Ein Jahr nach Einführung der EU-Sonderabgaben auf chinesische Elektroautos zeigt sich ein Markt, der sich anders entwickelt hat als erwartet. Statt europäische Marken spürbar zu entlasten, haben die Maßnahmen die Präsenz chinesischer Hersteller in Europa nicht gebremst. Die Verkaufszahlen stiegen deutlich, auch weil Unternehmen wie BYD, MG oder Chery ihre Strategie rasch anpassten und stärker auf Mischantriebe sowie konventionelle Modelle setzten. Marktanalysen verweisen darauf, dass der Absatz chinesischer Marken in der EU, dem Vereinigten Königreich und den EFTA-Staaten bis Jahresende voraussichtlich über 700.000 Autos liegt. Ein Jahr zuvor waren es 408.000 Einheiten.
Die Einführung zusätzlicher Zölle von bis zu 35 Prozent im November 2024 hatte zunächst zu Verunsicherung geführt, was das geringe Wachstum chinesischer Elektroautos im Jahr 2024 erklärt. Dennoch fanden die Hersteller schnell Wege, die Folgen abzufedern. Philippe Houchois, Managing Director bei Jefferies in London, formulierte rückblickend, die Entscheidung der EU, eine bestimmte Technologie ins Visier zu nehmen, sei „unglücklich“ gewesen. Seine Einschätzung verweist darauf, dass die Sonderabgaben zwar batterieelektrische Modelle verteuerten, aber Raum für andere Antriebsarten ließen. Zwei Drittel der chinesischen Modelle, die bis Oktober dieses Jahres in Europa verkauft wurden, unterlagen lediglich dem regulären Importzoll von zehn Prozent.
Viele Unternehmen reagierten auf die neue Lage, indem sie den Exportanteil von Hybridmodellen ausweiteten und dadurch höhere Zölle umgingen. Parallel sank der Anteil reiner Elektroautos an den chinesischen Verkäufen in Europa zwischen Januar und Oktober auf 34 Prozent. Im Jahr zuvor lag dieser Wert noch bei 44 Prozent. Die strukturellen Kostenunterschiede zwischen den Regionen spielen dabei eine zentrale Rolle. Nach Einschätzung von Houchois können chinesische Hersteller aufgrund effizienter Fertigungsprozesse selbst die höheren Abgaben bei Elektroautos teilweise verkraften, da sie in Europa höhere Margen erzielen als auf ihrem Heimatmarkt.
Warum trotz großer Ankündigungen kaum Werke in Europa entstehen
Die Frage, ob die EU-Tarife chinesische Unternehmen dazu bewegen könnten, Produktionsstätten in Europa aufzubauen, ist bislang nicht eindeutig beantwortet. Trotz Ankündigungen von BYD, Chery und anderen Herstellern wurden in diesem Jahr weniger als 20.000 Autos chinesischer Marken in Europa montiert. Branchenstimmen führen dies auf niedrige Auslastungsquoten im chinesischen Heimatmarkt zurück. Viele Unternehmen verfügen dort über erhebliche Überkapazitäten und sind darauf angewiesen, Exportmärkte zu erschließen, anstatt zusätzliche Werke im Ausland zu errichten. Ein Industriekenner, der anonym bleiben wollte, erläuterte, dass nur wenige chinesische Hersteller derzeit profitabel arbeiten und die internationale Expansion deshalb gezielt gesteuert werde.
Die vorhandene europäische Produktion konzentriert sich auf einzelne Projekte. Chery fertigt gemeinsam mit lokalen Partnern rund 10.000 Autos aus vormontierten Bausätzen in einem spanischen Werk. Xpeng und GAC lassen Modelle bei Magna Steyr in Österreich montieren, während Leapmotor über Stellantis kurzfristig einen Anlauf in Polen gestartet hatte, diesen jedoch wegen unzureichender lokaler Wertschöpfung wieder stoppte. Einige Marken planen dennoch weitere Schritte: BYD arbeitet an einem zweiten Werk in der Türkei, Great Wall Motor sucht Standorte für seine erste europäische Fabrik, und Hongqi prüft Optionen für eine künftige Produktion im Raum Europa.
Ob sich diese Pläne rasch konkretisieren, bleibt offen. Houchois geht davon aus, dass sich die Lage ohne grundlegende Änderungen der europäischen Rahmenbedingungen kaum verändert. Erst deutlich höhere Anforderungen an lokale Inhalte könnten chinesische Hersteller zu konsequenter Produktion in Europa veranlassen. Bis dahin dürften Exporte weiterhin die zentrale Rolle für chinesische Marken spielen – getragen von Wettbewerbsvorteilen in den Kostenstrukturen und einer starken Position in unterschiedlichen Antriebssegmenten.
Quelle: Automotive News Europe – EU tariffs on Chinese EVs to protect European automakers may have had the opposite effect







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