Volvo-CEO warnt vor Aufweichen des Verbrenner-Verbots

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Volvo

Sebastian Henßler
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  —  Lesedauer 4 min

Håkan Samuelsson ist zurück. Drei Jahre nach seinem Rückzug in den Ruhestand wurde der langjährige CEO von Volvo im März 2025 wieder an die Spitze des schwedischen Autoherstellers berufen. Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärt Samuelsson, warum er diese Entscheidung ohne Zögern getroffen hat, was sich in der Branche seit seinem Abschied verändert hat – und weshalb Volvo trotz schwieriger Marktbedingungen an der Elektrifizierung festhält.

„Ich habe keine fünf Sekunden überlegt“, sagt Samuelsson über den Anruf von Li Shufu, dem Gründer des chinesischen Volvo-Mehrheitseigners Geely und Vorsitzenden des Aufsichtsrats. Er habe gar keine Zeit gehabt, das Rentnerleben zu vermissen. „Man wird absorbiert von all den Dingen, die es zu tun gibt.“ Und es gibt viel zu tun. Denn nicht nur Volvo befindet sich in einer Phase des Umbruchs, sondern die gesamte Branche: Lieferketten unter Druck, Absatzschwankungen, geopolitische Spannungen – und ein Strukturwandel hin zum Elektroantrieb, der langsamer voranschreitet als von vielen erhofft.

Elektrostrategie bleibt bestehen – aber mit mehr Realismus

Samuelsson, der Volvo bereits von 2012 bis 2022 geführt hatte, stellt klar: „Ich sehe keinen Grund, unsere Unternehmensstrategie zu ändern.“ Volvo wolle weiter auf das Elektroauto setzen – auch wenn sich die Marktdynamik verändert habe. Der Absatz von Elektroautos wachse, während der Verkauf von Verbrennern in Europa sinke. Gerade deshalb sei es falsch, von einer Krise der Elektromobilität zu sprechen. „Unser Marktanteil bei E-Autos ist doppelt so hoch wie der bei Verbrennerfahrzeugen. Das Elektroauto macht Volvo nicht schwächer, sondern stärker.“

Dass die Marke ihre Ankündigung, ab 2030 nur noch vollelektrische Autos zu verkaufen, womöglich nicht punktgenau erfüllen wird, wertet Samuelsson nicht als Strategieänderung: „Es geht nur ums Timing.“ In der Übergangszeit brauche es länger als gedacht Plug-in-Hybride – also Autos mit Elektro- und Verbrennungsmotor. Dennoch soll 2030 der Anteil von Autos mit Ladekabel bei über 90 Prozent liegen. In Ländern wie Deutschland oder den Niederlanden sei Volvo dort schon heute auf gutem Weg.

Gleichzeitig verteidigt Samuelsson die Investitionen der vergangenen Jahre. Wer jetzt an der Elektromobilität zweifle, schade sich langfristig selbst. Auch das von der EU geplante Verbrennerverbot ab 2035 hält er für notwendig: „Ich warne davor, davon abzurücken.“ Nur mit einem klaren Enddatum ließen sich Investitionen und Marktentwicklung in die richtige Richtung lenken. Für Modelle mit echtem elektrischen Langstreckenbetrieb könne er sich Ausnahmen vorstellen, nicht aber für den fossilen Rückfall: „Wir dürfen uns nicht an den Verbrennungsmotor klammern.“

China, Geely und die Frage nach der Marke Volvo

Ein weiteres zentrales Thema in Samuelssons zweiter Amtszeit: das Verhältnis zu China. Der Wettbewerb dort sei „ein Problem“ für alle ausländischen Hersteller. „Die einheimischen Elektroautohersteller sind dort sehr stark“, sagt er. Um in diesem Markt bestehen zu können, müsse Volvo die eigenen Modelle besser an chinesische Kundenwünsche anpassen und stärker vor Ort entwickeln. Dabei hilft der chinesische Eigentümer Geely – etwa durch gemeinsame Plattformen.

Diese technische Zusammenarbeit sei keine neue Abhängigkeit, betont Samuelsson. Vielmehr ermögliche sie wettbewerbsfähige Modelle wie das kompakte Elektro-SUV EX30, das auf einer Geely-Plattform basiert und inzwischen auch in Belgien gebaut wird. „Chinesische Technik macht Volvo besser. Wir sind ein kleiner Hersteller und können von den Größenvorteilen, die Geely hat, profitieren.“

Gleichzeitig betont er die Eigenständigkeit: Volvo bleibe ein europäisches Unternehmen mit Sitz in Göteborg und Börsennotierung in Stockholm. Auch größere Modelle würden weiterhin in Schweden entwickelt. Dass Volvo deshalb zu einem „China-Derivat“ werde, weist er zurück: „Früher, als wir zu Ford gehörten, haben wir deren Technik viel stärker genutzt.“

Ein sensibles Thema bleibt die Batteriefertigung. Nach der Insolvenz des schwedischen Start-ups Northvolt, mit dem Volvo ursprünglich eine gemeinsame Zellfabrik in Göteborg betreiben wollte, übernimmt Volvo das Projekt nun allein. „Wir suchen einen Technologiepartner, der es uns ermöglicht, an unserem Plan festzuhalten“, sagt Samuelsson. Auch Geely könnte dabei helfen – aber auch andere asiatische Hersteller kämen in Frage.

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen will Volvo wachsen. 2026 soll ein neues Werk für Elektroautos in der Slowakei eröffnen. Gleichzeitig plant das Unternehmen den Abbau von rund 3000 Stellen in der Verwaltung – etwa fünf Prozent der Belegschaft. „In diesen Bereichen sind wir zu schnell gewachsen“, sagt Samuelsson.

Dass sein Vorgänger Jim Rowan die engere technische Kooperation mit Geely kritisch gesehen habe, lässt Samuelsson nicht gelten. Es sei nicht nur wichtig, offen für Kooperationen zu sein – man müsse sie auch konsequent umsetzen. „Und es gibt Bereiche, in denen es sehr schwierig sein wird, gemeinsame Technik zu nutzen“, etwa bei Software und Chips, wo regulatorische Hürden eine Rolle spielten.

Sein eigenes Comeback versteht Samuelsson nicht als Bruch, sondern als Korrektur. Volvo solle stabilisiert und auf Kurs gehalten werden – ohne die Ausrichtung in Frage zu stellen. „Wir haben viel investiert. Und wir glauben weiter an die Zukunft des Elektroautos.“

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) – „Chinesische Technik macht Volvo besser“

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Sebastian Henßler

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Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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