Warum der Tesla Cybertruck kaum Chancen in Europa hat

Warum der Tesla Cybertruck kaum Chancen in Europa hat
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Sebastian Henßler
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Der Cybertruck galt lange als eines der ambitioniertesten Projekte von Tesla. Mit seinem kantigen Design, der Edelstahlkarosserie und dem Anspruch, den Pick-up-Markt neu zu definieren, sollte das Modell nicht nur in Nordamerika, sondern perspektivisch auch in anderen Regionen Akzente setzen. Für Europa rückt dieses Szenario nun in weite Ferne. Nach Einschätzung des Tesla-Managements ist ein regulärer Marktstart hierzulande kaum noch realistisch.

Auslöser für diese Neubewertung sind Aussagen von André Thierig, Werksleiter des Tesla-Standorts in Grünheide. Bei einer internen Veranstaltung erklärte er, dass er den Cybertruck nicht in nennenswerter Stückzahl auf europäischen Straßen sehe. Die Aussage markiert einen deutlichen Kontrast zu früheren Ankündigungen aus der Konzernspitze. Noch im Sommer 2020 hatte Tesla-Chef Elon Musk erklärt, eine kleinere Version für Europa sei „höchst wahrscheinlich“. Im Juni 2024 stellte Musk sogar eine mögliche Zulassung ab 2025 in Aussicht.

Cybertruck erfüllt zentrale Anforderungen für europäische Zulassung nicht

Auf einer Betriebsversammlung wurde Thierig konkret nach dem Stand der europäischen Genehmigung gefragt. Seine Antwort fiel ernüchternd aus. Aus den USA gebe es dazu keine belastbaren Signale, zudem sei das Auto von Beginn an konsequent für den nordamerikanischen Markt entwickelt worden. Zentrale Voraussetzungen für eine europäische Homologation erfülle der Cybertruck nicht. Besonders problematisch sei die Karosseriegestaltung mit scharfkantigen Elementen, die mit den hiesigen Sicherheitsanforderungen kollidiere.

Während sich US-Vorschriften stark auf den Schutz der Insassen konzentrieren, legen europäische Regelwerke großen Wert auf die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer. Fußgängerschutz und Deformationszonen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Genau hier stößt das Design des Cybertrucks an Grenzen. Zwar bietet das Modell hohe Reichweiten, eine schnelle Beschleunigung, ausgeprägte Wendigkeit und umfangreiche Assistenzfunktionen, doch diese Eigenschaften reichen nicht aus, um regulatorische Hürden zu überwinden.

Auch die bisherige Marktbilanz fällt deutlich hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Schon der öffentliche Auftritt des Prototyps im Jahr 2019 verlief holprig, als bei einer Demonstration die angeblich kugelsicheren Scheiben zu Bruch gingen. Der angekündigte Produktionsstart für 2021 konnte nicht eingehalten werden. In der Zwischenzeit brachten Wettbewerber ihre Elektro-Pick-ups früher auf die Straße. Das Start-up Rivian lieferte Ende 2021 erste Modelle aus, während Ford mit dem elektrischen F-150 Lightning schnell hohe Verkaufszahlen erzielte.

Ambitionierte Produktionsziele treffen auf ernüchternde Verkaufszahlen

Tesla setzte dennoch ambitionierte Ziele. Musk sprach im Herbst 2023 von über einer Million Vorbestellungen und stellte eine Jahresproduktion von 250.000 Einheiten in Aussicht. Die Realität entwickelte sich anders. Im Jahr 2024 verkaufte Tesla rund 39.000 Cybertrucks. Zwar bedeutete dies zeitweise die Marktführerschaft im Segment, doch bereits im vierten Quartal sank der Absatz deutlich. Technische Probleme verschärften die Lage. Sieben Rückrufaktionen innerhalb kurzer Zeit belasteten das Vertrauen zusätzlich.

2025 setzte sich der Abwärtstrend fort. Marktbeobachter berichten von weniger als 6000 verkauften Autos im dritten Quartal, was einem starken Rückgang gegenüber dem Vorjahr entspricht. Insgesamt dürfte Tesla im laufenden Jahr unter 20.000 Einheiten absetzen und damit die eigenen Produktionsziele klar verfehlen. In den Geschäftsberichten weist der Konzern den Cybertruck inzwischen nicht mehr separat aus, sondern führt ihn unter „sonstige Fahrzeuge“.

Zusätzliche Aufmerksamkeit erregten Berichte des US-Fachmagazins Electrek. Demnach sollen zahlreiche Cybertrucks an andere Unternehmen von Musk geliefert worden sein, darunter SpaceX und das KI-Unternehmen xAI. Offizielle Angaben zu Umfang oder Konditionen machte Tesla nicht. Im November verließ zudem Projektleiter Siddhant Awasthi das Unternehmen, der die Entwicklung über Jahre begleitet hatte.

Musk selbst wies wiederholt darauf hin, dass es aus seiner Sicht kein Nachfrageproblem gebe. Im Juni 2024 sagte er, der Cybertruck ziehe weltweit Aufmerksamkeit auf sich und würde überall genügend Interessenten finden. Für Europa bleibt davon nach aktueller Einschätzung lediglich ein symbolischer Rest. In Grünheide verwies Thierig auf ein einzelnes Exemplar mit deutschem Kennzeichen, das nach Umbauten eine Sondergenehmigung erhalten habe. Eine breitere Einführung hält er jedoch für unwahrscheinlich.

Quelle: Handelsblatt – Warum der Tesla Cybertruck in Europa einen schweren Stand hat

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Sebastian Henßler

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Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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