Wie viele Ladesäulen braucht Deutschland wirklich?

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Sebastian Henßler
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Oft wird behauptet, dass es in Deutschland nicht genug Ladesäulen gebe, um den Umstieg auf Elektroautos voranzutreiben. Kanzler Olaf Scholz sieht Mängel in der Infrastruktur, und auch Wirtschaftsminister Robert Habeck hält Verbesserungen für notwendig. Das Ziel, bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte bereitzustellen, wurde bereits vor Jahren formuliert. Um dieses Vorhaben umzusetzen, investiert der Staat Milliardenbeträge. Dennoch bleibt in der Öffentlichkeit der Eindruck bestehen, dass es zu wenige Möglichkeiten zum Laden gibt. Der Spiegel hat sich auf die Recherche begeben und das Ganze eingeordnet.

Laut einer Umfrage des Allensbach-Instituts schrecken unzureichende Lademöglichkeiten viele Menschen vom Kauf eines Elektroautos ab. Ein Großteil der Befragten hat zudem wenig Wissen über Reichweite, Ladezeiten und Standorte von Ladesäulen. Gleichzeitig wächst das Ladenetz jedoch rapide: Die Bundesnetzagentur zählte im Dezember 2023 mehr als 154.000 öffentliche Ladepunkte mit einer Gesamtleistung von 5,5 Gigawatt. Besonders Schnellladesäulen haben stark zugenommen. Trotzdem zeigt sich in der Praxis ein uneinheitliches Bild: Während Autofahrer:innen in Großstädten und an Raststätten oft eine freie Ladesäule suchen müssen, bleiben an anderen Standorten Ladepunkte ungenutzt.

Die offizielle EU-Vorgabe zur Netzdichte erfüllt Deutschland über – mit 152 Prozent. Zudem lädt die Mehrheit der Elektroautofahrer:innen ohnehin zu Hause, laut Umfragen sind dies 80 bis 90 Prozent. Durch staatliche Förderungen wurden bereits über eine Million private Wallboxen installiert. Viele Haushalte kombinieren das Laden mit Solarenergie und Batteriespeichern, was langfristig wirtschaftlich attraktiv ist. Das öffentliche Ladenetz dient somit hauptsächlich als ergänzende Option für längere Fahrten.

Kosten spielen ebenfalls eine Rolle. Wer zu Hause lädt, zahlt pro 100 Kilometer oft nur halb so viel wie für Benzin. An öffentlichen Ladesäulen sind die Preise in den letzten Jahren gestiegen. Besonders Fahrer:innen ohne private Ladestation sind betroffen. Hinzu kommt, dass es keine einheitliche Preisanzeige gibt. Eine Vergleichsplattform wie bei Tankstellen existiert nicht, was den Markt intransparent macht. Diese wird politisch auch nicht gewünscht. Experten kritisieren diesen Zustand und fordern eine bessere Regulierung.

Die Energiebranche sieht das Ziel von einer Million Ladepunkten zunehmend kritisch. Moderne Elektroautos haben größere Akkus, höhere Ladegeschwindigkeiten und können weitere Strecken zurücklegen. Mit dann auch noch leistungsstärkeren Schnellladern seien deutlich weniger Ladepunkte erforderlich als ursprünglich angenommen. Der Vergleich mit Tankstellen zeigt, dass Deutschland mit unter 15.000 Standorten den Bedarf von fast 48 Millionen Verbrennern deckt. Auch beim E-Auto wird es so sein, dass an der richtigen Stelle die richtige Ladeinfrastruktur aufgebaut wird, dann reicht auch weniger.

Es bleibt daher die Frage, ob der Ausbau des Ladenetzes in der bisherigen Form weitergehen sollte oder ob eine Anpassung der Strategie nötig ist. Die Politik muss die Entwicklungen auf dem Markt berücksichtigen und gegebenenfalls neue Prioritäten setzen.

Quelle: Spiegel.de – Hat Deutschland mehr als genug Ladesäulen?

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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