl der tatsächlichen Auslieferungen und nicht die Zahl abgeschlossener Versicherungen stütze. BYD, GAC Toyota, Geely, Changan, Nissan und Li Auto reagierten nicht auf Bitten um eine Stellungnahme.

Aktuell kämpfen in China mehr als 100 Automarken um die Vorherrschaft in einem sich konsolidierenden Markt. Die Rabattschlacht zwischen den häufig noch recht jungen Automarken startete Anfang 2023, als mehrere Marken damit begannen, in den sozialen Medien wöchentliche Verkaufsrankings zu teilen. Diese Vergleiche haben Reuters zufolge den Druck auf andere Marken erhöht, ihren Absatz zu steigern und Marktanteile hinzuzugewinnen. Die Vorwürfe, dass Autos mit bereits bestehenden Versicherungspolicen verkauft wurden, reichen allerdings bis ins Jahr 2016 zurück, als ein Cadillac-Käufer in einer regionalen Radiosendung berichtete, dass sein Fahrzeug bereits vor dem Kauf versichert gewesen sei.

Der chinesische Verband der Automobilhersteller (China Association of Automobile Manufacturers) hat die Veröffentlichung unbestätigter Verkaufszahlen in den sozialen Medien bereits als unzuverlässig kritisiert. In diesem Monat hatte der Verband solche Social-Media-Posts dafür verantwortlich gemacht, den „bösartigen“ Wettbewerb auf dem chinesischen Markt weiter anzuheizen.

Quelle: Reuters – Exclusive: Chinese consumer complaints show widespread padding of car sales

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Tobias Stahl

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Tobias Stahl kann sich für alle Formen der Fortbewegung begeistern, aber nachhaltige Mobilität begeistert ihn besonders. Da ist es kein Wunder, dass er schon seit 2019 über E-Autos, erneuerbare Energien und die Verkehrswende berichtet.
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