Die Northvolt Muttergesellschaft, Northvolt AB, ist insolvent und hat in den USA einen Antrag auf Restrukturierung nach Chapter 11 gestellt. Diese freiwillige Maßnahme, auch als Gläubigerschutz bekannt, soll dem Unternehmen dabei helfen, seine beträchtlichen Schulden umzustrukturieren, das Geschäft auf Basis der aktuellen Kundenbedürfnisse anzupassen und eine Wachstumsperspektive zu schaffen, so Northvolt in einer aktuellen Mitteilung.
Auch der Zugang zu neuen Finanzierungsquellen werde auf diese Art ermöglicht: 100 Millionen US-Dollar (gut 96 Millionen Euro) werden Northvolt von einem Kundenunternehmen, dem Lkw-Hersteller Scania, im Rahmen einer sogenannten DIP-Finanzierung (Debtor-in-possession) für den Geschäftsbetrieb zur Verfügung gestellt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Art der Brückenfinanzierung für Unternehmen, die sich in einem Chapter 11-Verfahren in der Restrukturierung befinden. Darüber hinaus erhält Northvolt von Kreditgebern Zugang zu weiteren etwa 145 Millionen US-Dollar (139 Millionen Euro; sogenanntes Cash Collateral).
Zudem verkündete Northvolt-CEO Peter Carlsson einen Tag nach Bekanntwerden der Insolvenz seinen Rücktritt. Er bleibe aber im Aufsichtsrat des Unternehmens und fungiere als führender Berater, teilte das schwedische Unternehmen mit. Die Suche nach einem neuen Vorstandschef laufe bereits. Die Umorganisation soll innerhalb des ersten Quartals 2025 abgeschlossen sein.
Northvolt verfügt Gerichtsunterlagen zufolge derzeit nur noch über flüssige Mittel von 30 Millionen Dollar – was den Angaben nach für nur noch eine Woche reicht. Zugleich liege der Schuldenberg bei 5,8 Milliarden Dollar. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten mit seinen Geldgebern über weitere Investitionen verhandelt, allerdings ohne Erfolg.
Das Verfahren nach Chapter 11 ist eine Regelung im US-amerikanischen Recht, die es Unternehmen ermöglicht, ihre Strukturen und Finanzen unter gerichtlicher Aufsicht neu zu ordnen. Dabei kann das Unternehmen einen Plan für nachhaltiges Wachstum entwickeln, häufig in enger Abstimmung mit seinen Partnern. Ziel ist es, das Unternehmen widerstandsfähiger zu machen und langfristig profitabel fortzuführen, während die laufenden Geschäftstätigkeiten erhalten bleiben. Der operative Betrieb in Schweden, etwa im Batteriezellwerk Northvolt Ett in Skellefteå, sei somit nicht betroffen, wie der Batteriehersteller betont.
„Das Bauvorhaben bei Heide ist und bleibt ein strategischer Grundpfeiler von Northvolt“
Northvolt Germany, die Tochtergesellschaft von Northvolt AB mit Projekten in Deutschland, wird demnach unabhängig von der Muttergesellschaft finanziert. Sie sei nicht Teil des Chapter 11-Verfahrens. „Das Bauvorhaben bei Heide ist und bleibt ein strategischer Grundpfeiler von Northvolt“, heißt es in der Mitteilung.
Northvolt Germany liegt derzeit mit dem Vorhaben seiner Zellfabrik in bei Heide laut eigener Aussage im gemeinsam mit Bundes- und Landesregierung festgelegten Zeitplan. Northvolt Germany sei sich seiner Verantwortung für die bereitgestellten Fördermittel bewusst. Es seien bisher keine Fördermittel in Anspruch genommen worden und Northvolt Germany werde, solange die Restrukturierung der Muttergesellschaft andauert, auch weiterhin keine Mittel abrufen.
Vor dem Hintergrund der Restrukturierung und des aktuellen Marktumfeldes plant Northvolt in der zweiten Jahreshälfte 2027 mit der ersten Zellmontage am Standort bei Heide zu beginnen und im Anschluss den Fabrikhochlauf zu starten, und somit mit mindestens einem halben Jahr Verspätung: Ursprünglich war die erste Zellmontage für Ende 2026 vorgesehen. Die Bauarbeiten bei Heide machen guten Fortschritt und laufen weiter, so das Unternehmen. Northvolt habe die Bundes- und Landesregierung über alle Entscheidungen unterrichtet und stehe in engem Austausch mit allen Akteuren.
Christofer Haux, CEO Northvolt Germany, kommentierte: „Die europäische Batteriezellindustrie befindet sich insgesamt in einer herausfordernden Lage. Northvolt will dem mit seiner strategischen Neuausrichtung gerecht werden. Wir haben seit dem Sommer zahlreiche Effizienzmaßnahmen umgesetzt, die bereits Wirkung zeigen. Mit dem nun erfolgten Schritt verbessern wir unsere finanzielle Situation und werben neues Kapital ein. In Dithmarschen schreiten die Bauarbeiten derweil weiter voran. Der Standort genießt höchste Priorität.“
In Heide will Northvolt künftig pro Jahr Batteriezellen für bis zu eine Million Elektroautos bauen. In der Fabrik in Schleswig-Holstein sollen 3000 Jobs entstehen. Bund und Land fördern die 4,5 Milliarden Euro teure Batteriefabrik mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen mögliche Garantien über weitere 202 Millionen Euro.
Quelle: Northvolt – Pressemitteilung vom 21.11.2024