Ferraris reiner Stromer „Elettrica“ soll ab 2026 Maßstäbe setzen

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Ferrari/ BeHonest | Ferraris Chefproduktentwickler Gianmaria Fulgenzi (li.) in Maranello vor Chassis und Antriebstechnik des künftigen „Elettrica“ im Interview mit EAN-Reporter Henning Krogh

Henning Krogh
Henning Krogh
  —  Lesedauer 6 min

Der Sportwagenhersteller Ferrari hat weltweit mit Spannung erwartete Details rund um seinen ersten Vollstromer preisgegeben. Bei ihrem noch mit dem Arbeitstitel „Elettrica“ benannten Viertürer folgen die Italiener einer dreiteiligen Dramaturgie: Nach der jüngst erfolgten Präsentation von Chassis und zentralen Antriebskomponenten wird im ersten Quartal 2026 das Interieur des E-Ferrari enthüllt. Die Weltpremiere des gesamten Fahrzeugs, das mindestens vier Sitzplätze bieten wird, ist für Mitte kommenden Jahres vorgesehen.

Beim Auftakt-Event am Ferrari-Stammsitz in Maranello konnte Elektroauto-News mit maßgeblichen Entscheidungsträgern des Traditionsunternehmens sprechen und technische Einzelheiten des Elettrica-Konzepts ausgiebig inspizieren. Auch den abschließenden „Capital Markets Day“ für Automotive-Analysten und Vertreter institutioneller Investoren nutzte die Redaktion für vertiefende Recherchen.

Verfechter der Elektromobilität auf vier Rädern dürften folgende Technik-Daten vorrangig interessieren: Die Maximalspannung des Ferrari Elettrica beträgt 880 Volt, das Maximum der Ladeleistung 350 kW. An Vorder- und Hinterachse kommen jeweils zwei unabhängige Elektromotoren zum Einsatz. Die Traktionsbatterie mit 210 Zellen – verteilt auf 15 Module zumeist tief im Fahrzeugboden sowie unter der Rückbank – hat eine Gesamtkapazität von 122 kWh. Zwar strebt Ferrari seit jeher wie auch bei seinem künftigen E-Auto nach möglichst umfassender Wertschöpfung im eigenen Haus. Bei der Batteriechemie der ansonsten komplett von Ferrari selbst entwickelten und in Eigenregie produzierten Akku-Einheit aber setzt man strategisch auf den südkoreanischen Lithium-Ionen-Spezialisten SK als Schlüssel-Zulieferer.

Ferrari | Blick auf die Batterie des ersten Ferrari Elektroautos

Fahrleistungsorientierte Ferraristi wiederum werden ganz andere Angaben mit gesteigerter Aufmerksamkeit registrieren. Für den Spurt aus dem Stand bis Tempo hundert soll der Elettrica lediglich 2,5 Sekunden benötigen – und damit sogar etwas weniger Zeit als etwa der aktuelle Ferrari 12 Cilindri und der frühere Supersportwagen La Ferrari. Als Höchstgeschwindigkeit des reinen Stromers mit dem tänzelnden Pferd im Wappen gibt der Hersteller 310 km/ h an. Im sogenannten Boost-Modus steht laut Datenblatt eine Leistung von mehr als 736 kW zur Verfügung, also umgerechnet über 1000 PS. Wer Letztere häufig abruft, dürfte die offizielle Reichweite von 530 Kilometern mit einer Akkuladung allerdings kaum erreichen können.

John Elkann über Märkte, Nachfrage und Strategie

Am Rande des „Capital Markets Day“ hatte Elektroauto-News Gelegenheit zum gedanklichen Austausch mit John Elkann. Der Enkel des legendären Fiat-Patriarchen Giovanni („Gianni“) Agnelli (1921 – 2003) sitzt den Aufsichtsräten des Mehrmarkenkonzerns Stellantis sowie von Ferrari vor und ist CEO der Familienholding Exor, des größten Ferrari-Anteilseigners.

Hinsichtlich der Elektromobilität insgesamt sagte Elkann, dass auf bedeutsamen Automärkten derzeit eine gegenüber früheren Prognosen verringerte Nachfrage zu verzeichnen ist. Darauf reagiert auch Ferrari: Mit Blick auf 2030 ging das Topmanagement in groben Schätzungen noch vor wenigen Jahren von einer Verteilung des eigenen Sportwagenabsatzes zu je 40 Prozent auf Hybride und reine Stromer sowie zu lediglich 20 Prozent auf herkömmliche Verbrenner (Internal Combustion Engine, ICE) aus.

Ferrari | Blick in die Fertigungshalle von Ferrari

Inzwischen laufen die Erwartungen auf nur noch 20 Prozent für Vollstromer von Ferrari hinaus sowie auf je 40 Prozent für hybridisierte Fahrzeuge und Modelle mit konventioneller ICE-Technik. Unmittelbar nach Bekanntgabe dieser revidierten Sichtweise gab die Börsennotierung der Ferrari-Aktien signifikant nach, erholte sich jedoch im weiteren Verlauf des Handels wieder.

Auf die Frage von Elektroauto-News zur Bedeutung von vergleichsweise erschwinglichen E-Mobilen für Stellantis betonte Elkann: „Solche Angebote für die Kunden sind von außerordentlich hoher Bedeutung, daran habe ich keinerlei Zweifel“. In der Pkw-Branche gelten Vollstromer in der Preisklasse von leicht unter 20.000 bis rund 25.000 als unverzichtbar für das weitere Ausrollen der Stromfahrt bis tief in breite Bevölkerungskreise.

Preisgeheimnis und Premium-Positionierung rund um den Elettrica

Ferrari und Elkann halten die Preisstellung des Elettrica noch strikt unter Verschluss. Offiziell zitieren lässt sich Elkann mit dem Statement: „Mit dem neuen Ferrari Elettrica bekräftigen wir einmal mehr unseren Willen zum Fortschritt, indem wir die Disziplin Technologie, kreatives Design und meisterliche Fertigungskunst vereinen“. Just diese Mischung lässt sich das Cavallino-Rampante-Luxuslabel üblicherweise teuer bezahlen. Das Gros der unter Branchenbeobachtern über den Elettrica zirkulierenden Grundpreisgerüchte kreist denn auch um Beträge im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich.

Ferrari-CEO Benedetto Vigna hob bei der Vorstellung erster E-Ferrari-Eckdaten immer wieder die internationale Sonderstellung seines Arbeitgebers hervor. „Ferraris einzigartige Positionierung liegt an der Schnittstelle von Tradition, Technologie und Rennsport“. Beim Shakehands mit Elektroauto-News bekräftigte Vigna: „Das Warten auf den Elettrica wird sich lohnen, das kann ich Ihnen fest versprechen“.

Für diese selbstbewusste Zusage lieferte Ferraris Produktentwicklungschef Gianmaria Fulgenzi im ausführlichen Interview mit Elektroauto-News eine Reihe konkreter Gründe. So erläuterte der Chefingenieur, dass sich Ferrari bewusst gegen ein künstlich erzeugtes Klangbild des Elettrica oder gar die digitale Imitation eines bekannten Verbrenner-Sounds entschieden hat. Stattdessen nimmt ein an der Hinterachse verbauter Hochpräzisionssensor, den Ferrari auf „Accelerometer“ getauft hat, die verschiedenen Antriebsstrangfrequenzen auf, verstärkt diese – und gibt die jeweilige Sensorssymphonie in und um das Fahrzeug weiter.

Ferrari/ BeHonest | Ferrari-Ingenieure Federico Cardile (li.) und Tomas Pedraza Castro (re.) mit EAN-Autor Henning Krogh an „Elettrica“-Hilfsrahmen nebst Komponenten der Hinterachse.

Freunde von „Lenkradpaddeln“ werden auf diese im Elettrica keineswegs verzichten müssen. Zum sogenannten Torque Shift Engagement – zu Deutsch etwa: Drehmomentschaltung – ließ man in Maranello unter anderem wissen: „Die Ferrari-Ingenieure haben fünf Leistungs- und Drehmomentstufen definiert, die sequenziell über die rechte Schaltwippe ausgewählt werden können, um über einen großen Geschwindigkeitsbereich zunehmend stärker zu beschleunigen. Das sofortige Ansprechen der Elektromotoren ermöglicht dabei sanfte Übergänge zwischen den Stufen, sodass der sonst unvermeidbare Abfall des Drehmoments hier praktisch nicht wahrnehmbar ist“.

So könne „der Pilot die resultierende Beschleunigung ungestört genießen und das Gefühl scheinbar unablässiger Schubkraft auskosten“. Und weiter: „Beim Bremsen hingegen kann mit der linken Wippe eine zunehmend stärkere Motorbremswirkung nachgeahmt werden, die speziell kalibriert ist, um ein noch spannungsreicheres Fahrerlebnis zu bieten“.

Ferrari Elettrica soll auch für Familien von Interesse sein

Neben sportlich orientierten und zugleich an Nachhaltigkeit interessierten Fahrern will Ferrari mit dem Elettrica aber auch potenzielle Kundenkreise erschließen, in denen genügend Platz im Auto für die Familie oder mehrere Freunde zählt. Auch deshalb kommt in der neuen Baureihe der erste separate Hilfsrahmen in der Historie des Unternehmens zum Einsatz. „Die elastische Aufhängung des Rahmens“, erklärte dessen Mit-Entwickler Federico Cardile im Gespräch mit Elektroauto-News, „senkt einerseits im Innenraum spürbar Vibrationen und Geräusche, andererseits zahlt er ein auf die enorme Fahrdynamik des Elettrica und die hohe Steifigkeit“.

Die Ausnahmestellung des Elettrica innerhalb der Elektroautoszene untermauern soll auch das „Toggling“, übersetzbar mit Wechseln oder auch Umschalten. Ferrari beschreibt es als „spezielle Strategie für die Hinterachse, bei der der Wechselrichter regelmäßig zwischen Ein- und Standby-Zustand umgeschaltet wird, sodass er in den optimalen Betriebszuständen arbeitet und so die Gesamteffizienz verbessert. Und dies, ohne seine Fähigkeit zu beeinträchtigen, die vom Fahrer empfangene Drehmomentanforderung zu erfüllen“.

Kein Wunder mithin, dass das Toggling dem Anbieter Ferrari nach eigenen Angaben als „eine der wichtigsten innovativen Lösungen“ überhaupt gilt. Und kein Zweifel: Mit dem Elettrica will Ferrari die Grenzen des technisch Machbaren weiter verschieben. Ganz im Sinne des Gründers Enzo Anselmo Ferrari (1898 – 1988): „Der wichtigste Erfolg“, hat „Il Commendatore“ einst streng konstatiert, „ist jener, der kommen muss“.

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Henning Krogh

Henning Krogh

Henning Krogh ist Wirtschaftsjournalist und beschäftigt sich vor allem mit der Mobilitätsindustrie. Der gebürtige Hamburger war jeweils viele Jahre Redakteur bei „manager magazin“ und „Automobilwoche“. Jetzt, als Freier Autor, schreibt er unter anderem für „Business Insider“.

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