Man erinnert sich kaum noch: Vor gar nicht allzu langer Zeit war Hyundai irgendwas mit preiswert und fünf Jahren Garantie. Doch mittlerweile hat sich das Image grundlegend gewandelt. Beim Design ist den Koreanern der Wandel zu Höherem längst gelungen, auch in Sachen Sportlichkeit stehen sie weit oben – vor allem aber sind sie führend bei technologischer Vielfalt. Hybriden, E-Autos und Wasserstoff – das bietet außer Toyota nur der Konzern in Seoul. Schließlich lautet Hyundai übersetzt: modernes Zeitalter. Da verpflichtet allein schon der Name…
Das Ziel allen Strebens ist klar: Die Marke will wie selbstverständlich mit auf dem Zettel stehen, wenn der Kauf eines Autos ansteht. Auch und ausdrücklich in Konkurrenz zu VW. Mit Erfolg: Der Kona fuhr als erstes SUV im B-Segment mit Strom – nun treibt Hyundai mit dem Ioniq 5 die Spannung auf die Spitze. Denn während die E-Autos dieser Welt – auch Hauptkonkurrent ID.4 – noch mit 400-Volt-Technik unterwegs sind, haben die Koreaner gleich mal verdoppelt. Das ist im Markt der Masse schon eine Ansage. Über 800 Volt verfügen sonst nur Porsche Taycan und Audi RS e-tron GT. Die aber sind locker zwei- bis viermal so teuer.
Selbstverständlich ist die Technik aufwändig, dafür sind die Kabel dünner, besser zu verlegen und bis zu 30 Kilo leichter. Und weil ihnen bei Hyundai auch Performance am Herzen liegt, haben sie sich für permanenterregte Synchronmaschinen entschieden. Natürlich hätte es preiswertere Alternativen gegeben – bei denen Strom das Feld erzeugt und die größer bauen und heißer werden. Aber das wäre halt gekleckert gewesen…
Und selbst die teuren Motoren sind keine normalen. Statt rundem Draht verwenden sie (wie bei Porsche) rechteckiges Kupfer in Haarnadel-Wicklung. Für höheres Drehmoment, bessere Kühlung, einfachere Isolation. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die den großen Unterschied machen.
Der Grund ist ein simpler: Längst wollen sie bei Hyundai mit ihren Autos ins Herz treffen. Und das schlägt bei E-Autos nun mal für große Reichweiten und mehr noch für kurze Ladezeiten. Wenn man in fünf Minuten Strom für 100 Kilometer in die Zellen pressen kann, schwindet die Bedeutung anderer Faktoren. Zugegeben: Man braucht eine ordentliche Schnellladesäule – aber dennoch gehen da selbst notorischen Nörglern langsam die Argumente aus.
Zumal man sich den Ioniq 5 maßschneidern kann. Zur Wahl stehen Akkus mit 58 und 72,6 kWh, Heck- und Allradantrieb – sowie in der Folge ein Spektrum zwischen 170 und 305 PS bei Reichweiten von 360 bis 480 Kilometern (WLTP). Tempo 100 liegen bei Allrad und großem Akku nach 5,2 Sekunden an, bei Heckantrieb mit kleiner Batterie vergehen aber auch bloß 8,5. Rauf geht’s so oder so bis Tempo 185.
Um die Technik herum haben die Koreaner viel glattes Blech gekantet. Hinten mit wuchtiger C-Säule, vorne mit einer Haube, die wie eine Muschel über den Kotflügeln liegt. Das sieht schick aus, verbessert obendrein die Aerodynamik – und kaschiert ein wenig, dass da ein 4,64 Meter langes Gefährt mit drei Metern Radstand daherkommt. Das digitale Cockpit wird beherrscht von zwei 12-Zoll-Displays. Links die Instrumente, rechts das Infotainment. Pfiffig: Wer zwischen den Fahrmodi Eco, Normal und Sport wechselt, kann die zugehörige Reichweite gleichgroß mit der Tempo-Anzeige ablesen. Schade nur, dass man mit Ziffern leben muss – eine Zeiger-Grafik ist nicht programmiert.
Völlig neu ist eine um 14 Zentimeter längs verschiebbare Mittelkonsole. Die gibt notfalls den Fußraum durchgängig frei – falls man zugeparkt rechts einsteigen müsste. Platz ist reichlich, man thront auf gut konturierten Sitzen und kann sich auf Wunsch – etwa bei der Ladepause – samt ausklappbarer Beinauflage gepflegt flachlegen. Dazu lässt sich dann auch das hintere Gestühl 13 Zentimeter heckwärts schieben. Apropos Sitze: Wen bei Leder das Gewissen plagt: Zur Wahl stehen auch Stoffe aus PET-Flaschen – und für den Boden Recycling-Garne aus alten Fischernetzen.
An Laderaum herrscht kein Mangel. Bei voller Bestuhlung stehen bis zu 527 Liter zur Verfügung, mit umgeklappten Rücksitzen knapp 1,6 Kubikmeter. Zusätzlichen Platz bietet ein Fach unter der Motorhaube. Dieser „Frunk“ schluckt bei den Hecktrieblern 57 Liter, bei den Allrad-Modellen reichen die 24 Liter immerhin noch für das Ladekabel.
Eher ungewöhnlich für ein E-Auto: Achtern dürfen beeindruckende 1,6 Tonnen an den Haken. Das sind noch einmal 200 Kilo mehr als beim VW ID.4 GTX. Einzige Voraussetzung ist die große Batterie. Mit kleinem Akku bleibt’s bei 750 Kilo – auch gebremst. Selbstverständlich gilt Buch eins der Batterie-Bibel: Dynamik kostet Distanz. Und Gewicht eben auch. Doch damit man in Sachen Radius keine böse Überraschung erlebt, rechnet der Ioniq 5 auch bei Anhänger-Betrieb die Restreichweite hoch.
Nicht mal mehr lenken und bremsen müsste man, weil Hyundais Jüngster auf Wunsch rundum Obacht gibt, automatisch in der Spur bleibt, das richtige Tempo hält, gebührend Abstand wahrt und – wenn sonst nichts mehr hilft – den Anker wirft. Der Clou der Assistenz ist das optionale Head-up-Display, das schwirrende Pfeile vors Auge wirft. Für ein Auto dieser Klasse ist das großes Kino.
Lenkung und Fahrwerk sind bestens austariert, ohne gleich den Komfort zu schmälern. Immerhin müssen zwei Tonnen und mehr im Lot gehalten werden. Trotzdem schlägt sich der Ioniq 5 auch in schnellem Geschlängel achtbar. Gut gelöst: Beim „i-Pedal-Driving“ verzögert der Wagen tatsächlich bis zum Stillstand. Wäre doch schade um jedes Watt, das nicht rekuperiert wird. Auf Wunsch liefert sogar die Sonne zu. Wie viel genau, hängt vom Wetter ab. Unter südeuropäischen Idealbedingungen, heißt es beim Hersteller, ist das Solardach pro Jahr gut für 1500 Kilometer.
Das alles gibt’s natürlich nicht zum Schnäppchenpreis. Für die Basis-Version ruft Hyundai 41.900 Euro auf, der große Akku kostet 3200 Euro Aufpreis, Allradantrieb 3800 Euro. Der Rest ist weitgehend in Paketen gebündelt. Und das bedeutet nicht immer nur Ersparnis. Wer Sonnenenergie-Dach (1500 Euro) oder Relax-Sitze (1100 Euro) möchte, muss nämlich zusätzlich noch das 11.850 Euro teure Uniq-Paket mit allerlei anderen Annehmlichkeiten ordern. Das ist dann zwar jede Menge Auto – aber eben auch verdammt viel Geld – selbst nach Abzug der Förderung. Allerdings: Wer technisch gleichauf mit Porsche liegen will, darf nun mal keine Krämerseele sein…