Auffällig ist diese neue kantige Form des ersten Elektroautos von Hyundai auf der 800 V Plattform e-GMP schon, das muss man zugeben. Aber das allein kann diesen Hype in der Presse und vor allem bei den Youtube-Testern nicht ausmachen. Ist das Auto jetzt wirklich so gut wie man uns weismachen will oder steckt hinter dem ganzen Brimborium nur eine gut gemachte Werbekampagne mit dem Ziel, von Schwächen abzulenken?
Gleich mal vorab bevor es losgeht: die Ladekurve ist galaktisch und so stabil, dass man ruhig ein Lineal anlegen kann, wenn man sie ausdruckt. Am HPC 150 kW bei MaxSolar/Egis in Traunstein fast durchgehend 120kW von 20 auf knapp 80% SOC – das schafft niemand, selbst die nicht ganz schwache Konkurrenz in dieser Preisklasse nicht. Aber irgendwelche Vorteile muss die 800V-Technik ja haben und das Thema ist schon von fast jedem anderen Tester mit leuchtenden Augen bezeugt worden.
Sind die Vorschusslorbeeren verdient?
Nur darum geht es in diesem Kurztest nicht, sondern wir wollten wissen wie alltagstauglich der neue Ioniq 5 wirklich ist und ob er die Vorschusslorbeeren verdient hat oder man sein Geld doch lieber in die Konkurrenz investieren sollte. Als eingefleischter E-Autofahrer sieht man nämlich die technischen Daten eines Fahrzeugs nicht durch die rosa Brille, sondern achtet auch auf ‘Nebensächlichkeiten’, die einem Verbrennerfahrer nicht sofort auffallen.
Der “Neue” ist eigentlich innen gar nicht so klein wie er auf den ersten Blick erscheint, sondern ziemlich geräumig und wenn man die Maße ansieht erklärt sich dieser Eindruck von selbst. Der Ioniq 5 ist breiter als der Ford Mustang Mach-e, hat einen längeren Radstand als der selige Audi e-tron (man bedenke, dieser baut auf die Longversion des Q5 China auf) und hat, obwohl er “nur” einen Heckmotor und einen fast gleich großen Akku wie das Model 3 LR Dual Motor eingebaut hat, ein um knapp 300 kg größeres Leergewicht. Und was nicht zu vergessen ist: dieser PSM-Motor leistet gut runde 170 PS, die bei der Ausgangsbasis ganz schön ins schwitzen kommen.
Hyundai gibt bei dieser Konfiguration eine Reichweite von gut 384 km (wurde nach RS mit Tester/ Hyundai durch Redaktion angepasst) an, die man aber erfahrungsgemäß eigentlich nur der Reichweitenangst der Verbrennerumsteiger zu verdanken hat. Reale WLTP-Reichweiten, d.h. wirklich nachvollziehbare Gesamtstrecken, obliegen so vielen Einflüssen wie Temperatur, Fahrgewohnheiten, Verkehrslage etc.., dass man grob gerechnet knapp 20% von den Angaben abziehen kann. Dann befinden wir uns bei knapp 310 km Reichweite, die eigentlich schon machbar sind – außer man fährt mit dem Hyundai Ioniq 5 ins Gebirge, denn dann muss der Kleine ganz schön schuften, um das Gewicht nach oben zu bringen. Wer es nicht glaubt, sollte mal beim Fahren auf den schönen kleinen Momentanverbrauchsbalken im linken Display achten, der sich stellenweise bei 60 kWh/100 km niederlässt, d.h. dort auf Anschlag geht, denn weiter geht die Skala nicht.
Dieses Verhalten kennen wir aber schon vom Ford Mustang Mach e, der auch kein spezielles Alpenstraßenfahrzeug ist, aber diesen Mehrverbrauch durch eine blitzsaubere ONE-Pedal-Rekuperation bergab wegmacht. Beim Hyundai Ioniq 5 ist das leider nicht so, denn seine Version vom ONE-Pedal à la Tesla oder BMW i3 namens i-Pedal funktioniert zwar im Flachen, doch wenn’s steil wird, bedarf es des beherzten Bremsens des Fahrers, um nicht zu schnell zu werden.
Von den anderen Rekuperationsstufen, die man beim Ioniq 5 noch zu Auswahl hat, will ich gar nicht reden, denn das dient mehr der Umgewöhnung eines EX-Verbrennerautomatikfahrers auf ein E-Auto neuester Generation und ist in meinen Augen eigentlich nur ein Zugeständnis an die Vergangenheit. Ich weiß, dass ich mir jetzt den Missmut einiger deutscher E-Autofahrer zuziehe, die im Gleiten zur Gewinnung an Reichweite mehr Sinn sehen, als in der reinen Schubrekuperation des One-Pedal-Fahrens. Aber Gleiten ist KEIN Sparen, sondern damit wird nur die Fliehkraft genutzt, die aber beim Bremsen wieder verpufft. Man hat zwar eine Bremsrekuperation, die aber nur so kurz einsetzt und nichts mit Sparen in Form von viel Stromgewinnung bei Geschwindigkeitsreduktion zu tun hat. So viel dazu, aber nun wieder zum alltäglichen Fahren mit einem E-Auto aus Südkorea, das einen viel zu sensiblen und brachial einsetzenden Spurhalteassistenten sein Eigen nennt. Und durch seine gewaltige Spurbreite zur Herausforderung bei schmalen Straßen wird.
Schmerzende Schulter und E-Fuß beim Fahren
Doch nicht nur das – ich bin noch nie aus einem Auto nach einem Test mit schmerzender Schulter und Gasfuß gestiegen. Leichtgängiges Pedal kenne ich anders und die Sicherheitsassistenten bei der Konkurrenz wie z.B. Ford Mustang sind beileibe handzahmer. Doch damit nicht genug, denn dieses Zipperlein beginnt bei jedem Neustart von vorne und wird zum Geduldsspiel. Wieder ein Punkt, der in der Presse nicht oder nur halbherzig erwähnt wird. Da frage ich mich halt schon, wie man einen solch wichtigen Punkt, wie auch den zunehmenden Verbrauch beim kleinen Motor im Gebirge, einfach übersehen kann. Natürlich wird sich das Schluckspechtverhalten bei einer stärkeren Version verbessern, doch sollte man bedenken, dass er dann noch schwerer wird.
Genauso verhält es sich bei den Angaben zu einer grandiosen Anhängerlast von 1600 kg – 400 kg mehr als VW ID.4 und Audi Q4 e-tron, die ja beide auf der neuen MEB Plattform von VW basieren. Klingt sehr vielversprechend, nur was nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass ein Anhänger, der von einem normal CW-optimierten Fahrzeug gezogen wird, den Verbrauch desselben um bis zum doppelten Wert erhöht. Das wäre bei knapp 20kwh/100km ohne sage und schreibe 40 kWh mit Anhänger und da wird es selbst mit dem großen Akku ziemlich eng, um wenigstens 150km weit zu kommen.
Etwas ist uns bei diesem Kurztest noch aufgefallen, was sich nicht ganz nachvollziehen lässt: Die zukünftigen E-Autos haben alle zur Ersparnis eine Wärmepumpe eingebaut. Wie wir in verschiedenen Fahrzeugen festgestellt haben, funktioniert das auch sehr gut und man bemerkt dieses zusätzliche Aggregat fast nicht. Nur warum macht dann die Klimaanlage (Wärmepumpe) beim Hyundai Ioniq 5 bis zu 16% des Verbrauchs aus, wenn sie nicht einmal auf Automatik steht? Das summiert sich natürlich, wenn man alles mal zusammenrechnet und wir kommen dann in Verbrauchswerte, die man eigentlich von weitaus größeren Fahrzeugen gewohnt ist wie Audi e-tron, Tesla Model x oder Mercedes EQC.
Die nächste Frage stellt sich mir dann auch sofort, warum man bei diesem neuen Fahrzeug den eigentlich niedrigen Schwerpunkt, bedingt durch den großen Akku, nicht nutzt und ihn sozusagen auf Stelzen setzt? 20 Zoll große Reifen mit einem nicht adaptiven Fahrwerk (im Gegensatz zum VW ID.4) – da sind Schwankungen im Kurvenbereich vorprogrammiert. In der Stadt bei niedrigen Geschwindigkeiten wird das nicht so auffallen, aber überhängende Kurven im Voralpengebiet oder Serpentinen sollte man lieber langsamer fahren.
Resümee von diesem Kurztest
Der Hype, der um dieses Fahrzeug gemacht wird, ist absolut nicht nachvollziehbar, denn ein Effizienzwunder ist es ganz sicher nicht. Was hilft mir das ganze schnelle Laden, wenn der Verbrauch nicht zeitgemäß ist und man bei der Rekuperation den Verlust nicht wieder reinholt? Sicherlich haben wir im Test nicht jede Finesse gefunden, aber daran hat auch das ziemlich verschachtelte Menü im Display seinen Anteil. Dann wird immer das schnelle Navi gelobt, nur was hilft mir die Geschwindigkeit, wenn ich ins Mäusekino blicke. Zum Glück besteht die Möglichkeit, das Handy anzubinden und Google Maps dürfte das Problem lösen.
Apropos Display, und zwar das vor dem Lenkrad: Es ist zwar sehr lobenswert, dass man dort die wichtigsten Daten in einer sehr ansprechenden Halfpipe-Grafik erfährt, nur sollte man sie auch SEHEN können. Sehr viel wird von dem unten abgeflachten Sportlenkrad so ungünstig abgedeckt, dass man sich ab und zu ziemlich verrenken muss, um etwas erkennen zu können. Ich schätz mal das liegt daran, dass die Südkoreaner kleiner als wir Mitteleuropäer sind und es darauf abgestimmt ist. Lästig ist auch noch der Umstand, wenn man vom Sportmodus in den Normalmodus durchzappen will. Dies geht nur in eine Richtung – auf Sport folgt ECO und das erzeugt einen spürbaren Ruck im Auto, der sicher auf Dauer nicht gut sein kann.
Will man alle Features dieses Fahrzeugs ausnutzen, geschieht das wie in der Verbrennerbranche üblich mit verschiedenen Ausstattungsvarianten, die miteinander verschachtelt sind. So artet dann schnell das Konfigurieren in Arbeit und Mehrkosten aus, weil: „dies bekommst Du nur, wenn Du das und das hast, und dies geht nur, wenn Du die Variante wählst….“ E-Auto-Start-Ups haben daraus gelernt und machen aus umständlich und teuer notwendig und günstig. Aber das ist bei der Verbrennerkonkurrenz nicht anders und sei nur kurz erwähnt.
Hyundai ist aber der einzige Hersteller, den ich kenne, der sogar selbst Anhänger für seine Fahrzeuge anbietet. Das dürfte dem Deutschen wieder gefallen, denn irgendwie ist das Fahrzeug sehr deutsch: Gene vom Taycan, aber auch seinen Durst, Anhängerkupplung mit 1600 kg, sehr geeignet um die Gartenabfälle am Samstag zum Wertstoffhof zu bringen und Platz für den kleinen Wochenendausflug en masse. Nur sparsam ist der Hyundai Ioniq 5 ganz sicher nicht. Und das kann die Konkurrenz viel besser. Auch die aus Wolfsburg.
Markus Gust ist der Autor hinter “Revolluzzer- der etwas andere E-Autoblog”. In seinem aktuellen Artikel lässt er uns an seiner Erfahrung mit dem Hyundai Ioniq 5 teilhaben.