VW ID.4 GTX: Der Stark-Stromer – unser Erfahrungsbericht

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Wolfgang Plank
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Wer eine Ikone wie den GTI in der Ahnengalerie hat, tut sich mit schnittigen Kürzeln nicht allzu schwer. Mit GTD haben sie bei VW schon bald sportliche Selbstzünder geadelt, mit GTE rasante Hybriden – und nun also GTX für besonders spannende Abkömmlinge der elektrischen ID.-Familie. Soll heißen: Vernunft ja – aber eben mit ordentlich Spaß. Diese Kombination ist man dem großen Namen auch bei einem Stromer schuldig. Trotzdem: Auch wenn es beim Premieren-Modell ID.4 zutrifft – Offroader oder Allradantrieb soll man aus dem X künftig nicht zwangsweise herauslesen.

Dass der 4,58 Meter lange ID.4 GTX ein wenig wuchtig daherkommt, ist ein bisschen schade – aber halt dem ungebrochenen Wunsch der Welt nach immer noch mehr SUV geschuldet. Der Rest indes hat durchaus das Zeug zur Flottfahrt. Für die offiziellen 299 PS nämlich muss man ansonsten schon die Clubsport-Version des GTI ordern – oder sich bei den hauseigenen Ertüchtigern der R GmbH umsehen. Man darf also durchaus von einem Stark-Stromer sprechen.

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Mit seinen beiden Motoren (204 PS hinten und 109 PS vorne) sprintet das sportliche Topmodell in 6,2 Sekunden auf Tempo 100 und liegt damit trotz 2,1 Tonnen Gewicht gleichauf mit dem Serien-GTI. Die permanent erregte Maschine hinten wiegt inklusive Getriebe und Elektronik nur 90 Kilo, der Asynchron-Motor auf der Vorderachse sogar bloß 60. Und weil dort keine Magneten verbaut sind, fällt der Widerstand bei Heckantrieb sehr gering aus. Allerdings gilt Buch eins der Batterie-Bibel: Dynamik kostet Distanz. Wer auch nur in die Nähe der maximalen Reichweite von 480 Kilometern kommen will, darf dem 77-kWh-Akku nicht ständig Volllast und Tempo 180 abverlangen.

Das besondere Vergnügen beschert der ID.4 ohnehin durch sein Handling. Der Clou: Beide E-Maschinen sind über das Antriebssteuergerät nicht nur eng miteinander vernetzt, sondern auch an die Regelsysteme für Bremsen und Fahrwerk gekoppelt. Ein spezieller Fahrdynamik-Manager koordiniert das komplexe Zusammenspiel von kardanlosem Allradantrieb, Stabilitätskontrolle und Quersperre.

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Spürbar von alledem ist allein das gelungene Ergebnis. Der ID.4 GTX lenkt per gezieltem Bremseingriff einen Hauch dynamischer ein und assistiert hinter dem Kurvenscheitel mit offenem Differenzial und klug verteilter Kraft für maximale Traktion. Dazwischen greift eine Art imaginärer Wankausgleich. Für jedes Rad einzeln reagieren die Dämpfer 200 Mal pro Sekunde auf Veränderung. Das bringt kaum gekannte Ruhe in die zügige Bogenfahrt. Wer ein paar Grad mehr Drehung um die Hochachse schätzt, kann das ESC auf Stellung „Sport“ arretieren – dann hält sich die elektronische Assistenz deutlich länger im Hintergrund.

Nachhaltiger ist selbstverständlich das Gegenteil: möglichst oft Fuß vom Pedal und per Rekuperation Strom gewinnen. Der Grad lässt sich in zwei Stufen wählen, wobei „B“ ordentlich Vortrieb saugt, aber noch ohne Bremslicht auskommt. Gut gelungen ist den VW-Ingenieuren das „Blending“. Jene aus der Destillier-Branche entlehnte Kunst des Mischens – in diesem Fall von mechanischer und elektrischer Verzögerung. Und zwar so, dass das Gefühl im Fuß stets gleich bleibt. Apropos: Hinten sitzen Käfer-getreu Trommeln. Hört sich altmodisch an, bringt aber Vorteile bei Gewicht, Platz – und die Beläge halten ein Autoleben, verspricht VW.

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Mut hatten die Entwickler auch innen. Das Interieur ist zwar ein bisschen plastikhart, dafür aber ebenso futuristisch wie die Bedienung. Gesteuert wird per Lenkrad und Touchscreen, Infos lassen sich scheinbar dreidimensional in den Blick projizieren, und wer mag, kann mit dem ID.4 GTX sprechen. Dass man die Fahrstufen einlegt, als drehe man an der Cockpit-Ecke einen großen Zündschlüssel, erfordert Gewöhnung – dafür kommuniziert der Wagen per LED-Band unter dem Scheibenrand. Lässt Licht in die Abbiegerichtung laufen, leuchtet rot, wenn Bremsen Not täte, zeigt blinkend Anrufe und weitet sich grün mit dem Akku-Stand beim Laden. Ist halt kein gewöhnliches Auto mehr.

Noch etwas beschert die E-Architektur: Platz. Sogar in zweiter Reihe. Für ähnlich viel Freiraum müsste man sonst mindestens Passat fahren. Der Vorteil, wenn die Batterie flach im Boden liegt. Sehr empfehlenswert: Sport-Sitze vom Typ „Abrahams Schoß“ mit guter Schulterführung und integrierten Kopfstützen. Zum optimalen Seitenhalt gibt’s obendrein noch das Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR). Hinterm Gestühl steckt der ID.4 GTX knapp 550 Liter weg, bei flacher Lehne fast 1,6 Kubikmeter.

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Wenn auch das nicht reicht – der ID.4 GTX darf für ein E-Auto stolze 1,4 Tonnen an den elektrisch ausschwenkenden Haken nehmen. Das reicht sogar für einen ordentlichen Wohnwagen oder einen Pferdetransporter. Ein starkes Argument, denn maue oder gar fehlende Anhängelast hält bislang viele Kunden vom Stromer ab. Pfiffig: Die Rückfahrkamera lotst den Kugelkopf beim Rangieren bis unter die Kupplung. Die Kraft des Akkus reicht auch im Gespann-Betrieb dicke für alle Lebenslagen – die Reichweite indes sinkt unter Last rapide.

Zwar sorgen kluge Kreisläufe dafür, dass es Zellen, E-Motor und Elektronik wohltemperiert haben. Doch egal, wie sparsam man surrt und säuselt – irgendwann ist der Akku leer. Am Schnellader saugt der ID.4 GTX in 30 Minuten Gleichstrom für 300 Kilometer Strecke, an der Wallbox dauert die volle Ladung acht bis zwölf Stunden.

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Die Tür zum ID.4 GTX öffnet sich ab 50.415 Euro. Das ist – auch wenn man noch die staatliche Förderung abziehen darf – nicht wenig Geld. Fahrvergnügen aber hatte schon immer seinen Preis. Daran ändert auch ein Akku nichts.

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.

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