Fiat frischt den E-Ducato auf und spendiert dem Transporter mit 110 Kilowattstunden eine zeitgemäße Batteriegröße und mit 200 kW / 272 PS deutlich mehr Kraft als bisher. Wir sind ihn für euch Probe gefahren.
Die Zeiten, in denen Nutzfahrzeuge karge Transportvehikel waren, sind schon lange vorbei. Heutzutage sind die Fahrer eines Fiat E-Ducato oder eines Renault Master E-Tech nicht mehr nur bloße Erfüllungsgehilfen, die sich im staubigen Blaumann hinter das Steuer schwingen, sondern oft Kleinunternehmer, Handwerker und Logistiker in Personalunion. Deswegen mutiert der Innenraum der Fahrzeuge zunehmend zu einem mobilen Büro. Auch im E-Ducato geht es auf Wunsch ziemlich nobel zu. Jede Menge Klavierlack ziert die Applikationen und einige Knöpfe.
Vermutlich wird der E-Ducato für den harten Alltagseinsatz mit etwas mehr Hartplastik ausgestattet. Schließlich kostet jedes Extra Geld. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich beim italienischen Elektrotransporter einiges getan hat. Das betrifft vor allem den Antriebsstrang. Statt mit nur 90 kW / 122 PS treibt der Elektromotor jetzt mit 200 kW / 272 PS und einem Drehmoment von 410 Newtonmetern die Vorderräder an. Damit dem E-Lastesel nicht vorzeitig die Luft ausgeht, steigt die Batteriekapazität auf 110 Kilowattstunden und dadurch die Reichweite auf maximal 424 Kilometer (nach dem WLTP-Zyklus). Bei unserer L4H2-Version sind es 376 Kilometer. Diese Änderungen kommen nicht von ungefähr. Denn sowohl die Akkus als auch der Antriebsstrang (bisher von Solar Edge) stammen vom chinesischen Unternehmen CATL.
Wie bei den anderen Transportern sind auch im E-Ducato das Cockpit und das Fahrgefühl dem eines Pkw immer ähnlicher. Serienmäßig sind unter anderem die Fernbedienung über Lenkradtasten, ein sieben Zoll großes Display hinter dem Lenkrad, ein zehn Zoll großer Touchscreen, ein DAB-Radio und eine Klimaautomatik. Beim Italo-Laststromer unterstützen zudem ein Spurassistent, ein adaptiver Tempomat oder auch ein Rückspiegel, der das Bild einer Kamera wiedergibt, den Fahrer.
Die Verkehrskennzeichenerkennung funktioniert allerdings nicht fehlerfrei. Die elektronische Stabilitätskontrolle hat sich bei modernen Nutzfahrzeugen zu einem Multitalent gemausert. Sie umfasst die Anhängerstabilitätskontrolle, den Seitenwindassistenten, die Überschlagsvermeidung, die Antischlupfregelung, die Berganfahrhilfe und die adaptive Lastkontrolle, die die Lagerung der Ladung berücksichtigt. Sinnvoll ist das Post-Collision-Braking, bei dem der Transporter nach einem schweren Unfall automatisch gebremst wird, auch wenn der Fahrer dazu nicht mehr in der Lage ist. Diese Technik verhindert, dass der Ducato führerlos wie ein tonnenschweres Geschoss durch die Gegend rast.
Wir legen los und fühlen uns in dem 6,36 Meter langen und 2835 Kilogramm schweren Schiff gleich heimisch. Ein Blick auf die Instrumententafel beruhigt uns: Bei einer vollgeladenen Batterie und einer Außentemperatur von 16 Grad beträgt die Reichweite 408 Kilometer. Die gesteigerte Antriebspower lässt den E-Ductato trotz 400 Kilogramm Zuladung fast schon leichtfüßig vorankommen. Platz ist genug: In den 4,07 Meter langen Laderaum der L4H2-Variante passen 15 Kubikmeter, was 15.000 Litern entspricht. Reicht das nicht aus, zieht der E-Ducato zusätzlich einen 2,4 Tonnen schweren Anhänger.
Selbst im Eco-Fahrprogramm, bei dem die Motorleistung auf 120 kW / 163 PS und die Höchstgeschwindigkeit auf 90 km/h beschränkt sind, ist der Fiat stark genug für die Stadt und Landstraßen. Wir sind meistens mit Normal und der Leistung von 160 kW / 218 PS unterwegs. Nur wenn man es wirklich eilig hat, sollte man mit Power-Einstellung die volle Leistung abrufen.
Wie bei modernen Elektromobilen üblich, kann man per Wippen, die sich direkt hinter dem Lenkrad befinden, die Stärke der Rekuperation in vier Stufen definieren: von Segeln bis zur Stufe drei. Links (minus) erhöht die Stärke und rechts (plus) verringert diese. Wobei die maximale Energierückgewinnung spürbar verzögert, sobald man vom Gas geht. Wir entscheiden uns für das Segeln, das energetisch am sinnvollsten ist, da man ja beim Bremsen ohnehin rekuperiert. Nach unserer Testfahrt, bei der wir nie die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erreicht haben, meldet der Bordcomputer 34,8 kWh / 100 km, das sind 5,4 kWh / 100 km mehr als im Datenblatt angegeben.
Beim Stromtanken bietet der E-Ducato handelsübliches. Da in der Logistikbranche jeder Cent zählt, reicht ein AC-11-kW-Onboardlader aus, um die 110-kWh-Akkus über Nacht im Depot wieder vollständig zu füllen. Meistens genügt eine Batterieladung, da der E-Ducato im Verteilerverkehr eingesetzt wird.
Soll es dennoch mal schnell gehen, saugt der Stromer-Transporter an einer DC-Schnellladesäule mit bis zu 150 kW Strom. So sind die Energiespeicher von null Prozent auf 80 Prozent in 55 Minuten gefüllt. Gerade lange genug, um sich während der Mittagspause zwei Leberkäsesemmeln und ein Kaltgetränk zu gönnen. Die kann man übrigens auch im E-Ducato verzehren. Neben zahlreichen Ablagen bietet der Italo-Transporter auch einen kleinen Tisch für den Beifahrer.