Ein Kommentar von Sebastian Henßler
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger lehnt die geplante Elektroauto-Quote der EU für Unternehmensflotten ab. Kritik ist legitim. Doch wer seine aktuellen Aussagen verfolgt, erkennt vor allem eines: Aiwanger argumentiert nicht auf Grundlage belastbarer Daten, sondern auf Basis von Stimmungen. Seine Wortwahl erinnert an Stammtische und Wahlkampf, nicht an eine nüchterne Auseinandersetzung mit einer Weichenstellung, die für Bayern und letztlich für ganz Europa langfristig entscheidend ist.
In einer offiziellen Mitteilung, veröffentlicht auf der Webseite des Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, spricht Aiwanger von einer „Elektroautoquote“ als „Verbrennerverbot durch die Hintertür“. Doch diese Zuspitzung hält der Realität kaum stand.
Die Kommission diskutiert nach aktuellem Informationsstand über 50 Prozent Elektroanteil ab 2027 und rund 90 Prozent ab 2030 – nicht über die von Aiwanger genannten 75 und 100 Prozent. Warum seine Zahlen davon abweichen, man weiß es nicht. Klar ist hingegen: Ein „Verbot“ gibt es nicht. Das viel zitierte Ziel der EU für 2035 verlangt lediglich 0 Gramm CO₂ pro Kilometer bei Neuwagen – technologieoffen und weit entfernt von dem abrupten Schnitt, den Aiwanger suggeriert. „Hocheffiziente“ Verbrenner könnten hier künftig auch eine Rolle spielen. Aber das Fass machen wir hier nicht auf.
Die Mitteilung von Aiwanger zeigt außerdem, wie einseitig seine Argumentation angelegt ist. Mit eine Grundlage seiner Position scheint ein Gespräch mit Roman Still von der AVAG Holding zu sein – einem Schwergewicht des klassischen Autohandels, dessen Geschäftsmodell stark am Verbrenner hängt. Dass dort Skepsis gegenüber regulatorischen Veränderungen besteht, ist wenig überraschend. Doch Aiwanger übernimmt diese Perspektive scheinbar vollständigj.
Die vielen Chancen eines elektrifizierten Flottenmarkts – niedrigere Betriebskosten, stabilere Nachfrage, planbare Restwerte, neue Service-Modelle – bleiben unerwähnt. Ebenso die Risiken eines Nicht-Handelns: zunehmende Abhängigkeit von Importen, schwächer werdende Wettbewerbsfähigkeit und ein technologischer Rückstand, der sich nicht mehr aufholen lässt.
In seinen Social-Media-Auftritten setzt sich dieses Muster fort. Dort warnt Aiwanger vor „Bürokraten“ und „Ideologen“ und spricht von einer „Katastrophe“ für Autohändler. Das sind starke Worte, entbehren aber jeglicher empirischer Grundlage. Denn Unternehmen, die ihre Fuhrparks elektrifizieren, berichten heute von sinkenden Gesamtbetriebskosten, steuerlichen Vorteilen und einer wachsenden Modellvielfalt.
Handwerksbetriebe, die wirtschaftlich hart rechnen, setzen längst auf Elektrotransporter: Sie nutzen günstigen Strom vom eigenen Dach, profitieren von geringeren Wartungskosten und können bidirektionales Laden als zusätzlichen Vorteil einsetzen. Dass Aiwanger diese realen Entwicklungen nicht einmal erwähnt, ist bemerkenswert – gerade für den Wirtschaftsminister eines Automobilstandorts wie Bayern.
Aiwanger zeichnet Szenarien, in denen Betriebe anscheinend massenhaft überfordert würden, Ladeinfrastruktur unfinanzierbar wäre und Gebrauchtwagenmärkte zusammenbrächen. Doch vieles davon lässt sich so nicht belegen. Ladepunkte auf Betriebshöfen sind längst förderfähig und planbar und amortisieren sich meist nach wenigen Jahren durch die im Vergleich zu Benzin und Diesel deutlich günstigeren Treibstoffkosten. Die Restwerte elektrischer Dienstwagen stabilisieren sich, weil Angebot und Nachfrage wachsen. Und so ziemlich jede aktuelle Untersuchung zeigt: Elektrifizierung findet dort statt, wo sie ökonomisch sinnvoll ist – im Handwerk, in Außendienstflotten, in Logistik und Servicebetrieben.
Was bleibt, ist der Eindruck einer politischen Kommunikation, die Risiken überbetont und Chancen ignoriert. Dass Bayern 2026 in eine wichtige Kommunalwahl geht, mag erklären, warum Aiwanger so scharf zugespitzt argumentiert und einen höchst fragwürdigen und abwertenden Begriff wie „unsinnige Elektroautoquote“ in eine offizielle und eigentlich der Neutralität verpflichteten Mitteilung des bayerischen Wirtschaftsministeriums einbringt. Gilt es doch Wähler:innen an sich zu binden. Doch es erklärt nicht, warum er zentrale industriepolitische Fragen unbeantwortet lässt:
- Wie will Bayern seine Wettbewerbsfähigkeit sichern?
- Welche Rolle spielt Elektrifizierung in den globalen Lieferketten?
- Und wie soll die bayerische Autoindustrie Marktanteile halten, wenn zentrale Absatzmärkte längst mit großen Schritten Richtung E-Mobilität marschieren?
Aiwangers Kritik trifft den Ton des politischen Alltags. Doch sie verfehlt die Realität einer Branche, die längst verstanden hat, dass Stillstand riskanter ist als Veränderung.
Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie – Pressemitteilung vom 04.12.2025 / Hubert Aiwanger Minister Bundesvors. Freie Wähler (Facebook) – Nachricht vom 04.12.2025







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