Wie der Porsche Cayenne Electric neue Maßstäbe setzen soll

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Wolfgang Gomoll
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Der Cayenne Electric ist für Porsche ein entscheidendes Auto. Wollen die Zuffenhausener an die Erfolge vergangener Tage anknüpfen, muss sich das große E-SUV gut verkaufen. Deshalb geht der schwäbische Autobauer aufs Ganze – und packt viel Technik in den hochbeinigen Stromer.

Bei Porsche macht sich ein ungewohntes Gefühl breit. Jahrelang waren die Zuffenhausener vom Erfolg verwöhnt. Die Autos verkauften sich wie geschnitten Brot, und die Kunden standen Schlange, um eines der Fahrzeuge mit dem Wappen auf der Motorhaube zu bekommen. Man verteilte die Vehikel und machte satte Gewinne.

Doch mit mehreren strategischen Fehlentscheidungen wendete sich das Blatt. Der Wertverlust der Porsche-Aktie nahm derart große Ausmaße an, dass der Autobauer sogar aus dem deutschen Leitindex DAX fiel. Die Cash-Cow Macan in Deutschland und den USA ausschließlich elektrisch anzubieten, verstärkte die Krise zusätzlich. Jetzt kommt die Wende: Ab 2028 soll es das SUV doch wieder mit einem Verbrennungsmotor geben. Bis dahin ist eine lange Zeit. Umso größer ist der Druck auf den Cayenne Electric. Dieser Schuss muss sitzen, sonst sieht es bei Porsche düster aus. Das wissen auch die Manager in Zuffenhausen und gehen beim großen Stromer „all in“.

Der Cayenne Electric soll, nein, muss Maßstäbe setzen, damit er sich in China und vor allem in den USA gut verkauft. Denn eines ist jetzt schon klar: Ein Sonderangebot wird der dynamische Elektro-SUV sicherlich nicht. Bei einem Elektroauto sind Reichweite und Ladeleistung entscheidend, egal wie groß die Bodenfreiheit ist. Handelt es sich dann noch um einen Porsche, kommt die Agilität hinzu. Leistung allein ist in Zeiten der Elektromobilität kein Unterscheidungsmerkmal mehr. In den Kurven trennt sich die Spreu vom Weizen – und es zeigt sich, wie lange die Akkus durchhalten, wenn sie mal an die Kandare genommen werden. Stichwort: Reproduzierbarkeit der Leistung.

Bei der PPE-Plattform, die Porsche gemeinsam mit Audi entwickelt hat, kommen prismatische Zellen zum Einsatz. Die Zuffenhausener heben diese Architektur auf ein neues Niveau. Beim Cayenne sind es 192 Pouchzellen, die in sechs Modulen zusammengefasst sind und sich zu einer Bruttokapazität von 113 Kilowattstunden summieren (rund 108 kWh netto). Zum Vergleich: Beim Macan sind es 100 kWh brutto.

Interessanterweise unterscheiden sich diese Zellen von der VW-Konzern-Einheitszelle, die prismatisch ist. „Die Pouchzelle passt am besten zu diesem Batteriekonzept. Wir haben diese Zellen gewählt, bevor die Konzernentscheidung getroffen wurde“, erklärt Experte Dr. Maximilian Müller. Die Cayenne-Pouchzellen haben Graphit-Silizium-Anoden und NMCA-Kathoden mit einem Nickelanteil von 86 Prozent. Das resultiert in einer rund sieben Prozent höheren Energiedichte als beim Taycan. Die Batterie ist funktionsintegriert: Sie ist Teil der Fahrzeugstruktur und nutzt den Bauraum besser. Das bringt mehr Energie bei gleichem Platzbedarf, obwohl die Batterie lediglich elf Zentimeter hoch ist. Auch die Crashstruktur profitiert. Das spart Gewicht: Der Cayenne Electric wiegt rund 2,6 Tonnen.

Ein Batterierahmen ist nicht mehr nötig, ebenso wenig wie aufwendige Versteifungen. Dadurch wird die Struktur steifer, der Schwerpunkt tiefer – was der Fahrdynamik zugutekommt – und die Raumökonomie besser. Eine erste Sitzprobe bestätigt: Vorn und hinten hat man viel Platz, man sitzt deutlich tiefer als bisher, und die Aufbauhöhe ist um rund etwa drei Zentimeter geringer. Ebenfalls nicht unwichtig: Einzelne Module lassen sich ersetzen. Dazu muss die Batterie nach unten abgesenkt werden, was sich vergleichsweise einfach bewerkstelligen lässt.

Der Porsche-Sonderweg bei den Energiespeichern löst einen Dominoeffekt aus. Die Technik, um diese Batterien optimal zu nutzen, ist ziemlich aufwendig. An erster Stelle steht die Kühlung. Beim Cayenne Electric kommen zwei Kühlplatten zum Einsatz, beim Macan Electric ist es nur eine. Damit ist es nicht getan: Statt Sauglüftern, wie bei den meisten Elektroautos, pressen zwei Kühllüfter die Luft in die sensiblen Bereiche. Das steigert die Effizienz um 15 Prozent, ohne die Kühlleistung zu beeinträchtigen. Das entspricht etwa der Leistung von 100 Haushaltskühlschränken.

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Diese ist auch nötig, damit der Cayenne die Spitzenladeleistung von 400 kW schafft. Damit dauert es nur gut 15 Minuten, um die Akkus von 15 auf 80 Prozent zu füllen. Um solche Werte zu erreichen, ist ein hohes Ladeniveau über einen möglichst langen Zeitraum nötig. Das bewerkstelligt Porsche. Bis zu einem SoC (State of Charge) von etwa 55 Prozent liegt die Ladeleistung bei über 350 kW. In zehn Minuten saugt der Cayenne Electric Strom für 300 Kilometer.

Das prädiktive Thermomanagement trägt seinen Teil dazu bei. Es konditioniert die Batterie je nach Wetter, Route oder Fahrstil vorausschauend und optimiert so die Ladegeschwindigkeit sowie die Lebensdauer der Zellen. Dass die AC-Ladeleistung beim Cayenne Electric nur 11 kW beträgt, bringt etwas Wasser in den Wein, wenngleich das immer noch ausreicht, um den mächtigen Stromspeicher über Nacht vollständig erstarken zu lassen. Doch das soll sich im Laufe des Modellzyklus noch ändern. Immerhin: Beim induktiven Laden liegt die Leistung stets über 10 kW.

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Porsche stellt deutlich mehr als 1000 PS im Elektro-Cayenne in Aussicht

Damit die Leistungsfähigkeit der Akkus nicht verpufft, hat sich Porsche auch beim Antrieb etwas einfallen lassen. Das vorläufige Top-Modell, der Cayenne Electric Turbo, liefert mit Launch Control mehr als 800 kW / 1088 PS und bis zu 1500 Newtonmeter Drehmoment. Das bedeutet eine Sprintzeit von weniger als drei Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 270 km/h.

„Die Batterie kann mehr“, sagt Maximilian Müller und deutet an, dass der Turbo S noch in ganz andere Leistungssphären vordringen wird. Aber auch der Turbo ohne das sportliche S ist mit einer Dauerleistung von 600 kW / 816 PS alles andere als untermotorisiert. Per Überholknopf kommen weitere 100 kW / 136 PS hinzu. So viel Kraft kommt nicht von ungefähr: Sie stammt von zwei permanenterregten Synchronmaschinen (PSM) – je eine pro Achse.

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Interessant: Der neue, direkt ölgekühlte PSM an der Hinterachse führt das Öl unmittelbar an den stromführenden Bauteilen vorbei. So bleibt der Motor standfest und erreicht einen Wirkungsgrad von bis zu 98 Prozent. Diese Technik stammt aus dem E-Rennsport, genauer gesagt: vom GT4 e-Performance. Dazu passt auch der Pulswechselrichter mit Siliziumkarbid-Halbleitern. Die Rekuperation erreicht mit bis zu 600 kW ebenfalls Rennsportniveau – rund 97 Prozent der Bremsvorgänge übernehmen die E-Maschinen.

Der Cayenne ist komfortabel, wenn er muss, und sportlich, wenn er darf

Was dem Panamera recht ist, ist dem Cayenne Electric nur billig: Der große Stromer ist das erste Porsche-SUV mit aktivem Fahrwerk. Das bedeutet: Luftfederung und hydraulische, miteinander vernetzte Dämpfer. So werden Karosseriebewegungen bei Fahrmanövern auf ein Minimum reduziert. Da beim Cayenne Electric – ebenso wie beim Macan – fünf Zentralcomput­er das Heft in der Hand halten, sind die Rechenoperationen dementsprechend schnell. Das elektronische Porsche Traction Management (ePTM) regelt binnen fünf Millisekunden – fünfmal schneller als herkömmliche Systeme. Das Ergebnis: Der Cayenne ist komfortabel, wenn er muss, und sportlich, wenn er darf. Mit dem optionalen Offroad-Paket zieht er bis zu 3,5 Tonnen; serienmäßig sind es 3 Tonnen. Die Hinterachslenkung schlägt die Räder um bis zu fünf Grad ein und verringert so den Wendekreis um einen Meter auf 11,1 Meter, so viel wie ein VW Golf. Ebenfalls auf dem Cayenne-Menüzettel stehen Torque Vectoring und eine Keramikbremse.

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Im Innenraum endet der Gestaltungsdrang der Porsche-Designer nicht. Im E-SUV blicken die Insassen auf 50 Prozent mehr Bildschirmfläche als beim aktuellen Modell. Vor dem Fahrer befindet das weiterentwickelte Curved-Display aus dem Taycan, ergänzt um ein Head-up-Display mit Augmented Reality. In der Mitte thront ein großer Touchscreen, darunter befindet sich eine Bedienfläche, die einer Halfpipe gleicht. Damit man diese virtuellen Knöpfe treffsicher bedienen kann, gibt es eine Handauflage, die Porsche „Ferry-Pad“ nennt – angelehnt an den ehemaligen Patron, der gern mit der Hand auf dem Schalthebel fuhr. Ganz ohne den Porsche-Altvorderen geht es einfach nicht. Dass der Beifahrer einen eigenen Bildschirm bekommt, ist bei Porsche inzwischen üblich.

Ganz billig ist das Technik-Füllhorn des Cayenne Electric sicher nicht, aber wer einen Cayenne fahren will, kann es sich leisten. Außerdem will Porsche sich technisch von der Masse der Konkurrenten abheben. Nur so kann der Stromer zum erhofften Erfolg werden.

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Wolfgang Gomoll

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Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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