E-Kleinwagen als Türöffner für chinesische Hersteller

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Wuling / GM

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 4 min

Immer mehr etablierte Autohersteller verabschieden sich aus dem Kleinwagen-Segment, da man dort wenig Geld verdienen kann. Im Zeitalter der Elektromobilität nutzen chinesische Autobauer ihren Standortvorteil, um in Europa und vor allem in Deutschland Fuß zu fassen.

Im Automobilbau gilt seit jeher ein ehernes Gesetz. Viel Geld verdient man mit Premiumfahrzeugen und großen Autos. Nicht umsonst gelten Porsche und Audi traditionell als Margenpolierer des VW-Konzerns. Mercedes schiebt konsequenterweise die A-Klasse aus den Schauräumen der Händler und will jetzt als Luxusmarke Geld verdienen. Auf den ersten Blick scheint sich diese Strategie auszuzahlen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat der schwäbische Autobauer 37,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, was einem satten Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Im heimischen Ländle setzt es Kritik an dieser Louis-Vuitton-Hermes-Strategie des Sternen-Chefs Ola Källenius. „Ich halte diese Strategie für einen Fehler, das wird auch zu Akzeptanzproblemen führen, wenn man nur noch für Reiche und Superreiche Autos baut“, rüffelt der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90 – Die Grünen) im Interview mit der „Heilbronner Stimme“ den Mercedes-CEO. Die Zahlen sind eindeutig. Zwischen den Jahren 2019 und 2022 ist der Durchschnittspreis eines Mercedes von 51.000 auf rund 73.000 Euro gestiegen. Geld, das nicht jeder in der Tasche hat.

Gerade für dicht besiedelte Metropolen mit Parkplatznot sind riesige Kutschen nicht wirklich geeignet, und bezahlbare kleine Elektroautos sind wichtig, sollen zukünftige Mobilitätskonzepte aufgehen und der Individualverkehr nicht vollends kollabieren. Das Schlüsselwort in dieser Vorgabe ist „bezahlbar“. VW peilt mit dem ID.2, der 2025 erscheinen soll, einen Preis unterhalb von 25.000 Euro an. Schon diese Marke gilt als ambitioniert. Der Kostentreiber ist die Batterie. Dazu kommt, dass ein VW auch ein Wertigkeitsversprechen einlösen muss. In der Führungsetage des Wolfsburger Konzerns spürt man immer noch die verbalen Backpfeifen, die es als Reaktion auf das wenig charmante, hartplastiklastige Interieur des ID.3 setzte, das letztendlich ein Zugeständnis an das Geschäftsmodell war. Auch Renault nimmt den Fehdehandschuh auf und wirft mit dem R5 einen Kleinwagen-Stromer im Retro-Stil auf den Markt.

Der chinesische Tiger macht sich bereit zum Sprung

Das ändert aber nichts an der normativen Kraft des Faktischen, die durch die heutigen Budget-Modelle Substanz erhält. Ein Dacia Sandero ist ab 11.300 Euro zu haben. Von diesem Angebot sind die Pläne der deutschen Hersteller weit entfernt. Die Frage lautet daher: Sind elektrische Kleinwagen das Einfallstor für chinesische Hersteller, um im anspruchsvollen deutschen Markt Fuß zu fassen und die hiesigen Anbieter zu verdrängen. Der chinesische Tiger macht sich bereit zum Sprung in das Herz des alten Kontinents. „Kleinwagen unterhalb des MG4 Electric könnte gut zur Marke MG Motor passen“, sagt Jan Oehmicke, Vizepräsident D-A-CH-Region, MG Motor Europe.

Ob die Attacke gelingt, ist vom Preis und der Anmutung beziehungsweise der Qualität der Kleinwagen abhängig. Auch im Reich der Mitte gelten die Gesetze der Betriebswirtschaft. Vor ein paar Wochen auf der Shanghai Motor Show standen elektrische Kleinwagen im Scheinwerferlicht, die sich beim ersten Eindruck nicht hinter einem Dacia Spring zu verstecken brauchen. Wie schaut es mit dem Preis aus? Autos wie der BYD Seagull (kostet rund 10.400 Euro), der Wuling Bin Guo EV (von dem Joint Venture SAIC-GM, ab 8000 Euro) oder der schon länger erhältliche Ora R1 (rund 8900 Euro) sind eine echte Kampfansage. Und bleiben das selbst dann, wenn man die Importkosten sowie die Steuern aufschlägt.

Im Kleinwagenmarkt brechen also für die deutschen Hersteller schwere Zeiten an. Zumal die chinesischen Autobauer schon von Haus aus gewohnt sind, mit harten Preisbandagen zu kämpfen. „In der Volksrepublik ist der Bedarf bei der Einstiegsmobilität jedoch seit jeher noch größer als im Westen. Kein großer Hersteller mag auf das volumenstarke Segment verzichten. Auch ist der chinesische Automarkt durchaus kompetitiv“, erklärt Peter Fintl von der Unternehmensberatung Capgemini. Die harten Bedingungen zu Hause machen BYD, GWM & Co. fit für den Wettbewerb in Europa. „Die Player dort haben gelernt, schlank zu entwickeln und kosteneffizient zu produzieren. Natürlich helfen günstige Lohnkosten dabei. Aber ohne optimierte Fertigungsprozesse und kosteneffiziente Technologien und Materialien bleibt man auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Chinas Autobauer besitzen mittlerweile substanzielle Expertise im Bereich der Skalierung über alle Segmente hinweg“, erklärt Peter Fintl.

Auch bei den Energiespeichern rüsten sich die asiatischen Autobauer für den Preiskampf. Der chinesische Batteriehersteller CATL hat Akkus, die auf Natrium-Ionen-Zellen basieren, zur Serienreife gebracht und beliefert bereits den Hersteller Chery. Die Batterien bieten nach Peter Fintls Einschätzung ein großes Potenzial, nicht nur die Batteriekosten vom heutigen Niveau von durchschnittlich 150 US-Dollar pro Kilowattstunde um rund 40 Prozent auf rund 90 US-Dollar zu senken, sondern auch die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen dramatisch zu reduzieren. Allerdings werden auch die westlichen Autobauer von diesen Entwicklungen profitieren, sodass weiterhin auch andere Rahmenbedingen entscheidend sein werden.

Unter anderem die Lohnkosten. Auch wenn sie in China steigen, ist dieser betriebswirtschaftliche Faktor nach wie vor deutlich geringer als in Deutschland. Deswegen will VW den ID.2 und seine günstigen Schwestermodelle auch in Spanien bauen, um wenigstens einigermaßen konkurrenzfähig zu sein. Doch der Kampf um die Marktanteile wird unerbittlich sein und vermutlich werden die Kampfpreise eher bei 20.000 Euro und darunter liegen. Dann mit Batterien, die nur gut 300 Kilometer Reichweite ermöglichen, denn größere kosten natürlich mehr.

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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adson:

Von den Rostproblemen habe ich gehört, auf den Bildern zu dieser Problematik konnte ich zwar keinen Rost entdecken, aber eine klassische Korrosionsschutzbehandlung wird es ja wohl unter 1K geben.

Daniel W.:

Die deutschen Autohersteller sehe ich nacheinander „den Bach runter gehen“ – so wie einst die großen deutschen Fernsehhersteller mit ihren teueren Markengeräten, siehe

Grundig, Telefunken und jetzt Loewe: Von den TV-Herstellern «made in Germany» bleibt fast nichts übrig

Deutschland gilt als die Wiege der Television. Die Branche hatte einmal 100’000 Mitarbeiter. Doch asiatische Anbieter haben längst die Nase vorn. Nun hat es auch den Premium-Anbieter Loewe erwischt.

Doch über die Jahrzehnte schmolz der technologische Vorsprung dahin. Der Wechsel vom Röhrenfernseher zum Flachbildschirm Ende der 1990er Jahre setzte den bereits arg geschrumpften Firmen weiter zu. Die Asiaten hatten den deutschen Herstellern längst den Schneid abgekauft.

(Quelle: nzz.ch – 01.07.2019)

Für mich wäre das nicht weiter tragisch, da wir in Zukunft eh viel mehr Platz in unseren Städten für die Menschen, die Radfahrer und das Stadtgrün brauchen. Dabei stören die vielen Blechkisten, egal wo man sie hinstellt und sei es an den Stadtrand auf riesigen Parkplätzen.

Überall mangelt es an Fachkräften für die Energiewende, also Autowerke dichtmachen und wir bekämen einige hundertausend Fachkräfte, die sich nach kurzen Umschulungen im Heizungskeller und auf dem Dach nützlich machen könnten.

Stichwort „Umschulungen“ und meine eigene Berufserfahrung.

Ich selber habe mit „Learning by doing“ vor 39 Jahren ohne Ausbildung als Werkzeugschleifer in einer kleinen Firma angefangen und schon nach einigen Wochen oder Monaten genauso wie der Chef die Präzionssonderwerkzeuge nach Zeichnungen der Kunden geschliffen.

Meine damalige Tätigkeit als Beruf heute, siehe

Präzisionswerkzeugmechaniker der Fachrichtung Zerspanwerkzeuge …

+ richten Werkzeugmaschinen und Messgeräte ein und programmieren sie

+ bedienen die Anlagen zum Schleifen und Nachbereiten von Zerspanwerkzeugen und steuern den Produktionsprozess

+ halten Zerspanwerkzeuge instand und schärfen sie

+ warten Betriebsmittel

+ führen Prüfverfahren zur Qualitätssicherung durch

(Quelle: bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Berufsbilder/praezisionswerkzeugmechaniker.html)

Seit 15 Jahren arbeite ich nicht mehr in der Firma, 24 Jahre waren auch lang genug. Ich muss nicht bis zum Umfallen arbeiten, auch wenn einige Politiker das gerne hätten, um die Arbeitgeber mit niederigen Rentenversicherungsbeiträgen zu entlasten – für mehr Profite.

Ich versteh gut, wenn die Franzosen gegen eine Heraufsetzung des Rentenalters protestieren, denn ich könnte schon in Rente sein, wenn die deutsche Regierung des Rentenalter nicht einfach um 4 Jahre nach oben gesetzt hätte. Und wenn man sich die Situation in Krankenhäusern und Pflegeheimen anschaut, dann grenzt das fast schon an Sklaverei.

Zurück zu E-Kleinwagen.

Ich möchte China gerne aus der EU heraushalten, die Energie- und Verkehrswende müssen wir in der EU alleine schaffen, sonst sind wir ganz und gar verloren, denn Chinas Machthaber liefert uns keine günstigen E-Autos ohne einen sehr hohen politischen Preis zu fordern.

Marc:

Naja, aber bei MG gehen die Verkäufe auch nicht unbedingt durch die Decke.

Spiritogre:

Exakt, kapieren die meisten „China-Autos werden uns überrollen“-Schreier nur nicht. Entweder die kosten genauso viel wie unsere Autos bei maximal ähnlicher Qualität oder sie sind wie MG extrem billige Rostkisten.

Die chinesische Invasion wird lange auf sich warten lassen. Auch die Koreaner von Hyundai haben Jahrzehnte gebraucht um sich einen guten Ruf hierzulande zu erarbeiten. Das müssen die Chinesen auch erst einmal. Nur zu den Preisen die die aufrufen werden sie sich selbst im Keim ersticken.

Spiritogre:

MG ist aber billigste Verarbeitung und Materialen und jetzt kommen nach nur ein bis zwei Jahren auch schon viele Meldungen zu Rostproblemen.
Die postiven Tests kamen nur aufgrund des günstigen Preises zustande.

Die qualitativ besseren chinesischen Fahrzeuge wiederum rufen auch locker VW Preise oder gar mehr auf.

Jakob Sperling:

Das ist nicht so klar.
Ich würde sagen, faktisch schon.
Eine Regierung in D, unter der ein Arbeiter sich kein Auto leisten kann, wird nicht mehr lange regieren.

Marc:

Ich finde Autos zu billig. Es gibt kein Grundrecht auf ein eigenes Auto.

Marc:

Wann kommt denn der BYD Seagull? Und was wird er kosten?

Eines ist klar: In China kostet er 10.400€ mit 30 kWh Akku. Der Renault K-ZE kostet in China 8.900€. Der wird hier als Dacia Spring ab 23.000€ verkauft, dann kann der Seagull nicht unter 26.000€ kosten.

Aber BYD kann sich keinen so großen Preisabstand zum Atto 3 leisten. Also werden sie eher 29.000€ aufrufen. Der BYD Atto 3 ist nämlich schon lange zu haben – für ab 42.000€. Da stehen die Kunden nicht gerade Schlange.

Die chinesische Invasion fällt aus.

Fritz:

Die Autos kosten einfach nur so viel weil der Staat einfach den Hals mit steuern nicht voll genug bekommt,und das alles nur weil Deutschland meint geldpolitisch den Ton angeben zu müssen, darf das Volk wieder leiden. Es ist doch immer das selbe.nur in diesem Fall wird Deutschland bald auch nichts mehr machen. Können weil die Leute einfach nicht das Geld haben für luxus. also was passiert die Autos kommen dann aus Europa unter niedrig löhnen Volkswagen will keiner mehr haben und wird bald auch durch falscher Politik nicht mehr so geben. Weil die alle nicht von ihren Margen abrücken wollen.je höher die Zinsbelastungen werden desto teurer wird alles.teufelskreislauf. bezüglich der Qualität und Technik ist diese baugleich der europäer und sogar schon wesentlich erweitert fürs gleiche geld.und könnten noch mehr die Chinesen es ist nur der Spagat zwischen Wirtschaft und Wirtschaftskrieg der den Preis ausmacht.

Volker:

Warum es noch nicht so viel chinesische Autos bei uns gibt?
Ganz einfach , ihr eigener Markt ist gewaltig groß.
Auch wenn sie hier keine Autos verkaufen tut es den europäischen Herstellern trotzdem weh.
Die Autos sind gut und deutlich günstiger als europäische und verkaufen sich prächtig, zu lasten der europäischen Hersteller.
Sieht man ja sehr gut an den Verkaufszahlen in China.
Ohne großzügig Rabatte werden die ihre Autos nicht los.

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