Absatz von Elektrofahrzeugen steigt weltweit deutlich – Deutschland schwächelt

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Die Zahl der weltweit verkauften Elektrofahrzeuge (reine Elektroautos und Plug-in-Hybride) steigt weiter, aber nicht mehr so schnell: Nach einer Verdoppelung im Jahr 2022 gab es 2023 nur noch ein Plus von 33 Prozent. Der Anteil der E-Fahrzeuge an den weltweiten Neuzulassungen wächst damit aber weiter – von 14 Prozent im Jahr 2022 auf 20 Prozent 2023.

Einige etablierte Märkte erlebten allerdings Rückschritte, darunter Deutschland, wenn auch auf hohem Niveau: Hier sank der Anteil der E-Fahrzeuge an den Neuzulassungen von 37 auf 26 Prozent. Negativen Einfluss auf die Absatzzahlen haben weltweit unter anderem hohe Stromkosten und die Inflation.

Auch die Kürzung staatlicher Kaufzuschüsse bremst, denn viele Länder verlagern ihre Förderungen weg vom Fahrzeugkauf hin zur Ladeinfrastruktur. So ist die weltweite Zahl der Ladepunkte 2023 mit einem Plus von 65 Prozent stark gewachsen, gleichzeitig stieg der Anteil der Schnelllader deutlich, vor allem in Deutschland und Frankreich. Auch wenn diese Zunahme nicht in allen Ländern Schritt hielt mit der wachsenden Zahl von E-Fahrzeugen, sagen insgesamt über 81 Prozent der Verbraucher, dass das Laden in den vergangenen sechs Monaten einfacher geworden sei.

Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommt der Roland Berger EV Charging Index 2024 auf Basis von umfangreichen Brancheninterviews sowie einer Umfrage unter 16.000 Teilnehmern aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika sowie dem Nahen Osten.

Die Situation der Elektromobilität stellt sich weltweit sehr unterschiedlich dar“, sagt Stefan Riederle, Partner bei Roland Berger. „Reife Märkte wie Deutschland reduzieren finanzielle Kaufanreize oder streichen sie komplett, während weniger reife Märkte, zum Beispiel in Südeuropa, den Ausbau der Infrastruktur und den Verkauf von E-Fahrzeugen mit Förderungen vorantreiben“. Auch bei den Automobilherstellern seien die Strategien unterschiedlich, so Riederle weiter: „Einige Hersteller setzen auf neue rein elektrische Plattformen, während andere wieder zu Plug-in-Hybriden zurückkehren. Generell bremsend auf die Branche wirken die schleppenden Fortschritte in Richtung Kostenparität zwischen Verbrennern und Elektrofahrzeugen.“

China erneut Vorreiter bei der E-Mobilität

Der Roland Berger EV Charging Index bewertet den Status der betrachteten Länder in Bezug auf die Ladeinfrastruktur für Elektroautos sowie die allgemeine Kundenzufriedenheit beim Thema Elektromobilität. Wie in den Vorjahren führt China auch das aktuelle Ranking mit deutlichem Punktevorsprung an: Zwar hat das Land seine Gesamtwertung mit nach wie vor 82 Punkten nicht verbessert, doch es verzeichnet weiterhin ein starkes Wachstum beim Absatz von E-Fahrzeugen und beim Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Deutschland und die USA folgen punktgleich mit 70 Punkten auf Platz 2 im Ranking, danach folgen die Niederlande und Frankreich mit 69 Punkten. Alle fünf führenden Länder mussten demnach eine Stagnation oder sogar Punktabschläge gegenüber dem Vorjahres-Index hinnehmen. Dieser Trend zeigt sich in den meisten etablierten Märkten. Dagegen erlebten die aufstrebenden Märkte im Nahen Osten und in Südostasien ein schnelles Wachstum beim Absatz von Elektrofahrzeugen, wodurch sich ihr Abstand zu den führenden Elektromobilitäts-Nationen verringert.

Deutschland verlor Punkte unter anderem, weil der Anteil der E-Fahrzeuge an den Neuzulassungen von 37 auf 26 Prozent sank, konnte seinen zweiten Platz im Ranking aber dennoch verteidigen. Vor allem der Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt hierzulande gut voran: 2023 wuchs die Gesamtzahl der Ladepunkte um rund 44 Prozent, die Zahl der Schnelllader sogar um rund 70 Prozent. Die Infrastruktur wächst somit deutlich schneller als die Zahl der E-Fahrzeuge.

Dennoch bleibt für das Erreichen der von der Bundesregierung avisierten einen Million Ladepunkten bis 2030 noch einiges zu tun. Dazu kommt, dass die Versorgung nach wie vor regional sehr unterschiedlich ist.

Hersteller engagieren sich bei Ladeinfrastruktur, um Absatz von E-Fahrzeugen zu fördern

Auch weltweit ist die Zahl der Ladepunkte 2023 mit einem Plus von 65 Prozent deutlich gewachsen. „Der Markt für das Laden von E-Fahrzeugen entwickelt sich dynamisch“, sagt Riederle. „Sowohl in etablierten als auch in sich entwickelnden Regionen engagieren sich mehr und mehr Unternehmen und testen neue Geschäftsmodelle sowie Technologien.“

Neben Energieversorgern und -händlern seien auch die Autohersteller weltweit verstärkt in diesem Bereich aktiv, entweder mit eigenen Angeboten oder durch Kooperationen mit anderen Betreibern. „Ohne Ladeinfrastruktur verkaufen sich Elektroautos schlecht, daher ist dieses Engagement für die Hersteller ein Mittel zur Absatzsteigerung, vor allem auch in weniger entwickelten Märkten.“

Quelle: Roland Berger – Pressemitteilung vom 11.07.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Michael Neißendorfer:

Hier wären einige weitere Infos zu finden, Norwegen ist auch dabei: https://www.rolandberger.com/de/Insights/Publications/EV-Ladeindex-2024-Fokussierung-auf-Infrastruktur-bremst-Wachstum-des-EV-Sektors.html

pionierska:

Das stimmt, aber das Verhältnis von Norwegern zu Deutschen ist ähnlich dem von Deutschen zu Chinesen, und beide wurden im Indexverfahren bewertet. Und trotz hohem EV Bestand in Norwegen wäre doch interessant zu sehen, wie es weiter zunimmt oder stagniert. Zumindest als Benchmark.

Meine Kritik richtet sich natürlich an Roland Berger sollten die es nicht mit betrachtet haben.

Michael Neißendorfer:

Der Markt in Norwegen ist a) angesichts von fünf Millionen Einwohnern vernachlässigbar klein und b) schon sehr gesättigt, spielt für diesen Überblicksartikel also eine nur untergeordnete Rolle. Bei Interesse zu News an Norwegen gerne unsere Suche bemühen, da findet sich sicher so einiges. Schöne Grüße, Michael

pionierska:

Ich vermisse beim Ranking das europäische Musterland Norwegen.
Oder wird das gar nicht mehr betrachtet, weil sich die Zahlen in einem anderen, höheren „Band“ bewegen?

Spiritogre:

Nein, ich rede mir nur nicht alles schön sondern beachte Praktikabilität und Preis.

Rene:

Nachdem ich Deine Zeilen gelesen habe und Du negativ konditioniert bist, für alles was mit EL zu tun hat und kein positiver Beitrag dadurch zustande kommt, denke ich Du bist in einem Verbrenner Forum besser aufgehoben. Danke.

Spiritogre:

Und gleichzeitig werden in China im Schnitt alle zwei Wochen ein neues Kohlekraftwerk eröffnet und über 50 neue Atomkraftwerke stehen auf dem Plan.

Mal ein wenig die Relationen beachten bitte! China hat mehr Einwohner als Nordamerika und Europa zusammen. Das sie im Verhältnis dann nur so wenig machen empfinde ich eher als peinlich, auch wenn es noch so gewaltig im direkten Vergleich zu Deutschland klingt. Aber wie man merkt lassen sie die Leute gerne blenden.

Spiritogre:

Ja, sowas wie Aygo oder Zoe ist für uns nicht praktikabel, zu klein und auf der Autobahn der Wackelhorror. Von der Größe her wäre so ab Tesla Model 3 bis Model S das was uns vorschwebt, eher Model S. Aber da gibt es nur ID.7 und Ioniq 6 die halbwegs bezahlbar sind und die sind nicht lange genug am Markt, dass man sie gebraucht für bis maximal 30k bekommt. Und beide haben auch so ihre Macken.

PhiGo:

Da hast du dann leider eine ungünstige Kombination von Möglichkeiten und Anforderungen.

Weil die Hersteller durch die fehlende Akzeptanz und Kompromisslosigkeit der Verbraucher, sich auf Laden anstatt Tanken umzustellen bzw. anzupassen, gezwungen werden, immer schnelleres Laden zu implemetieren, wird es Abstriche in der Haltbarkeit der Akkus geben.

– Die Wahrscheinlichkeit degenerierter bzw. vorgeschädigter Akkus wird bei zukünftigen Gebrauchtfahrzeugen höher.
– Die Entwicklung geeigneter Zellchemie braucht Zeit, Alterungssimulationen sind nur eingeschränkt beschleunigt durchzuführen.
– Höhere Ladeströme benötigen z. Zt. größere Akkus und sind damit momentan noch mit hohen Material-/Beschaffungskosten verbunden.
– Der Ausbau einer ausreichenden urbanen Lade-Infrastruktur braucht Geld, ggf. Netzanpassungen und Zeit.

Ich habe mich 2017 bewusst für Elektromobilität entschieden, obwohl es anfangs auf die gleichen jährlichen Kosten bei deutlich reduziertem Aktionsradius hinauslief. (Toyota Aygo gegen Renault Zoe R240)

Andreas:

Alle Zahlen sind Anteile am Gesamtmarkt, sie sind also relativ und nicht absolut. Deshalb sind die Zahlen aus China sehr wohl beeindruckend. China baut auch gerade/3 der weltweiten Zubaurate an erneuerbaren Energien auf. Und in dem Land werden mehr Wärmepumpen als in Deutschland jährlich installiert – auch relativ – je 1000 Haushalte, absolut sowieso.

Und das Verniedlichen des Absatzes in anderen Ländern ändert nichts an der Tatsache, dass die absolute Zahl der Elektroautos weltweit auch 2024 steigt.

Erneuerbare Energien, Elektroautos und Wärmepumpen funktionieren nämlich weltweit, nur in Deutschland nicht.

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