Opel-Chef Florian Huettl sieht Deutschland wieder als wichtigen Treiber der Elektromobilität in Europa. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verweist er auf eine deutlich gestiegene Nachfrage und begrüßt Maßnahmen wie die erweiterten Abschreibungsmöglichkeiten für Gewerbetreibende sowie die Senkung der Stromsteuer. Beides werde dem Standort und der E-Mobilität gleichermaßen helfen.
Dennoch stellt Huettl klar, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen. In anderen Ländern wie Frankreich hätten zusätzliche Fördermodelle wie das Sozial-Leasing dazu geführt, dass gerade Menschen mit niedrigerem Einkommen besser in die Elektromobilität einsteigen konnten. „Der untere Preisbereich von Elektrofahrzeugen kann durch derartige Programme deutlich stärker stimuliert werden“, so Huettl. Entsprechende Diskussionen gebe es auch in Deutschland, jedoch bisher ohne konkretes Ergebnis.
Opel habe sich frühzeitig auf die E-Mobilität ausgerichtet – mit dem Ziel, flexibel auf Marktveränderungen reagieren zu können. Dass der Markt insgesamt langsamer wächst, als erwartet, räumt Huettl ein. Aber die frühe Entscheidung für eine Multi-Energy-Strategie, also die Fähigkeit, Modelle sowohl mit Verbrenner-, Hybrid- als auch Elektroantrieb anzubieten, sei nun ein Vorteil. „Wir bauen hier in Rüsselsheim den Astra. Den können Sie als vollelektrisches Auto, als Plug-in-Hybrid, als Hybrid oder als Verbrenner haben“, erklärt er. Das Werk sei dabei nahezu vollständig flexibel ausgelegt.
Fokus weiterhin auf reine E-Mobilität gesetzt
Auf lange Sicht strebt Opel dennoch eine stärkere Ausrichtung auf vollelektrische Plattformen an. Neue Modelle wie der Grandland oder der Frontera seien bereits ausschließlich für den elektrischen Betrieb ausgelegt. Die Technik sei deutlich weiter als noch vor wenigen Jahren: Während die ersten E-Modelle wie Corsa und Mokka mit einer Reichweite von etwas über 300 Kilometern starteten, erreichen aktuelle Versionen über 400 Kilometer – und die Grandland-Variante mit einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern steht kurz vor der Markteinführung.
Opel versteht sich als Vorreiter unter den deutschen Herstellern und war laut Huettl bereits 2023 der erste Anbieter mit einem komplett elektrifizierten Portfolio. Der Marktanteil der E-Autos liege aktuell bei etwa 15 Prozent, mit steigender Tendenz. Huettl geht davon aus, dass Opel noch im laufenden Jahr mehr als die Hälfte aller verkauften Autos vollelektrisch oder zumindest elektrifiziert ausliefern wird.
Der neue Stellantis-Konzernchef Antonio Filosa will die Marken stärken und ihnen mehr Verantwortung übertragen – für Opel bedeutet das, künftig noch gezielter auf Marktbedürfnisse reagieren zu können. Huettl nennt den Grandland als Beispiel: „Es war uns wichtig, mit dem batterieelektrischen Modell zu starten, um zu zeigen, dass die neue Mittelklasseplattform wirklich auf Elektrotechnik aufbaut.“ Weitere Varianten mit unterschiedlichen Batteriegrößen, Allradantrieb oder als Plug-in-Hybrid mit 85 Kilometern elektrischer Reichweite seien in Vorbereitung.
Opel GSE-Modelle sollen E-Mobilität emotionalisieren
Auch im sportlichen Bereich plant Opel den nächsten Schritt: Das Sportlabel GSE, früher schon für leistungsstarke Plug-in-Modelle genutzt, soll künftig rein elektrisch positioniert werden. Der Mokka GSE macht dabei den Anfang. Huettl betont: „Wir denken, dass der Name GSE künftig zeigen kann, dass Elektromobilität eben auch eine ganze Menge Spaß machen kann.“ Gleichzeitig hält Opel an der Strategie fest, Kunden nicht zur Antriebswahl zu drängen. „Solange es noch Unsicherheit gibt und solange nicht klar ist, mit welcher Geschwindigkeit die Umstellung der Antriebstechnik vor sich geht, werden wir den Kunden eine Wahlmöglichkeit geben.“ Auch Händler in verschiedenen Ländern müssten mitgenommen werden. Der Opel Astra soll zu gegebener Zeit ein umfassendes Update erhalten.
Kritik an der bisherigen Stellantis-Sparpolitik will Huettl nicht gelten lassen. Zwar gab es in der Vergangenheit Probleme mit bestimmten Benzinmotoren und jüngst einen Rückruf bei Dieseln, doch Opel habe Maßnahmen ergriffen: Für Puretech-Motoren wurde unter bestimmten Voraussetzungen die Garantie auf zehn Jahre verlängert, außerdem seien die betroffenen Antriebe weiterentwickelt worden. Man sei für die Zukunft gut aufgestellt.
Ein besonderes Anliegen ist Huettl die Debatte um den Kleinwagen. Er weist darauf hin, dass dieses Segment stark geschrumpft sei. Autos unterhalb von 18.000 Euro seien heute kaum noch profitabel herzustellen, da die EU-Vorgaben für Sicherheits- und Assistenzsysteme auch in diesem Preissegment vollumfänglich gelten. „Wir müssen heute in die neuen Kleinwagen eine Erkennung für Geschwindigkeitslimits einbauen und eine Warnung bei Überschreitung dieser Geschwindigkeit, eine Müdigkeitserkennung, Spurhalteassistenten, eine aufwendige Luftdrucküberwachung für jeden einzelnen Reifen und vieles mehr“, kritisiert Huettl. Sein erstes Auto sei ein Corsa A gewesen, der nur 735 Kilogramm wog – ein Leichtgewicht, wie es heute kaum noch möglich sei. Manche Assistenzsysteme seien im Stadtverkehr schlicht nicht nötig, weshalb Huettl eine differenzierte Regulierung fordert.
Exportfokus auf Europa, Nordafrika und den Nahen Osten gesetzt
Die Exportstrategie von Opel bleibt auf Europa, Nordafrika und den Nahen Osten beschränkt. Modelle aus nordamerikanischen Stellantis-Werken wie der Chrysler Voyager oder Jeep Wagoneer S seien nicht für Opel vorgesehen. Stattdessen konzentriert man sich auf Märkte wie die Türkei, Marokko, Ägypten und Algerien, wo Opel bereits erfolgreich sei. Auch innerhalb Europas hat sich Opel unter den Stellantis-Marken gut positioniert: „Wir sind mit Abstand die meistverkaufte Stellantis-Marke im Norden und Osten Europas.“
Trotz gelegentlicher Kritik am Mehrmarkenmodell innerhalb des Konzerns sieht Huettl Vorteile. Insbesondere Alfa Romeo und DS könnten von der Vertriebsstruktur profitieren. Alfa habe in Deutschland eine starke Community, der neue Alfa Junior entwickle sich gut. DS bringe bald zwei neue Modelle, eines davon werde in Rüsselsheim gebaut. Dies verspreche zusätzliche Impulse. Die größere Freiheit unter dem neuen Konzernchef verstehe Opel auch als Aufforderung, kreative Wege zu gehen. Huettl erwartet von seinem Team, den deutschen Markt aktiv mitzugestalten. Zur IAA wolle man mit einem Konzeptfahrzeug die „Emotion der Elektrifizierung“ greifbar machen. Opel bleibe dabei seiner Tradition treu – mit technischer Substanz, aber auch einem emotionalen Anspruch.
Quelle: FAZ – „Das Angebot an bezahlbaren Kleinwagen hat durch EU-Vorschriften drastisch abgenommen“