Bei manchen E-Autos stellt man sich beim Fahren die Frage, warum das Ding eigentlich gebaut wurde und man dafür so viel Geld hinlegen soll. Was soll ich jetzt z.B. von einem 80.000 Euro teuren E-Auto eines renommierten deutschen Autoherstellers halten, wenn unsere Tippse im Haus mit ihrem kleinen Zoe doppelt so weit ohne Nachladen kommt und nur ein Viertel vom Kaufpreis des Nobelgeländewagens für ihr Gefährt hingelegt hat. Da hilft mir auch die effizienteste Rekuperation am Markt nichts, wenn der Verbrauch des 2,5-Tonnen-Schiffes so hoch ist, dass nach gut 200 km ganz hektisch die nächste Ladesäule gesucht werden muss. Der aufgeweckte Autoverkäufer kontert sofort mit Ausstattung, Leistung, Allrad, Anhängerkupplung und großem Akku.
Moment – jetzt stellen sich mir doch die Nackenhaare auf. Der renommierte deutsche Hersteller ist Audi und das Fahrzeug ist der neueste e-tron in der BaFa-konformen 50er-Variante mit einem Basispreis von 60.000 Euro. Was “Basis” bei Audi bedeutet, weiß ja inzwischen jeder, denn das Modell gibt es gar nicht wirklich fahrbereit. Der Grundpreis in der offiziellen Preisliste beginnt erst bei 69.100 Euro und beinhaltet echt NUR die Rohausstattung. Wer sich so ein Gefährt leistet, gibt sich aber sicher nicht damit zufrieden – denn wer verzichtet schon gern bei dieser Fahrzeugklasse z.B. auf eine Alarmanlage? Oder den Wagenheber?
Nicht zu vergessen: den Falt-Reservereifen (der ganz ehrlich ziemlich kümmerlich aussieht), Sitzheizung usw… Man muss schon tiefer in die Tasche greifen, um etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen: Ausstattungsvarianten en masse, damit man das “kleine” Grundmodell schnell mal in den sechsstelligen Verkaufspreis bewegt. Wozu? Das entzieht sich meiner Kenntnis als einfachem Model-3-Fahrer – denn worum geht es beim E-Auto eigentlich? Ums Fahren. Und das möglichst lange und so einfach wie möglich.
Wobei wir hier wieder beim Erwähnen der Akkugröße wären, denn das A und O sind und bleiben die kWh, die man zur Verfügung hat und wie man damit umgeht. Das bedarf einer kleinen Erklärung, wie man die “Queen Mary”* der deutschen E-Auto-SUV-Szene so weit bringt, um sie subventionsfähig zu machen. Audi geht den Weg der Reduktion und kappt einfach den großen Akku auf 75 kWh. Denn der Akku macht das Auto teuer, deshalb dieser Schachzug. Wohlgemerkt – in der Basisausstattung. Doch damit nicht genug: Wenn man nämlich das Kleingedruckte bei den Ingolstädtern liest, geht der Sicherheitsgedanke so weit, dass sie effektiv von den 75 kWh nur knapp 80 Prozent für den Kunden freischalten. Schnell ist man so bei gut 60 kWh. Dann kommt der Rekuperationspuffer, den jeder beflissene E-Autofahrer kennt und schwupps sind wir bei knapp 48- 50 kWh real.
Dann wird schnell klar, wie dieser doch alles andere als wenige Verbrauch zustande kommt. 2,5 Tonnen Leergewicht wollen erstmal bewegt werden. Jetzt ist ein Tesla auch nicht leicht, aber wenn diese Yacht namens e-tron mal in Fahrt kommt, dann summiert sich einiges, was nach meiner Meinung eigentlich nicht sein müsste. Was mir bei der Testfahrt sofort auffiel, war die rapide schrumpfende Reichweite beim Einschalten der Klimaanlage und die Paddels zur Rekuperation, die man erst “überreden” muss, damit sie funktionieren. Dann gibt es noch eine sogenannte Automatik der Rekuperation. Wobei mich diese Funktion mehr an eine Verbrenner-Automatik erinnert hat als an das klassische One-Pedal-Fahren. Ganz ehrlich war ich noch nie so oft auf der Bremse bei einem E-Auto wie beim e-tron. Da helfen Dir die 220 kW Generatorleistung auch nichts, wenn die Rekuperation stellenweise nicht vorhanden ist. Schon beim Losfahren wunderte ich mich über den großen Verbrauch des Vorfahrers von 35 kWh auf 100 km.
Audi-typisch wird man auch beim e-tron regelrecht von Bildschirmen und Hebeln erschlagen, die man eigentlich aus der Vergangenheit der Verbrenner kennt. “Vorsprung durch Technik” kann auch nach hinten losgehen, wenn man eindeutig zu viel davon vor sich hat und diese nicht einmal mehr zeitgemäß ist. Die Klimaanlage z.B. bekommt einen extra Bildschirm für Funktionen, die man im digitalen Zeitalter auch per Touchpad auf einem Zentralgerät gut unterbringen könnte. Der Start/Stopp-Knopf ist ebenso ein Relikt aus alter Zeit wie die Betätigung der “Motorhaube” per Plastikhebel mit Seilzug. Audi hat sich bei der Entwicklung des e-tron nicht etwa auf ein komplett neues Fahrzeug eingestellt, sondern im Endeffekt ein Q5-Bestandsmodell aus dem chinesischen Regal genommen (längerer Radstand wegen der Akkus) und den Versuch gestartet, das Auto der E-Mobilität anzupassen.
Dass die Ingolstädter noch nicht soweit sind, sieht man an der Tatsache, dass die Kinderkrankheiten wie Wasser in der Ladebuchse oder die hackende Verriegelung am linken Typ 2 noch nicht behoben sind. Schlecht, wenn man nachts dann sein Kabel abstecken möchte und in solch prekärer Lage feststellen muss, dass auch am Handbuch gespart wurde. Für mich als Tesla-verwöhnten E-Fahrer ein Fauxpas, denn das geht auch anders. Peinlich wird es dann, wenn man den Rückwärtsgang einlegt und ein herrlich aufgelöstes Bild auf einem Phablet-ähnlichen Touchpad erscheint. Man muss schon ganz genau hinschauen, um alles zu erkennen, da dieser e-tron leicht überbreit über alles hinwegrollt. Begeistert war ich dann zumindest von der elektrischen Heckklappe – aber auch nur, bis sie mir aus heiterem Himmel beim Einräumen des üppigen Kofferraums plötzlich entgegen kam. Der Verkäufer meinte nur, ich sei wohl dem Näherungsschalter im Unterboden zu nahe gekommen. Was ich aber nicht ganz nachvollziehen kann, da ich sozusagen “im Kofferraum” lag…
Das macht das Kraut aber auch nicht mehr fett, da ich von den Fahrleistungen dieses Schlachtschiffes mehr als enttäuscht bin. Das Fahrverhalten in den Kurven glich dem eines LKWs mit dem gewissen Spiel in der Lenkung zum Seitenwindausgleich und irgendwie hatte ich immer ein etwas mulmiges Gefühl, mehr Gas zu geben, um ja den Verbrauch im Rahmen zu halten. Wenn ich nur daran denke, auch noch eine Anhängerlast von 1.800 kg auszunutzen, dann wird mir angst und bange, hoffentlich überhaupt 100 km weit zu kommen.
Aber im Frunk stellte ich fest, welche Kundschaft Audi mit diesem Ungetüm im Visier hat oder hatte: Neben einem Typ-2-Kabel und dem obligatorischen Knochen mit Schuko-Adapter fand ich auch noch einen roten Cekon-Stecker! Ergo – für Camper oder Leute, die sich als Heimwerker betätigen und eine Kraftsteckdose in der Garage oder in der Werkstatt ihr Eigen nennen. Hoffentlich hat derjenige eine Photovoltaikanlage am Dach und Speicher im Keller, denn auch wenn der e-tron mit bis zu 150 kW schnell geladen werden kann – alle 200 km Vollladen auf Tour geht ganz schön ins Geld und das sollte man dann wenigstens zuhause beim Übernachtladen sparen.
Ganz ehrlich, Audi hat sich mit dem e-tron ein Eigentor geschossen, denn hätte man die vorhandene Technik und das Know-How der vergangenen Jahre Entwicklung im Verbrennersektor zeitgemäß in einer Neuentwicklung umgesetzt, wären sie echt ein Global Player. Doch so werfen sie ihr Erfolgsmodell Q vom SUV-Verbrennersektor in den gleichen Topf wie I-Pace von Jaguar, Model X von Tesla und den zahlreichen Chinesen, die beileibe für dasselbe oder weniger Geld viel mehr bieten. Nicht immer bedeutet es, wenn man sich auf einem Gebiet einen Namen gemacht hat, dass dies auf einem anderen auch weiter gilt. Mal schauen, wie es sich beim nächsten E-Auto aus Ingolstadt verhält, den das soll ja auf der gleichen Basis wie der Porsche Taycan erscheinen.
Wenn Audi in der Entwicklung von E-Autos genauso viel Engagement zeigen würde, wie sie es uns in der Werbung weismachen wollen und nicht immer auf Erfolge in der Vergangenheit verweisen würden, dann könnte man manchen Fehler verzeihen. Nur Jammern und Ausreden suchen, wie man trotzdem an der alten Technik festhalten kann, damit dreht man sich auch in Bayern im Kreis.
Fazit des E-Tron-Tests: Für 80.000 Euro ein E-Auto als neu zu verkaufen, das absolut keine zeitgemäße Technik beinhaltet, sondern zu viel des Guten und einfach mit Rest-Verbrennertechnik überladen ist, entzieht sich meinem gesunden Menschenverstand. E-Autofahrer, die nicht durch die deutsche Autotechnik-Brille sehen, werden bemerken, dass in diesem Bereich das Ausland schon um die Ecke abgebogen ist, bevor man sich hierzulande erst überlegt, den Blinker zu setzen. Im Ausreden suchen sind wir gut – Hauptsache, sie verkaufen sich gut…
* Wie ich auf “Queen Mary” komme, dürfte sich auch jetzt erklären: Groß, schwer, behäbig, teuer, Komfort pur und jede Kleinigkeit an Bord kostet EXTRA.
Markus Gust ist der Autor hinter “Revolluzzer- der etwas andere E-Autoblog”. In seinem aktuellen Artikel lässt er uns an seiner Erfahrung mit Audis e-tron Quattro 50 teilhaben. Begeistert war er allerdings nicht.