Das neue eröffnete Porsche Studio nahe des historischen Bugis-Viertels im Herzen von Singapur hat mit einem Autohaus, wie wir es kennen, kaum noch etwas gemein. Im Erdgeschoss des modernen Glasgebäudes in Guoco Midtown steht neben einer Cafébar ein silberfarbener Porsche 356, schräg gegenüber gibt es einen Bekleidungsbereich, während mittig eine moderne Treppe im Industriechic nach oben führt. Hier ist die Theke des Carrera Cafés noch imposanter. Ein paar Meter weiter lockt eine warm gezeichnete Sitzecke mit Bücherwand zu Verweilen oder Arbeit ein. Gegenüber parkt ein blauer Porsche Cayenne und direkt daneben kann man sich an Materialproben von Lack und Leder seinen Traumporsche zusammenstellen.
Das ist Autokauf, wie ihn sich visionäre Vertriebs- und Marketingabteilungen sonst nur in endlosen Power-Point-Präsentationen erträumen. In Singapur wird dies gelebt. Matthias Becker, bei Porsche verantwortlich für die Region Übersee: „Singapur ist der perfekte Standort für dieses erweiterte Porsche Studio. Mit diesem innovativen, neuen Format wollen wir weitere Ideen und Möglichkeiten zur Interaktion mit unseren Kunden und Fans erproben und gleichzeitig ein unvergessliches Erlebnis bieten, das über den bloßen Verkauf eines Autos hinausgeht.“
Wer nach Singapur reist, der wagt nach dem Schritt aus dem Flieger den Sprung in die Zukunft. Die Einreise an einem der zahllosen Computercounter dauert gerade einmal 30 Sekunden – das war es. Endlos langes Anstehen ist hier genauso verpönt wie Unsauberkeit. Dabei ist die Sechs-Millionen-Metropole in Sachen Vernetzung weiter als fast alle anderen Industrienationen. Bereits seit den 1980er Jahren sind die Fahrzeuge beispielsweise mit einem Transmitter hinter der Windschutzscheibe ausgestattet, der die Citymaut ebenso abrechnet wie Parkhäuser oder Tunneldurchfahrten. Die Abrechnung kommt automatisch einmal im Monat. Bezahlen per Bargeld? Selbst auf den kunterbunten Hawker Märkten eher die Ausnahme.
Der Automarkt ist streng reglementiert und dabei fest in asia-europäischer Hand. Die breite Masse ist mit Volumenmodellen von Toyota, Honda oder Hyundai unterwegs. Wer jedoch etwas auf sich hält, wird gefahren und sitzt im Fond einer Luxuslimousine aus deutschen Landen. Einfach ein Auto kaufen und losfahren ist in Singapur aber nicht nur teuer, sondern auch überaus kompliziert. Die Kennzeichen werden in einer Dauer-Lotterie vergeben.
Autofahren in Singapur ist ein teurer Spaß
Andre Brand, General Manager von Porsche Singapur, erklärt, dass Ende des vergangenen Jahres das zehn Jahre gültige COE (Certificate of Entitlement) bis zu 160.000 Singapur Dollar kostete, also gut 110.000 Euro; aktuell sind es rund 100.000 Dollar, um die 69.000 Euro, die auf den Preis eines Neufahrzeugs nochmals aufgeschlagen werden. Die Autos selbst sind damit nach westlichen Maßstäben nahezu unbezahlbar.
Hinzu kommen Strafsteuern für die Einfuhr, die dafür sorgen, dass ein einfacher BMW X1 sDrive 16i Benziner bei knapp 240.000 Singapur Dollar startet, umgerechnet 165.000 Euro, das Vierfache des Preises in Deutschland – zuzüglich der entsprechenden COE von aktuell gut 69.000 Euro. Die Luxuslimousine des beliebten BMW 735i startet bei 635.000 SGD – fast 430.000 Euro. Das sieht bei den Modellen wie der Mercedes E-Klasse oder eines Porsche Macan nicht anders aus. Unter 300.000 Euro geht im Paketpreis auf Kauf und Zulassung fast nichts. Exklusive Sportwagen kosten auch schon einmal Millionenbeträge.
Trotzdem verkauft allein BMW auf dem kleinen Singapur-Markt bis zu 16.000 Fahrzeuge pro Jahr. Der Stadtstaat ist das Land mit dem zweitschnellsten Wachstum weltweit an UHNWI – den gerade in Asien so umkämpften „Ultra-High-Net-Worth-Individuals“ mit einem investierbaren Vermögen von über 30 Millionen US-Dollar. Da wundert es nicht, dass Luxusmodelle besonders gut laufen. Und das obwohl die Strafsteuern für Fahrzeuge jenseits eines Kaufpreises von über 80.000 Dollar zuletzt von 220 auf 320 Prozent angehoben wurden.
Die Steuern könnten sogar noch weiter steigen
Der Finanzminister und stellvertretende Premier Lawrence Wong verwies in einer jüngsten Haushaltsansprache darauf, dass es „Raum gäbe, mehr Progressivität in die Autosteuern zu injizieren, um besser zwischen High-End-Autos und Massenmarktmodellen zu unterscheiden und auch Luxusautos zu einem höheren Satz zu besteuern“. Das tut der Nachfrage keinen Abbruch: allein die Mercedes G-Klasse konnte die Verkäufe zwischen 2021 und 2023 um mehr als 240 Prozent steigern. Daher ist Porsche nicht der einzige Premiumhersteller, der mit seinem exklusiven Studio ein neues, besonders imageträchtiges Verkaufserlebnis setzt. Zeitgleich mit der lokalen Premiere der E-Klasse eröffnete Mercedes im Januar sein komplett runderneuerte Brand Center.
Mercedes liegt als Premiummarke mit einem Verkaufsanteil von 17 Prozent in 2022 auf Platz zwei in der Verkaufsstatistik hinter Toyota (20,2 Prozent). BMW platzierte sich mit 12 Prozent noch vor Volumenherstellern wie Honda, Hyundai oder Mazda.
Auch Elektroautos kommen nach und nach
Die Elektromobilität kommt in Singapur dabei erst langsam auf Touren. Bis zum Jahr 2024 will die Regierung Verbrennerfahrzeuge als neue Modelle verbieten und bereits aktuell bekommen nur noch Modelle mit der strengen Schadstoffnorm Euro 6 überhaupt eine Zulassung. Die Zahl der Elektroautos bei den Neuzulassungen lag im Jahr 2023 bei über 16 Prozent – ein Zuwachs von mehr als vier Prozent im Vergleich zu 2022. Die Käufer eines Elektromodells bekommen bei Neuzulassungen eine Steuerersparnis von bis zu 40.000 Singapur Dollar pro Fahrzeug.
Ausbaufähig bleibt dagegen das Ladenetz. CDG Engie betreibt in Singapur aktuell rund 500 Ladepunkte; Anbieter Charge Plus will die Zahl der aktuell rund 1000 Stecker bis zum Ende des Jahrzehnts auf 30.000 vervielfachen. Total Energies hat aktuell mit 1500 Steckern das breiteste Netz. Bis 2030 will Singapur 60.000 Ladestationen anbieten; 40.000 davon im öffentlichen Raum.
Bis das so weit ist, gönnen sich Sportwagenfans gerade am Wochenende gerne mit ihrem brüllenden Boliden Ausfahrten ins benachbarte Malaysia. „Wir treffen uns um 5.30 oder 6 Uhr jenseits der Grenze und machen dann Touren, die wir unsere Fans ebenso als Programm anbieten wie Cars & Coffee“, belegt Porsche-Manager Andre Brand, dass viele Kunden auch ein Angebot über das Auto selbst hinaus suchen. Bei diesen Preisen kein Wunder.