Tödliche Unfälle mit Tesla Autopilot nehmen rapide zu

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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17 Tote, 736 Unfälle: Das ist die traurige Schadensbilanz von Teslas Autopilot der vergangenen vier Jahre allein in den USA. Das Fahrerassistenzsystem sei somit an weit mehr Unfällen beteiligt als zuvor vermutet, wie die Washington Post unter Berufung auf eine Analyse der Daten der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) berichtet. Die Daten spiegeln die Gefahren wider, die mit dem zunehmenden Einsatz von Teslas Fahrerassistenztechnologie sowie der wachsenden Präsenz der Autos auf den Straßen verbunden sind.

Die Zahl der Todesfälle und schweren Verletzungen im Zusammenhang mit Autopilot sei ebenfalls zuletzt deutlich gestiegen, wie die Daten zeigen. Als die US-Behörde NHTSA im Juni 2022 zum ersten Mal eine Auswertung von Unfällen mit Autopilot veröffentlichte, zählte sie nur drei Todesfälle, die eindeutig mit der Technologie zusammenhingen. Die neuesten Daten umfassen mindestens 17 tödliche Vorfälle, davon allein elf seit Mai 2022.

Tesla-Chef Elon Musk hatte versprochen, dass Autos, die im Autopilot-Modus betrieben werden, sicherer sein sollen als diejenigen, die ausschließlich von menschlichen Fahrern gesteuert werden. Er zitierte Unfallraten, wenn die Fahrmodi verglichen werden, um seine Aussage zu untermauern. Während es unmöglich ist zu beurteilen, wie viele Unfälle tatsächlich verhindert wurden, zeigen die Daten klare Mängel in der Technologie. Auffällig sei, dass die Zahl der Unfälle zuletzt stark gestiegen ist. Laut Experten, so die Washington Post, hänge dies mit der Ausweitung des Nutzerkreises sowie dem zwischenzeitlichen Verzicht auf Radar-Sensoren zusammen.

Tesla und Elon Musk reagierten bislang nicht auf eine Bitte der US-Zeitung um eine Stellungnahme. Die NHTSA teilte mit, dass ein Bericht über einen Unfall unter Beteiligung der Tesla-Fahrerassistenz nicht zwingend impliziert, dass die Technologie auch die Ursache war. Eine NHTSA-Sprecherin verweist zudem darauf, dass „alle fortschrittlichen Fahrerassistenzsysteme erfordern, dass der menschliche Fahrer die Kontrolle hat und sich jederzeit voll und ganz seiner Fahraufgabe widmet. Dementsprechend machen alle staatlichen Gesetze den menschlichen Fahrer für den Betrieb ihrer Fahrzeuge verantwortlich“ – und somit auch für die Unfälle.

Die ehemalige leitende Sicherheitsberaterin der NHTSA, Missy Cummings, Professorin am College of Engineering and Computing der George Mason University, findet die Zunahme der Tesla-Unfälle beunruhigend. Vor allem die Zahl der Todesfälle in Relation zu den Gesamtunfällen sei ein Problem. Unklar sei auch, ob die Daten auch jeden Unfall erfassen, an dem Teslas Fahrerassistenzsysteme beteiligt waren. Die Daten der NHTSA umfassen einige Vorfälle, bei denen nicht bekannt ist, ob Autopilot oder Full Self-Driving im Einsatz waren. Dazu gehören drei Todesfälle.

Die NHTSA, die oberste US-Behörde für die Sicherheit im Straßenverkehr, begann mit der Erfassung der Daten, nachdem eine Verordnung im Jahr 2021 die Autohersteller dazu verpflichtet hatte, Unfälle mit Fahrerassistenztechnologie offenzulegen. Die Gesamtzahl der Unfälle mit der Technologie ist im Vergleich zu allen Verkehrsvorfällen sehr gering. Die NHTSA schätzt, dass in den USA im vergangenen Jahr mehr als 40.000 Menschen bei Unfällen aller Art ums Leben kamen.

Brisant aber ist, dass seit der Einführung der Berichtsanforderungen die überwiegende Mehrheit der 807 Unfälle im Zusammenhang mit autonomen Fahrfunktionen auf Teslas Konto gehen: 736 Unfälle waren es. Subaru folgt mit nur 23 gemeldeten Unfällen seit 2019 auf dem zweiten Platz. Die enorme Kluft spiegelt aber auch die deutlich höhere Verbreitung von Tesla-Fahrzeugen wider. Der deutliche Anstieg der Unfälle falle außerdem mit Teslas breiter Einführung von Full Self-Driving in den USA zusammen, das sich in etwas mehr als einem Jahr von etwa 12.000 Nutzern auf fast 400.000 erhöht hat. Fast zwei Drittel aller Unfälle mit der Fahrerassistenz, die Tesla der NHTSA gemeldet hat, ereigneten sich im vergangenen Jahr.

Häufung von Unfällen ein „Grund zur Sorge“

Philip Koopman, ein Professor der Carnegie Mellon University, der seit 25 Jahren Forschung zur Sicherheit autonomer Fahrzeuge durchführt, sagte, dass die Prävalenz von Tesla in den Daten entscheidende Fragen aufwirft und „Grund zur Sorge“ sei. Unklar sei aber, inwiefern andere Faktoren eine Rolle spielen, etwa im Vergleich zu anderen Herstellern eine deutlich höhere Zahl an gefahrener Strecke, die mit eingeschaltetem Autopilot zurückgelegt wurde.

Dass die automatisierten Fahrfunktionen von Tesla noch nicht ausgereift sind, scheint indes außer Frage. Erst im Februar musste Tesla in den USA einen Rückruf von mehr als 360.000 Fahrzeugen mit Full Self-Driving starten. Der Grund waren Bedenken, dass die Software Probleme damit hatte, Ampeln, Stoppschilder, Fahrzeugspuren und Geschwindigkeitsbegrenzungen korrekt zu erkennen.

Die Probleme rund um den Autopilot werden uns wohl noch eine ganze Weile beschäftigen: Die NHTSA hat mehrere Untersuchungen zu Teslas Unfällen und anderen Auffälligkeiten mit der Fahrerassistenzsoftware eröffnet. Eine davon konzentriere sich auf Phantombremsungen, ein Phänomen, bei dem Fahrzeuge abrupt für imaginäre Gefahren bremsen.

Zum Verhängnis könnte Tesla und Elon Musk werden, dass die Probleme mit dem Autopilot intern schon lange bekannt und wohl ignoriert worden sein sollen, wie erst vor wenigen Wochen eine Auswertung interner Tesla-Dokumente des Handelsblatts aufgezeigt hatte.

Quelle: Washington Post – 17 fatalities, 736 crashes: The shocking toll of Tesla’s Autopilot

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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