US-Präsident Joe Biden plant offenbar, die Einführung strengerer Abgasgrenzwerte zu verlangsamen und den Herstellern mehr Zeit zu geben, den Verkauf von Elektroautos zu steigern. Dies berichtet die New York Times unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Quellen. Dies wäre eine deutliche politische Kursänderung, da die Biden-Regierung bisher ein immenses Tempo vorgelegte, um den Elektromobilitäts-Hochlauf zu beschleunigen.
Die heimischen Autobauer und die Alliance for Automotive Innovation (AAI) haben sich laut Medienberichten aktiv dafür eingesetzt, die geplanten Maßnahmen zur Förderung von Elektroautos zu verlangsamen. Sie argumentieren, dass E-Autos immer noch zu kostspielig für viele US-Verbraucher seien und dass mehr Zeit benötigt werde, um die Ladeinfrastruktur weiterzuentwickeln und zugänglicher zu machen.
Die AAI, eine Handelsgruppe, die General Motors (GM), Ford Motor, Stellantis, Toyota, Volkswagen und andere vertritt, bezeichnete den ursprünglichen Vorschlag der US-Umweltbehörde EPA letztes Jahr laut Reuters als “weder vernünftig noch erreichbar” und drängte darauf, “Anforderungen für 40 bis 50 Prozent (Elektro-, Plug-in-Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge) im Jahr 2030 zu übernehmen.” Die EPA hatte eine Quote von 60 Prozent angesetzt. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 machten Elektroautos in den USA etwa acht Prozent der Verkäufe aus.
AAI-CEO John Bozzella sagte am vergangenen Sonntag, die nächsten Jahre seien entscheidend für den E-Auto-Markt. “Geben Sie dem Markt und den Lieferketten die Chance, aufzuholen, erhalten Sie die Fähigkeit der Kunden, wählen zu können, lassen Sie mehr öffentliche Ladestationen in Betrieb gehen, lassen Sie die industriellen Gutschriften und den Inflation Reduction Act ihre Wirkung entfalten und den industriellen Wandel beeinflussen”.
Auf der anderen Seite fordern Umweltgruppen strengere Vorgaben und einen schnelleren Übergang zu Elektroautos. Sie betonen die Dringlichkeit, den Klimawandel einzudämmen und die Luftverschmutzung zu reduzieren. Sie sehen einen raschen Ausbau der Elektromobilität als notwendig an, um diese Ziele zu erreichen. Dabei warnen sie vor den negativen Auswirkungen bei einer Verlangsamung der Verkehrswende. Einige Hersteller unterstützen diese Idee sogar und drängen darauf, den Anteil von E-Autos an Neuwagenverkäufen zu erhöhen. Tesla etwa fordert anstatt der ursprünglich geplanten 67 Prozent sogar einen noch höheren Marktanteil von 69 Prozent für E-Autos bis 2032 und 100 Prozent bis 2035, heißt es laut Spiegel.
Elektromobilität: Ein wichtiges Wahlkampf-Thema
Die Diskussionen und Debatten kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die USA beim Elektroautoanteil im Vergleich zu anderen Ländern wie China und einigen europäischen Staaten hinterherhinken. Das wirft Fragen auf hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der US-Autoindustrie und der Rolle der USA im globalen Kampf gegen den Klimawandel. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Entscheidung von Präsident Biden, die Verkehrswende zu bremsen, verschiedene politische und wirtschaftliche Gründe hat.
Das Thema ist wichtig für den US-Wahlkampf. Denn auch, wenn die Präsidentschaftswahl in den USA erst am 5. November 2024 stattfindet, ist das Buhlen um Wähler bereits in vollem Gange. Da viele Arbeitsplätze mit dem Autoindustrie verbunden sind, dürften Bidens Pläne erheblichen Einfluss auf den Wahlkampf haben. Insbesondere haben die großen Hersteller Bedenken hinsichtlich der raschen Umstellung auf Elektroautos geäußert und vor potenziellen Arbeitsplatzverlusten gewarnt, da sie das Tempo nur schwer mitgehen könnten. Dieses Thema ist besonders heikel, da es besonders den Bundesstaat Michigan betrifft, der als sogenannter Swing State für den Wahlsieg mit entscheidend ist und eine starke Autoproduktionstradition hat. Zumal sich Bidens Konkurrent Donald Trump laut Spiegel wiederholt abfällig über den “Elektroauto-Irrsinn” geäußert hat.
Es bleibt spannend, wie sich diese Debatte im Rahmen des US-Wahlkampfs entwickelt und welche politischen Entscheidungen letztendlich getroffen werden, um die Ziele sowohl im Bereich der Wirtschaft als auch beim Umweltschutz zu erreichen. Medienberichten zufolge sollen zuletzt Ford und General Motors ihre Produktion von E-Autos wegen schwacher Nachfrage nach teuren Pick-ups gedrosselt haben. Laut Ford dreht sich der Wettbewerb in Zukunft eher um kleinere, günstige Elektroautos. Und die würde das Unternehmen gerade erst entwickeln, berichtet der Spiegel.
Umweltbehörde EPA prüft neuen Entwurf
Der Elektroauto-Markt in den USA hat in den letzten Jahren eine positive Entwicklung erlebt, trotz des stetigen Wachstums bleibt die Verbreitung von E-Autos auf amerikanischen Straßen bisher begrenzt. Im Jahr 2020 betrug der Anteil der neuverkauften E-Autos und leichten Trucks lediglich 1,8 Prozent, während er im vergangenen Jahr auf immerhin 5,6 Prozent stieg. Die Umweltschutzbehörde EPA hatte im April 2023 vorgeschlagen, bis 2032 eine Verringerung der Emissionen neuer Fahrzeuge um 56 Prozent zu fordern. Gemäß des ursprünglichen EPA-Vorschlags sollten die Automobilhersteller darauf abzielen, dass Elektroautos bis 2030 60 Prozent ihrer Neufahrzeugproduktion ausmachen und bis zum Jahr 2032 eine Quote von 67 Prozent erreichen, um strengere Emissionsanforderungen zu erfüllen.
Auch war geplant, dass bis 2032 der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro gefahrener Meile auf 82 Gramm sinken soll – etwa die Hälfte dessen, was ursprünglich bis 2026 geplant war. Diese Reduktion wäre nur machbar gewesen, wenn die Hersteller zunehmend auf Elektroautos umgestellt hätten, da diese die Gesamtemissionen der Flotten senken können. Deshalb hatte die US-Regierung Maßnahmen ergriffen, um den Verkauf von E-Autos zu beschleunigen. Im August 2022 wurde in den USA der “Inflation Reduction Act” (IRA) verabschiedet, der neben Maßnahmen zur Reduzierung der Inflation auch umfangreiche Regelungen zum Klima- und Umweltschutz sowie Steuerreformen und Neuerungen im Gesundheitswesen beinhaltet. Eine bedeutende Maßnahme des IRA war die Einführung einer Kaufprämie für Elektroautos, die in Form einer Steuergutschrift von bis zu 7500 Dollar (circa 6850 Euro) gewährt wird – wir berichteten.
Laut der New York Times plant die EPA nun, Anforderungen von 2030 bis 2032 zu erhöhen, beziehungsweise strengere Regeln zu lockern. Ein Sprecher sagte, der Vorschlag befinde sich noch im Überprüfungsverfahren zwischen den Bundesbehörden. Man beabsichtige, eine Regelung zu finalisieren, die “leicht erreichbar ist, eine Reduzierung gefährlicher Luft- und Klimaverschmutzung sicherstellt und wirtschaftliche Vorteile bietet”. Die neue Geschwindigkeit werde voraussichtlich dazu führen, dass Elektroautos bis 2030 weniger als 60 Prozent aller produzierten Fahrzeuge ausmachen.
Quellen: The New York Times – Biden Administration Is Said to Slow Early Stage of Shift to Electric Cars / Reuters – US to soften tailpipe rules, slow EV transition through 2030 / Manager Magazin – US-Präsident Biden tritt bei Elektroautos auf die Bremse / Spiegel – Biden will Wende zu Elektroautos wohl hinauszögern