Ein Kommentar von Daniel Krenzer
Die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer haben in Mainz unter anderem über die Zukunft des Automobilverkehrs diskutiert. Im Abschlusspapier wird die Elektromobilität als „zentrale Zukunftstechnologie“ bezeichnet – eine interessante Formulierung, wenn man bedenkt, wie sehr Elektroautos schon in der Gegenwart ausgereift sind. Allerdings wünschen sich die Ministerpräsidenten mehr Flexibilität und eine Abkehr vom sogenannten „Verbrennerverbot“ – das in Wahrheit gar keines ist, dazu gleich mehr.
„Gleichzeitig halten sie alternative klimafreundliche Antriebskonzepte, klimafreundliche Kraftstoffe und ergänzende Übergangstechnologien wie hocheffiziente Verbrenner, Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge mit Range-Extender für erforderlich, um Beschäftigung und Wertschöpfung in Deutschland zu sichern und ein Erreichen der Klimaziele ohne Bruch in der Industrie zu gewährleisten“, steht laut Tagesthemen weiterhin im Papier der Ministerpräsidenten, die also offenbar entweder nicht alle das eigentliche EU-Ziel verstanden haben oder vielleicht aus politischem Kalkül heraus mit Nebelkerzen schießen. So sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): „Es ist unmöglich, bis zum Jahr 2035 voll elektrisch zu fahren.“
Das wiederum verlangt auch überhaupt niemand. Die bisherige EU-Beschlusslage sieht einzig vor, dass ab 2035 nur noch Autos ohne CO2-Emissionen am Auspuff zugelassen werden dürfen. Bestandsfahrzeuge dürfen weiter genutzt werden und nach heutigem Stand als Gebrauchtwagen auch weiterverkauft werden. Selbst 2050 dürfte es demnach also weiterhin viele Verbrenner auf den europäischen Straßen geben, außer die Klimakrise fliegt uns bis dahin so dermaßen um die Ohren, dass tatsächlich ein Verbot der CO2-Schleudern eingeführt werden muss.
Zudem ist aus zwei Gründen offen, ob es nicht trotzdem nach 2035 weiterhin neue Verbrenner auf dem Markt geben wird: Zum einen will die EU den Einsatz von E-Fuels prüfen, wie in der 2023 verabschiedeten Verordnung nachzulesen ist, zum anderen ist je nach Lesart möglich, dass unter Strafzahlung auch weiterhin Verbrenner verkauft werden dürfen, wobei die Hersteller den Preis dafür auf den Kunden abwälzen könnten. Beide Varianten hätten eines gemeinsam: Wem das Geld egal ist, der könnte auch weiter neue Verbrennerautos fahren.
Retter oder Vernichter der Industrie?
Das alles augenscheinlich ignorierend schreiben die Ministerpräsidenten in ihrem Papier jedoch: „Ein starres Verbot der Verbrennertechnologie ab dem Jahr 2035 ohne Rücksicht auf seine tatsächliche Umsetzbarkeit würde nicht nur industrielle Kernkompetenzen und die Wettbewerbsfähigkeit des Automobilstandortes Deutschland gefährden, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Elektromobilität insgesamt.“
Politisch herrscht derzeit vielerorts der Glaube vor, dass die deutsche Automobilindustrie im Besonderen und die deutsche Industrie im Allgemeinen nur durch Technologieoffenheit zukunftsfähig bleiben und überleben kann. Dem widersprechen jedoch zahlreiche Experten und auch manche Automobilhersteller selbst, die auf die hohen Kosten von mehrgleisigen Techniken und die unangefochtene Effizienz der Elektromobilität verweisen. Und auch die Lufthansa kritisiert, dass ein für absehbar noch lange Zeit rares Gut wie E-Fuels nicht für Autos verschwendet werden sollten, sondern dort genutzt werden sollen, wo es keine Alternative gibt – in Flugzeugen und Schiffen.
Die Materie ist komplex. Es fällt jedoch schwer zu glauben, dass führende Politiker dies dennoch nicht verstehen. Allerdings ist die Materie vielleicht zu komplex für viele Wähler, die sich nur oberflächlich damit beschäftigen, Angst vor Veränderungen haben und sich die Zukunft nicht so recht vorstellen können. Da ist es aus Sicht des Gewählt-werden-Wollens menschlich nachvollziehbar, dass die Politik hier einhakt und Stammtisch-Narrative bedient. Doch für die angeblich so schützenswerte Wirtschaft dürfte sich dieser Weg noch als folgenschwerer Irrtum erweisen.
Quelle: Tagesthemen – Länder fordern Lockerung beim Verbrenner-Aus







