Honda hat in der Schweiz in Zusammenarbeit mit Mobility als Carsharing-Betreiber und weiteren Partnern einen großen Praxistest mit bidirektionalen E-Autos durchgeführt. Das Fazit: Die Technik funktioniert und könnte wirtschaftlich betrieben werden. Mit dem Volks-Ja zum Stromgesetz verbessern sich zudem die Rahmenbedingungen in der Schweiz. Aber: Damit Elektroautos künftig im großen Stil das Stromnetz stabilisieren können, braucht es von einer Vielzahl von Stakeholdern, wie Politik, Ladestationsherstellern und Netzbetreibern zusätzliche Anstrengungen.
Die Ära der bidirektionalen E-Autos mit der Nutzung der daraus resultierenden Möglichkeiten steht vor der Tür. Die verschiedenen Funktionen, die mit dieser Technologie einhergehen, finden vermehrt Anwendung und auch im komplexesten Fall, dem Vehicle-To-Grid (V2G) sind bereits Erfolge zu verzeichnen. Das ist die stark vereinfachte Erkenntnis aus dem Pilotprojekt V2X Suisse.
Mit Hilfe von sechs Partnern und der Unterstützung des Bundesamts für Energie wurden 50 bidirektionale Honda e während eineinhalb Jahren als Teil der Mobility Carsharing-Flotte in das Schweizer Stromnetz integriert. Ebenso hat Honda 35 seiner bidirektionalen Ladestationen, den Honda Power Manager, zur Verfügung gestellt. Diese wurden schweizweit an verschiedenen städtischen und vorstädtischen Standorten eingesetzt, um verschiedene Anwendungen von Vehicle-to-Home (V2H) bis Vehicle-to-Grid (V2G) zu realisieren.
Die Elektroautos haben dabei nicht nur Strom bezogen, sondern bei Bedarf auch an angeschlossene Gebäude oder das Stromnetz zurückgegeben. Die Erwartungen an diese Technologie sind groß, da E-Autos in Zukunft mithelfen könnten, das Stromnetz zu stabilisieren. Denn schon wenige Tausend bidirektionale E-Autos können die gleiche Leistung bereitstellen wie ein Pumpspeicherkraftwerk.
Carsharing als komplexester Fall
Mit dem Ende des Projekts ziehen die Verantwortlichen nun ein positives Fazit. Erstens habe das System technisch funktioniert und zweitens habe man beweisen können, dass E-Autos in Sekundenschnelle die vom Netzbetreiber angeforderte Strommenge liefern können. Das V2X-Projekt habe auch gezeigt, dass es möglich ist, viele E-Autos im dezentralen Zusammenschluss zu einem virtuellen Speicher zusammenzunehmen und den Energie-Fluss in Echtzeit zu steuern.
Der Schweizer Carsharing-Anbieter Mobility stellte mit seinen Fahrzeugen und Infrastruktur die perfekte Umgebung für diesen Test bereit. „So konnten wir den wohl komplexesten Anwendungsfall untersuchen – mit E-Autos, die in der ganzen Schweiz bei verschiedenen Stromanbietern platziert sind und jederzeit für geteilte Fahrten zur Verfügung stehen müssen“, erklärt Pascal Barth, Elektroingenieur bei Mobility. Das zeige: „Wenn bidirektionales Laden im Carsharing-Fall geht, sollte es überall machbar sein.“
Wirtschaftliche Herausforderungen und Potenziale: Erkenntnisse aus dem V2X Suisse Projekt
Neben der technischen Machbarkeit untersuchte das Projekt auch, ob sich mit einer bidirektionalen Autoflotte in der Schweiz Geld verdienen lässt. Die Kurzantwort: (noch) nicht. Zuerst müssen die wirtschaftlichen Bedingungen für netzdienliche Dienstleistungen attraktiver werden, so Honda in seiner Mitteilung. Zwar habe V2X Suisse herausgefunden, dass sich bereits heute mit dem Laden und Entladen zum passenden Zeitpunkt Einnahmen generieren lassen – in Höhe von ca. 600 Franken (gut 620 Euro) pro Fahrzeug und Jahr.
Damit konnten allerdings die Kosten in der Testphase nicht gedeckt werden, unter anderem wegen den noch sehr hohen Preisen für bidirektionale Ladestationen, bedingt durch die geringe Produktionsmenge. Hinzu kommt, dass der Markt für bidirektionale Elektroautos noch in einer frühen Entwicklungsphase ist und es noch keine einheitlichen Standards gibt. Deshalb ist die Auswahl an verfügbaren Modellen mit bidirektionaler Lademöglichkeit aktuell relativ klein. Letzteres hat zur Folge, dass heute für die Steuerung einer Flotte Speziallösungen nötig sind, die nicht mit unterschiedlichen Automarken oder Ladestationen kompatibel sind.
„Das Angebot an bidirektional ladenden E-Autos hat sich weniger schnell entwickelt, als erhofft“, sagt V2X-Projektleiter und Branchenkenner Marco Piffaretti. Trotzdem ist er zuversichtlich: „V2X Suisse hat viele positive Reaktionen ausgelöst und der bidirektionalen Technik Aufschwung verliehen. Wir senden ein starkes Zeichen an die Autohersteller, mehr und günstigere dieser Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.“
Wegfall der doppelten Netzgebühr ab 2025
Immerhin eine Rahmenbedingung wird sich bereits ab 2025 deutlich verbessern, da das Schweizer Stimmvolk am 9. Juni das Stromgesetz angenommen hat. Dieses ermöglicht zum Beispiel die Rückerstattung der doppelten Netzgebühren, die bis anhin die Rückspeisung von Strom ins Netz finanziell unattraktiv gemacht haben. Zudem legt das Gesetz die Grundlagen für einen Flexibilitätsmarkt bei den lokalen Verteilnetzbetreibern. Die entsprechenden Verordnungen werden nun durch die Bundesverwaltung erarbeitet. Die Doppelbesteuerung von bidirektionalen Elektroautos soll auch in Deutschland entfallen, entsprechende Gesetze werden derzeit erarbeitet.
Eine Kernessenz des Projekts für Honda ist laut Aussage des Herstellers, dass es zeitnah möglich sein wird, eine dezentrale E-Autoflotte netzdienlich und vor allem wirtschaftlich betreiben zu können. Seitens Mobility erfülle die wirtschaftliche Betrachtung bisher noch nicht die Erwartungen, so dass der Carsharer sich vorerst auf die laufende Elektrifizierung seiner Flotte konzentriert.
„Das V2X Suisse Projekt war für uns eine super Möglichkeit, viel über Entwicklungen und Technologien der Elektromobilität und der Energiemärkte zu lernen“, sagt Mobility-CEO Roland Lötscher. „Die Erkenntnisse nutzen wir, um unsere Elektroflotte künftig intelligenter zu laden. Dies wird sich nicht nur finanziell positiv auswirken, sondern auch die Lebensdauer der Autobatterien verbessern.“ Es sei durchaus denkbar, dass Mobility das Thema bidirektionales Laden in Zukunft wieder aufnehme. „Denn V2X Suisse hat eindrücklich das Potenzial dieser Technologie für die Schweiz und für Flottenbetreiber aufgezeigt.“
Die Sichtweise von Honda ist, dass die Verbreitung von V2G-Technologien in naher Zukunft europaweit umsetzbar ist. Martin Stadie, Department Manager, Honda R&D Europe, sagt: „Intelligentes und netzdienliches Laden als erste Anwendung zur Stabilisierung des Stromnetztes werden kontinuierlich weiter ausgebaut und an Bedeutung gewinnen.“ Ein weiteres Beispiel hierfür ist das Angebot von Honda zur gesteuerten Ladetechnologie e:Progress. Diese ist bereits im europäischen Markt eingeführt und ermöglicht es den teilnehmenden Kunden, die Betriebskosten ihres Elektroautos zu senken und gleichzeitig den Anteil der aus erneuerbaren Quellen gewonnenen Energie zu maximieren.
Weiter betont Stadie, dass die V2G-Technologien fester Bestandteil in der Entwicklung zukünftiger Elektroautos und Energiedienstleistungen seien. Für das bidirektionale Laden sieht Stadie die Anwendung im Rahmen von V2H als nächsten Schritt, da für diese Anwendung Hürden zur Integration niedrig seien. „Im Bereich V2G verfolgen wir aufmerksam die Entwicklung der regulatorischen Rahmenbedingungen des Energiemarktes und der Standardisierung von Lademanagement und -kommunikation, so dass wir auch für den Endkunden als Mehrwert schnellstmöglich anbieten zu können.“
Quelle: Honda Schweiz – Pressemitteilung vom 05.07.2024