Immer mehr chinesische Automobilhersteller versuchen ihr Glück in Europa – vor allem mit Elektroautos, in zunehmendem Maße aber auch mit Verbrennern. Jochen Siebert, Gründer von JSC Automotive mit Sitz in Shanghai und Stuttgart, gibt laut eines Berichts der Automobilwoche derzeit nur einem dieser chinesischen Hersteller in Europa eine Chance. Viele andere würden den Markt hier zumindest aktuell noch nicht verstehen und somit nicht für sich nutzen können, ist er überzeugt. Dies werde seiner Einschätzung nach auch die kommenden drei bis fünf Jahre so bleiben.
Seine Ausnahme der Betrachtung lässt sich für jeden leicht an den deutschen Zulassungszahlen für 2024 ablesen. Während Great Wall Motor und BYD in Deutschland im vergangenen Jahr immerhin jeweils etwa 3000 Autos absetzten, schafften mit Xpeng, Leapmotor und Nio drei weitere Hersteller nur dreistellige Verkaufszahlen, weitere Hersteller mussten sich gar mit einem zweistelligem Absatz zufriedengeben. Einzig SAIC mit seiner Marke MG Motor ragt da heraus, knapp 21.000 Autos wurden im vergangenen Jahr allein in Deutschland an den Kunden gebracht, in Europa verkaufte SAIC etwa 250.000 Autos.
Nur SAIC behauptet sich bislang
„SAIC ist der einzige chinesische Hersteller, der nennenswerte Stückzahlen in Europa verkauft. Ich gehe davon aus, dass sich der Absatz in den nächsten fünf Jahren auf 500.000 bis 600.000 Fahrzeuge nahezu verdoppelt“, sagte Siebert. Wenn Europas Hersteller Angst vor chinesischen Herstellern haben sollten, dann allenfalls vor SAIC, lautet seine Einschätzung. Er stellt fest, dass bislang nur SAIC sich an die Gegebenheiten in Europa wirklich angepasst habe. „SAIC ist unter den chinesischen Herstellern die einzige Ausnahme: Sie haben sich Zeit genommen, in Europa Fuß zu fassen“, zitiert ihn die Automobilwoche. Dafür hätten sie jeden Markt einzeln analysiert und die Strategie entsprechend angepasst.
Als die EU die Strafzölle beschlossen hat, habe MG Motor zudem als erstes reagiert und vermehrt Verbrenner in Europa angeboten, die nicht unter die Regelung fallen. Siebert stellt fest, dass SAIC sich genau die jeweiligen Marktführer anschaue und dann ähnliche Angebote auf den Markt werfe, diese aber für einen zehn Prozent geringeren Preis. „SAIC hat in Europa dann ein Problem, wenn die heimischen Hersteller wieder beginnen, bezahlbare Autos zu bauen“, sagte der Experte. Doch das zeichne sich aus seiner Sicht für die kommenden Jahre nicht ab.
Zudem könne ein chinesischer Hersteller nur dann in Europa erfolgreich sein, wenn das Europa-Geschäft auch hier gesteuert werden würde, ist sich der China-Experte sicher. Doch dem Beispiel von MG Motor folgten andere Hersteller nicht. Elektroauto-Riese BYD sei zudem hinsichtlich der Behandlung von Vertriebspartnern unangenehm aufgefallen. Insgesamt rechnet er mit einer Konsolidierung des chinesischen Automarktes in näherer Zukunft. Aufgrund des hohen Preisdrucks seien die Margen für die Hersteller zusammengeschrumpft und die Branche sanierungsbedürftig. Siebert erwartet: „Die Implosion der chinesischen Automobilindustrie kommt in den nächsten fünf Jahren“.
Quelle: Automobilwoche – Experte: Chinesische Hersteller haben in Europa keine Chance – mit einer Ausnahme