Im nächsten Jahr kommt mit dem Cupra Raval das erste Modell von VWs „Electric Urban Car Family” auf den Markt. Der spanische Stromer spielt die Dynamik-Karte – und das ziemlich gut, wie eine Testfahrt mit dem Prototypen zeigt.
Dr. Werner Tietz macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Ich mag kein Untersteuern“, sagt der Seat-Technikchef. Da der Ingenieur in Personalunion auch beim VW-Konzern die Leitung von Forschung und Entwicklung innehat, dürfte diese Ansage für alle zukünftigen Fahrzeuge des niedersächsischen Autobauers gelten. Und genau in so einem sind wir jetzt unterwegs – dem Cupra Raval. Wir am Steuer und der Chef-Techniker auf dem Beifahrersitz. Wie auf Kommando nähern wir uns einer dieser engen Links-Rechts-Kombinationen, wie sie in den Hügeln rings um Barcelona so typisch sind.
Wir wollen den Worten des Technikers auf den Zahn fühlen und gehen diese beiden Kehren ambitioniert an. Sauber – der Prototyp meistert diese Herausforderung souverän. Die Lenkung ist präzise und liefert eine aussagekräftige Rückmeldung zum Zustand der Straße sowie zur Traktion der Reifen. Auch ein Lastwechsel bringt den kleinen Stromer nicht aus der Ruhe.
Diese Dynamik kommt nicht von ungefähr. An der Vorderachse zähmt ein elektronisch geregeltes, mechanisches Sperrdifferenzial die Antriebsräder. Es kann je nach Bedarf mehr oder weniger sperren. Gesteuert wird das über ein Steuergerät, das mit ESP & Co. vernetzt ist. Auf unsere Vermutung „Sperrwirkung von 36 Prozent?“ nickt Werner Tietz bestätigend: „So in etwa.“ Diese sportlichen Ingredienzen lassen schon vermuten, dass wir nicht in der Standardversion des Cupra Raval sitzen, sondern in der schärfsten: dem Raval VZ Extreme, der spanischen Version des GTI des ID.2. Das bedeutet: 166 kW / 226 PS, ein maximales Drehmoment von 290 Newtonmetern und eine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h. Da könnten die Spanier beim Topmodell durchaus noch eine Schippe drauflegen. Die Begrenzung ergibt jedoch Sinn, wenn man die Reichweite von rund 400 Kilometern berücksichtigt. Autobahn-Raserei würde diese Distanz schnell schmelzen lassen.
Das bringt uns zu den Batterien. Die wird es beim Raval in zwei Versionen geben: eine NMC (Nickel-Mangan-Kobalt) und eine LFP (Lithium-Eisenphosphat). Zu den Kapazitäten schweigt sich der spanische Autobauer noch aus. Beim Raval VZ Extreme haben die Techniker die MEB+-Plattform des VW-Konzerns verfeinert. Er misst 4,05 Meter in der Länge und 1,78 Meter in der Breite. Gegenüber den Standardvarianten der MEB+-Plattform erhält er durch die Einpresstiefe der Felgen eine um zehn Millimeter breitere Spur. Das ESC lässt sich abschalten, und es sind 235er-Reifen auf 19-Zoll-Felgen montiert. Das Fahrwerk ist um fünf Prozent steifer und legt die Karosserie um 15 Millimeter tiefer.
Der Raval übertreibt es nicht mit der Sportlichkeit
„Wir haben das Fahrwerk selbst gemacht“, erzählt Werner Tietz. Auf die Frage, welche Kniffe man angewendet habe, kommt die Antwort: „Wir haben die Gummielemente in den adaptiven Dämpfern so verändert, dass wir eine bessere Abstützung erreichen.“ Auch die Software haben die Techniker angepasst. Wir bemerken die Agilität und die straffere Abstimmung, aber auch, dass die Federn und die adaptiven Dämpfer es mit der Sportlichkeit nicht übertreiben.

Das wirkt sich auch auf die Fahrmodi aus, bei denen die Leistung unverändert bleibt: Range, Comfort, Performance und Cupra unterscheiden sich bei der Strompedal-Kennlinie, der Lenkung und der Rekuperation. Hier greifen die Ingenieure gern in die Agilitäts-Trickkiste und legen in den dynamischen Fahrprogrammen die Energierückgewinnung stärker aus, damit der Vorderwagen beim Anbremsen stärker eintaucht und so mehr Gewicht auf die Vorderachse verlagert wird. Apropos Bremsen: Beim Cupra Raval sind vier Scheibenbremsen verbaut. Sie sind standfester und können besser dosiert werden. Die entscheidende Technik arbeitet im One-Box-Prinzip: Bremskraftverstärker, Hydraulik und die elektronische Regelung (ABS/ESC) sind in einem kompakten Modul zusammengeführt, statt aus mehreren getrennten Komponenten zu bestehen.
Das simulierte Motorgeräusch, das bei den Fahrmodi Performance und Cupra das Vorankommen untermalt, kann nicht abgeschaltet werden. Das ist nur in der „Individual“-Einstellung möglich, in der sich der Fahrer sein eigenes Agilitäts-Menü zusammenstellen kann. In Sachen Fahrdynamik und Fahrwerk sind Werner Tietz und seine Mannschaft schon ziemlich weit. Ein paar Details fehlen noch. „Wir hatten noch keine Wintertestfahrten“, erklärt der Technikvorstand. Das wird nun nachgeholt, um das ESP und alle anderen Regelsysteme auf glatte Straßenverhältnisse abzustimmen, genauer gesagt auf den Niederreibwert. Wir sind bei deutlichen Plusgraden unterwegs und fanden den Raval VZ Extreme bereits ziemlich ausgereift.

Der Raval ist das erste Modell der neuen „Electric Urban Car Family“ des VW-Konzerns, die neben ihm den VW ID.Polo, ID.Cross und Škoda Epiq umfasst. Deswegen hatten die Spanier auch den Hut bei der Entwicklung auf. Zum Start im kommenden Jahr wird es drei verschiedene Varianten des Raval geben: den VZ Extreme (166 kW / 226 PS), Dynamic Plus (155 kW / 211 PS), mit einer Reichweite von maximal 450 Kilometern, und Dynamic (155 kW / 211 PS), mit der gleichen Reichweite, aber weniger Ausstattung. Das Basismodell, das rund 26.000 Euro kosten soll, kommt später und wird einen schwächeren Motor sowie kleinere Akkus haben. Aber im Gegensatz zum Einstiegsmodell des Renault 5 E-Tech wird auch dieses Fahrzeug das DC-Laden beherrschen.







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