Chinesische Hersteller haben im Rennen um Elektroautos bereits die Nase vorn und nehmen sich nun auch den Güterverkehr vor. Die Elektrifizierung des Güterverkehrs hat ein enormes Nachhaltigkeitspotenzial. Zwischen 2000 und 2018 sind die CO2-Emissionen von Schwerlastfahrzeugen weltweit jährlich um fast 3 Prozent gestiegen, wobei Lkw für 80 Prozent dieses Anstiegs verantwortlich waren.
Während in den USA und Europa nur 1 Prozent der Schwerlastkraftwagen elektrisch fahren, sind es in China bereits 22 Prozent. Neun chinesische Unternehmen sind dabei vom Markt für Elektro-Lkw kaum noch wegzudenken, darunter BYD und Sany. Können andere Hersteller, wie beispielsweise Volvo, da noch mithalten?
Chinesische Hersteller auf Platz 1
Aufgrund ihrer hohen Emissionen und entsprechend großen Auswirkungen auf die Umwelt ist die Elektrifizierung von Lkw von entscheidender Bedeutung, um die weltweiten Nachhaltigkeits- und Klimaziele einzuhalten. Hohe Anschaffungskosten und fehlende Ladeinfrastruktur erschweren jedoch vielerorts die Elektrifizierung von Lastwagen.
Um Lösungen dafür anzubieten, nutzen chinesische Unternehmen die Größe ihres heimischen Marktes: „Sie bringen Kostenwettbewerbsfähigkeit, Know-how in der Fertigung und bewährte Technologie-Stacks mit“, so Bill Russo. Der Gründer und CEO von Automobility Limited, einer in Shanghai ansässigen Beratungsfirma, fügte außerdem hinzu: „In vielerlei Hinsicht fungieren sie als Wegbereiter für globale Flottenbetreiber, die dekarbonisieren wollen, aber keine lokalen Lieferanten in ausreichender Größe haben.“ Außerdem werde es schwierig sein, Chinas Tempo der Entwicklung zu erreichen, so Russo: „Nur wenige andere Länder verfügen über Chinas industrielle Größe, vertikal integrierte Lieferkette und top-down-orientierte Politikkoordination“, sagte er gegenüber dem Portal Rest of the World.
Außerdem exportieren chinesische Hersteller ins Ausland und bauen Fabriken, auch in Europa. Hinsichtlich der umfassenden Importzölle auf chinesische Elektroautos, beispielsweise in den USA oder der Europäischen Union, ist es wahrscheinlich, dass chinesische Hersteller dort weiterhin Produktionen aufbauen, um Zölle zu vermeiden.
Der chinesische Elektroauto-Marktführer BYD liefert bereits elektrische Lastwagen nach Italien, Polen und Spanien. Auch Beiqi Foton, ein weiterer wichtiger chinesischer Akteur, liefert bereits Lkw in die Europäische Union und plant den Bau einer Fabrik in den USA.
Gemeinsam mit acht anderen chinesischen Unternehmen dominiert BYD bereits den Weltmarkt für Elektro-Lkw: 80 Prozent der weltweit 90.000 verkauften Elektro-Lkw entfielen im letzten Jahr auf chinesische Autohersteller, so die Internationale Energieagentur. Während in China über ein Fünftel aller Schwerlastfahrzeuge elektrisch unterwegs sind, ist Europa mit ungefähr einem Prozent im Hintertreffen.
Elektrifizierung als nationale Priorität
Dass China den Markt für Elektro-Lkw dominiert ist kein Zufall, sondern das Ergebnis der zielorientierten Politik des Landes. Diese wurde über die letzten 15 Jahre unter anderem so ausgerichtet, dass die Elektrifizierung von Fahrzeugen, Verkehr und Mobilität als nationale Priorität behandelt wurde. Dazu gehört auch der Güterverkehr. Während viele westliche Regierungen also lediglich Steuergutschriften angeboten haben, hat China Herstellern bestimmte Prozentsatzvorgaben zur Produktion gemacht. Elektrifizierung sei dann erfolgreich, wenn sie durch eine abgestimmte Politik, Investitionen in das Ökosystem und Anreize für die Endverbraucher unterstützt werde, so Russo.
Dieser Wechsel dürfte sich lohnen. So geben chinesische Flottenbetreiber an, dass ihre elektrischen Lastwagen 10 bis 26 Prozent weniger Betriebskosten verursachen als Dieselmodelle. CATL, der weltweit größte Batteriehersteller, gibt zudem an, dass seine Batterien die Transportkosten um 35 Prozent pro Tonnenkilometer senken. Außerdem sagte der CATL-Gründer Robert Zeng, dass bis 2028 die Hälfte des chinesischen Marktes für Nutzfahrzeuge elektrisch sein werde. Die Sany Group wiederum, Chinas umsatzstärkster Hersteller von schweren Elektro-Lkw, prognostiziert eine Marktdurchdringung von 70 bis 80 Prozent.
Während in China vor allem staatliche Subventionen zum Erfolg der Elektro-Lkw beigetragen haben, sind sie in anderen Ländern trotz niedrigerer Betriebskosten oft kaum wirtschaftlich, da sich die Anschaffungskosten schnell auf das Doppelte der Diesel-Lkw belaufen können.
Dies bestätigt auch der Gründer der Mobilitätsberatungsfirma Transit Intelligence, Ravi Gadepalli, für den sich entwickelnden Markt in Indien: „Die Finanzierung ist der entscheidende Engpass in Indien, während in China die Regierung erhebliche Mittel investiert hat, um den Sektor voranzubringen“, so Gadepalli. „Anstatt zu versuchen, das zu wiederholen, was China getan hat, ist es für Indien und andere kostensensible Märkte wichtig, Modelle zu entwickeln, die für ihren Kontext funktionieren.“ Gadepalli zufolge sei es wahrscheinlich, dass die chinesischen Hersteller den globalen Markt für Lastkraftwagen revolutionieren werden: „Wir haben dies bereits bei Pkw und Bussen gesehen und es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.“
Batteriewechsel beim Lkw
Ein Elektro-Lkw, der durchschnittlich ungefähr das zehnfache an Batteriekapazität eines Elektroautos hat, stellt Flottenbetreiber mit den langen Ladezeiten vor eine Herausforderung. Während deutsche und viele europäische Lkw-Fahrer:innen regelmäßige, vorgeschriebene Pausenzeiten haben, die zum Laden genutzt werden können, sind Fahrer:innen in vielen anderen Ländern oft über lange Zeit hinweg am Stück unterwegs.
Um Elektro-Lkw dahingehend effizienter und nützlicher zu machen, setzt China auf Batteriewechseltechnologien. Bei dem sogenannten Battery Swap wird der leere Akku des Lkw in einer entsprechenden Station gegen einen vollen Akku getauscht. Das ist nicht nur schneller als herkömmliches Laden, sondern hat auch den Vorteil, dass die Batterien zwischen den Wechselvorgängen schonend gelagert und langsam geladen werden können, anstatt auf die langfristig schädliche Schnellladetechnologie zu setzen. So verlieren Batterien langsamer an Kapazität und können länger verwendet werden, was hinsichtlich der Rohstoffe für die Batterieproduktion nachhaltiger ist. Bei herkömmlichen Elektroautos ist Nio derzeit Vorreiter für Batteriewechsel. Fast 40 Prozent der E-Lkw verfügen in China bereits über diese Technologie, weshalb die entsprechende Infrastruktur von großer Bedeutung ist.
Hat Europa den Anschluss verloren?
Während der gesamte Markt für Elektroautos auf 5,1 Billionen Euro geschätzt wird, liegt das Volumen des weltweiten Markts für Elektro-Lkw bis 2030 schätzungsweise bei umgerechnet 4,25 Milliarden Euro, so das US-Marktforschungsunternehmen Grand View Research. Der Großteil der Verkäufe wird voraussichtlich eher auf leichte Nutzfahrzeuge, also Elektro-Transporter, für den städtischen Lieferverkehr entfallen.
China hat im Schwerlasttransport bisher erneut alle Erwartungen übertroffen und die Konkurrenz hinter sich gelassen. Volvo Trucks, der führende westliche Hersteller, hat bisher nur 5000 Elektro-Lkw in 50 Länder geliefert und der Tesla Semi, der 2017 angekündigt und 2022 ausgeliefert wurde, hat inzwischen kaum mehr Relevanz.
Quelle: Rest of World – China won the electric car race. Up next: freight trucks