CO2-Rucksack: So werden E-Auto-Batterien nachhaltiger

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Tobias Stahl
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Elektroautos starten ihr Fahrzeugleben mit einem sogenannten „CO2-Rucksack“ – allerdings gehen die Meinungen darüber auseinander, wie groß dieser Rucksack tatsächlich ist. Der individuelle CO2-Rucksack oder CO2-Fußabdruck eines E-Autos beschreibt, wie viel Kohlendioxid und andere Klimagase bei dessen Produktion ausgestoßen wird. Der weitaus überwiegende Teil des CO2-Fußabdrucks entfällt auf die energieintensive Batterieherstellung.

Das bedeutet auch, dass ein Elektroauto, das gerade vom Band rollt, bereits mehr CO2 emittiert hat als ein vergleichbarer Verbrenner-Pkw. Erst durch die tatsächliche Nutzung kann ein E-Auto dann – abhängig von der Zusammensetzung des jeweiligen Strommixes – Kohlendioxid einsparen und eine CO2-Parität zum Verbrenner erreichen. Frühere Analysen kamen zu dem Ergebnis, dass E-Autos bei der aktuellen Stromzusammensetzung in der EU erst nach einer Fahrleistung von 80.000 bis 120.000 Kilometern ihren CO2-Rucksack abgebaut haben und CO2-Parität mit Verbrennungsfahrzeugen erreichen. Selbst wenn ein E-Auto ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen lädt, soll die CO2-Parität erst nach 40.000 bis 70.000 Kilometern erreicht werden, abhängig von der Batteriegröße und den Produktionsparametern.

Gezielte Maßnahmen könnten die CO2-Emissionen in der Batterieherstellung mehr als halbieren

In einem aktuellen Whitepaper unter dem Titel „Building the sustainable EV: Breakthroughs in Battery Tech and CO2 Reduction“ untersucht die Unternehmensberatung P3 nun ebenfalls, wie hoch die Emissionen der Batterieproduktion sind und welche Einsparungsmöglichkeiten sich zwischen Rohstoffabbau und Batterierecycling eröffnen. Die Autoren des Whitepapers haben laut eigenen Angaben „Möglichkeiten für eine signifikante Reduzierung“ identifiziert.

Wie das Beratungsunternehmen in dem Dokument vorrechnet, beträgt der CO2-Ausstoß der Batterieproduktion derzeit rund 55 kg CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde (CO2e/kWh). Würde man die Prozesse optimieren, könnte der Ausstoß demnach auf rund 20 kg CO2e/kWh sinken.

Optimierungspotenzial verortet P3 unter anderem in der Umsetzung regulatorischer Rahmenbedingungen wie dem EU-Batteriepass sowie durch technische Fortschritte, etwa die Integration erneuerbarer Energien, innovative Produktionsmethoden und verbessertes Recycling. Würden die Emissionen aus der Batterieproduktion auf die anvisierten 20 kg CO2e/kWh sinken, würde die CO2-Parität für ein beispielhaftes Elektroauto im Vergleich zu einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor bereits nach etwa 50.000 Kilometern Fahrleistung erreicht, wenn man den aktuellen EU-Strommix zugrunde legt. Wenn ausschließlich erneuerbare Energie geladen wird, erreicht ein E-Auto diesen Punkt sogar schon nach weniger als 30.000 Kilometern Fahrleistung.

Kathodenmaterialien, Beschichtungsverfahren, Recycling und erneuerbare Energien als zentrale Stellschrauben

Aktuell sind diese Werte zwar nicht realistisch, P3 verweist allerdings darauf, dass diese Entwicklung vor dem Hintergrund zunehmender regulatorischer Anforderungen in der EU in den kommenden Jahren an Relevanz gewinnen wird. So sollen Zellhersteller ab 2028 gesetzlich verpflichtet werden, ihre CO2e-Emissionen unter bestimmte Schwellenwerte zu senken.

Das Beratungsunternehmen identifiziert in seinem Whitepaper verschiedene Stellschrauben, die den „Product Carbon Footprint“ (PCF) eines E-Autos teils drastisch beeinflussen können. So etwa die verwendeten Batterierohstoffe und Kathodenmaterialien: NMC811 (Nickel-Mangan-Cobalt) verursacht demnach rund 38 kg CO2e/kWh, während LFP (Lithium-Eisen-Phosphat) nur 15 kg CO2e/kWh ausstößt, also rund 60 Prozent weniger. Skalierungseffekte in der Produktion können den Energieverbrauch pro kWh ebenfalls weiter senken, ebenso wie die Trockenbeschichtung von Batterieelektroden im Vergleich zu heute geläufigeren Nassverfahren. Der wirksamste Hebel ist P3 zufolge allerdings der ausschließliche Einsatz erneuerbarer Energien in der Zellfertigung.

Die Berechnung des CO2-Fußabdrucks ist ein komplexes Unterfangen

Das Whitepaper zeigt jedoch auch auf, wie komplex die Berechnung des PCF sein kann: Zwar könne das Trockenbeschichtungsverfahren im Vergleich zum herkömmlichen Nassbeschichtungsverfahren bei der Zellproduktion zu einer Verringerung der CO2e-Emissionen um bis zu 50 Prozent führen, was vor allem auf den Wegfall des energieintensiven Trocknungsprozesses sowie auf Effizienzsteigerungen in der Mischphase zurückzuführen sei. Letztlich könne der gesamte CO2-Fußabdruck einer trockenbeschichteten Batteriezelle aber dennoch um etwa 5 Prozent höher ausfallen als bei einer nassbeschichteten Zelle. Die Diskrepanz ergibt sich demnach aus dem verwendeten Bindematerial. Dabei wird in der Regel Polytetrafluorethylen (PTFE) genutzt, das für die notwendige Kohäsion zwischen den Elektrodenpartikeln sorgt. Bei der PTFE-Produktion werden fluorierte Treibhausgase freigesetzt, die ein etwa 12.000-mal höheres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid haben, was zu einem Gesamtanstieg der Emissionen für die fertige Batteriezelle führt.

Zwar sei der Emissionsfaktor von PTFE deutlich höher als der von herkömmlichen Bindemitteln wie PVdF oder SBR/CMC, allerdings forschen einige Batteriehersteller nach alternativen Produktionsmethoden, mit denen diese Emissionen aufgefangen werden können, wodurch sich der CO2-Fußabdruck von PTFE möglicherweise verringern ließe. In solchen Fällen könnten die Gesamtemissionen der Batteriezelle durch Trockenbeschichtung auch insgesamt reduziert werden – den Berechnungen zufolge könnte sich so ein CO2-Vorteil von etwa 5 Prozent auf Zellebene ergeben.

Um die Dekarbonisierung entlang der gesamten Batterie-Wertschöpfungskette zu beschleunigen, empfehlen die Autoren des Whitepapers den Beteiligten, die Transparenz der Lieferkette zu stärken, in der Produktion verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen, innovative Produktionsmethoden zu nutzen, in nachhaltige Anlagen und Bauweisen zu investieren und die Recycling-Kreislaufwirtschaft zu fördern. „Durch die Umsetzung dieser Strategien kann die Branche eine vollständig nachhaltige Batterie-Wertschöpfungskette erreichen“, heißt es im Fazit des Whitepapers. In zukünftige Analysen sollen auch die Emissionen aus dem Bau von Batterie-Gigafabriken berücksichtigt werden, außerdem sollen alternative chemische Verfahren wie Festkörper-Akkus und Natrium-Ionen-Batterien ebenfalls evaluiert werden.

Quelle: P3 – Building the Sustainable EV: Breakthroughs in Battery Tech and CO₂ Reduction (PDF)

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Tobias Stahl

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Tobias Stahl kann sich für alle Formen der Fortbewegung begeistern, aber nachhaltige Mobilität begeistert ihn besonders. Da ist es kein Wunder, dass er schon seit 2019 über E-Autos, erneuerbare Energien und die Verkehrswende berichtet.

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