Der Beirat der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur hat Anfang der Woche im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) eine Roadmap für die Einführung des bidirektionalen Ladens in Deutschland vorgestellt. Federführende Mitglieder des Beirats sowie Vertreterinnen und Vertretern der Leitstelle übergaben das Papier an Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin und Beauftragte für Ladesäuleninfrastruktur, im BMDV. Das Papier haben etwa 50 Expertinnen und Experten aus der Industrie und von relevanten Stakeholdern gemeinsam unter Federführung von EnBW und VDA erarbeitet.
Um die Energiewende zu beschleunigen, hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag sowie in Maßnahme 47 des Masterplans Ladeinfrastruktur II das Ziel formuliert, bidirektionales Laden flächendeckend einzuführen und diskriminierungsfrei zu ermöglichen. Basierend auf einer Analyse des Status Quo und möglicher Anwendungsfälle wie Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Grid (V2G) enthält das Papier eine Roadmap mit konkreten Handlungsempfehlungen (hier verlinkt als PDF).
Ab 2025 rechnet der Beirat mit ersten marktfähigen V2H-Anwendungen, erste V2G-Anwendungen werden etwas später auf dem Markt erwartet. Ab 2028 kann es der entsprechenden Mitteilung der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur zufolge zu einem Hochlauf von interoperablen und standardisierten Lösungen für V2H und V2G kommen – vorausgesetzt, dass die entsprechenden Standards bis dahin festgelegt sind und die erforderlichen regulatorischen und technischen Weichenstellungen umgesetzt wurden.
Aus technischer Sicht seien Plug & Play-Lösungen das Ziel. Hierfür seien insbesondere Standardisierungen in den Bereichen elektrische Sicherheit, Netzanschluss, digitale Kommunikation sowie Mess- und Steuerungsanwendungen erforderlich. Der Beirat sieht es als notwendig an, die bestehenden Hindernisse und Benachteiligungen im aktuellen rechtlichen Rahmen für die Stromspeicherung und den zurückgespeisten Strom ganzheitlich zu beseitigen. Dies betrifft die Verpflichtung, Entgelte, Abgaben und Umlagen zu zahlen. Der Beirat empfiehlt hier die Schaffung eines übergreifenden Rechtsrahmens.
Beim Thema „Datenverfügbarkeit aus dem Fahrzeug“ fehle es bislang an einer europaweit einheitlichen Regelung, wie Nutzerinnen und Nutzer auf die Daten zugreifen und diese auch Aggregatoren bzw. Dienstleistern zur Verfügung stellen können. Parallel dazu müssen die international gültigen technischen Standards sukzessive weiterentwickelt werden.
„Bidirektionales Laden hilft, die Stromkosten zu senken und macht unser Stromnetz stabiler“
Ausgehend von diesen Ergebnissen werde das BMDV zusammen mit den Partnern inner- und außerhalb der Bundesregierung daran arbeiten, die noch nicht genutzten Potenziale der Elektromobilität für die Bürgerinnen und Bürger wie für das gesamte Energiesystem zu erschließen.
„Bidirektionales Laden wird in Zukunft ein attraktives Zusatzangebot für die Nutzerinnen und Nutzer von Elektroautos sein: Das eigene Auto wird damit zum Stromspeicher – zuerst für den Verbrauch im eigenen Zuhause und in Zukunft auch für die Rückspeisung ins Stromnetz. Das hilft dabei, die Stromkosten zu senken und macht unser Stromnetz gleichzeitig stabiler“, so Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin und Beauftragte für Ladeinfrastruktur im BMDV. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle Potenziale und Chancen nutzen. Die Roadmap des Expertengremiums ist ein guter Startschuss, um das bidirektionale Laden zu einer festen Größe im Energiesystem der Zukunft zu machen.“
„Wir müssen die bestehenden Hürden beseitigen“
Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur und Bereichsleiter bei der NOW GmbH ergänzt: „Das bidirektionale Laden bietet nicht nur den Nutzerinnen und Nutzern zusätzliche Möglichkeiten, sondern trägt auch zur Flexibilisierung des Energieangebots bei. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen und allen zugänglich zu machen, müssen wir die bestehenden Hürden beseitigen. Die Roadmap zeigt den Weg, wie wir in Deutschland bis 2028 marktfähige Lösungen erreichen und diese Vision in die Realität umsetzen können. Wir freuen uns, dass auf dieser Basis die weitere Umsetzung angegangen wird.“
Insbesondere folgende Punkte müssen laut dem Papier von der Bundesregierung zeitnah im Rechtsrahmen angepasst werden:
Die aktuelle Einordnung der Zwischenspeicherung von aus dem Netz entnommenen Kilowattstunden hinsichtlich der Pflicht zur Zahlung von Netzentgelten, Abgaben und Umlagen als „Letztverbrauch“ benachteiligt die Stromspeicherung systematisch, da der zwischengespeicherte Strom sowohl im Rahmen der Zwischenspeicherung als auch bei dem eigentlichen Letztverbrauch – und damit doppelt – mit Stromnebenkosten belastet wird.
Um eine solche Doppelbelastung zu vermeiden, dürfen bei der Stromspeicherung keine Netzentgelte, Abgaben und Umlagen anfallen, so das Expertengremium. Dies stelle auch keine Bevorzugung dar, da lediglich eine Doppelbelastung vermieden werde. Alle Netzentgelte, Abgaben und Umlagen sollen schließlich beim finalen Letztverbrauch entrichtet werden.
Zwischengespeicherter „grüner“ Strom müsse seine ausgewiesene Eigenschaft beibehalten und weiterhin als Grünstrom nach dem EEG gefördert und vermarktet werden dürfen, auch wenn dieser in einem Speicher zwischengespeichert wird, in dem sich auch Graustrom aus dem Netz befindet. Das speicherbezogene Ausschließlichkeitsprinzip sei daher anzupassen. Grundsätzlich sei für das bidirektionale Laden ein pragmatisches und umsetzbares Messkonzept erforderlich, das die Abgrenzung von zwischengespeicherten Grau- und Grünstrom- Mengen sowie der ins öffentliche Stromnetz rückgespeisten Strommengen erlaube.
Damit die Nutzerin oder der Nutzer auf die für das bidirektionale Laden notwendigen Daten aus dem Fahrzeug zugreifen bzw. diese an Dritte für weitere Dienstleistungen übertragen kann, sei die Umsetzung und Neufassung der relevanten europäischen Regelwerke unverzichtbar. Die europäischen Anforderungen zu den für das bidirektionale Laden notwendigen Energie- und Leistungsdaten aus dem Fahrzeug (z.B. nutzbare Energiemenge, Lade- und Entladeleistung), etwa in Art. 20a, Absatz 3 aus der RED III, müssen daher in nationales Recht umgesetzt werden. Grundsätzlich sei dabei darauf zu achten, dass der Datenzugriff automatisiert und standardisiert geschehen sollte.
Quelle: Bundesministerium für Digitales und Verkehr – Pressemitteilung vom 11.03.2024