Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge hat EU-Kommissionsvizepräsident Stéphane Séjourné, verantwortlich für die Industriepolitik der EU, den Autoherstellern ein Entgegenkommen bei den CO2-Flottengrenzwerten signalisiert, sollten sie nicht ausreichend Elektroautos verkaufen können, um ihre Ziele einzuhalten: „Wir prüfen momentan mehrere Optionen, um eine schnelle Lösung ohne eine zwingende Einbeziehung von Europaparlament und Ministerrat zu ermöglichen“, sagte Séjourné demnach in einem Gespräch, an dem neben der FAZ auch die Financial Times und Le Monde beteiligt waren. Die konkreten Vorschläge, wie den Herstellern Strafen für das Reißen ihrer CO2-Limits erspart bleiben können, sollen wie geplant in der kommenden Woche, am 5. März, vorgelegt werden.
Séjourné zufolge bleibe die EU-Kommission bei ihrem Standpunkt, am Ende fossil betriebener Verbrenner ab 2035 – das so nicht korrekt bezeichnete „Verbrennerverbot“ – festzuhalten. Ein Verbot von Verbrennern, soviel zur Erklärung, enthält die Verordnung gar nicht, anders als von manch lauten Stimmen behauptet: Zum einen, weil Bestandsfahrzeuge weiter gefahren werden dürfen, zum anderen, weil die Verordnung eine Ausnahme enthält für mit E-Fuels betriebene Verbrenner.
Eine wichtige Forderung aus der Automobilindustrie greift die EU jedoch auf; die eigentlich erst für 2026 geplante Überprüfung der Flottengrenzwerte soll auf dieses Jahr vorgezogen werden. „Dann haben wir nicht erst 2027, sondern im kommenden Jahr Ergebnisse“, so Séjourné. Zu dem Paket, das die EU kommende Woche vorstellen will, gehören laut FAZ auch Maßnahmen für einen Bürokratieabbau und niedrigere Energiepreise. An den grundsätzlichen Zielen des Green Deal soll festgehalten werden.
„Wir reden hier von Notfallmaßnahmen, um unsere Industrie zu entlasten und EU-Regeln an die Realität anzupassen“, so der Kommissionsvize weiter. „Wir drehen nichts zurück, wir vollziehen keine 180-Grad-Wende“, betonte Séjourné demnach. Die Gesetze hätten „schlicht den Realitätscheck nicht bestanden“, was bei ihrer Verabschiedung nicht absehbar gewesen sei.
Das Maßnahmenpaket soll dem Bericht der FAZ zufolge auch Förderungen enthalten, die europäische Produkte bevorzugen und mit Subventionen unterstützen. 100 Milliarden Euro sollen dafür für vorgesehen sein, allerdings nicht nur für die Autoindustrie, sondern etwa auch die Schwer-, Stahl- und Chemieindustrie. „Was wir vorlegen, ist nicht weniger als ein neues Geschäftsmodell für die Industrie“, kündigte Séjourné demnach an, „Sektor für Sektor“ sollen konkrete Vorschläge vorgelegt werden.
Einen kleinen Seitenhieb auf den designierten neuen Bundeskanzler Friedrich Merz von der CDU geb es in dem Gespräch demnach auch. Das Thema, eine gemeinsame Industriepolitik zu entwickeln, „kam im Wahlkampf viel zu kurz.“
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung – Brüssel will Autoindustrie CO2-Strafen ersparen