Großen Illusionen gibt sich Gürcan Karakas nicht hin: „Weder Deutschland noch die Welt braucht einen weiteren Hersteller von E-Autos“, sagt der Chef des türkischen Herstellers Togg im Gespräch mit Elektroauto-News.net. Die Strategie müsse daher sein, sich voll und ganz auf die Bedürfnisse moderner Kunden zu konzentrieren. Und da sei es nun mal entscheidend, dass der Fahrer nicht von E-Mails abgeschnitten ist und dem Beifahrer nach 20 Minuten nicht langweilig wird.
Der Schlüssel heiße Consumer Electronics, glaubt Karakas. Nur eben auf Rädern. Heißt für ihn unterm Strich: „Ich möchte im Auto dasselbe machen können wie zuhause oder im Büro.“ Dazu brauche es eben einen riesigen Bildschirm mit eigener Kontrolle, ständige Vernetzung und hohe Rechenleistung. Auch er selbst, der gelernte Ingenieur und frühere Bosch-Manager, habe da umdenken müssen.
Traditionelle Autobauer hätten sehr, sehr lange gute Produkte entwickelt, sich aber eben zu wenig an den Wandel und die geänderten Wünsche angepasst. Die Pyramide klassischer Technologien mit ihren Hierarchien sei nicht mehr zeitgemäß, findet Karakas. Entscheidungen müssten heutzutage blitzschnell fallen – in kleinen Gruppen mit hoher Expertise. Da sei ein kleines, junges Unternehmen wie Togg gegenüber den etablierten Konzernen klar im Vorteil.
Bestehende Verbrenner-Modelle an E-Mobilität und Vernetzung anzupassen, bringe eben nicht die beste Lösung. Klüger sei es, mit einem weißen Blatt und einer kompletten Neukonstruktion anzufangen, findet Karakas. Von zentraler Bedeutung seien IT-Struktur und Prozessoren. Spätestens 2033, so seine Prognose, würden sich klassische Technik und digitale Ausstattung beim Wert eines Autos die Waage halten.
Großes Potenzial sieht der aus Antalya stammende Togg-Chef für sein Geburtsland. Die Türkei sei im Grunde deutlich untermotorisiert, aktuell aber immerhin schon Nummer acht der stärksten E-Auto-Märkte Europas. Dass man dort Autos mit hoher Qualität bauen könne, habe das Land mit 85 Prozent Export längst unter Beweis gestellt. Renault, Toyota oder Fiat ließen schließlich nicht ohne Grund am Bosporus fertigen. Eine eigene Marke könne da durchaus Erfolg haben. Den sanften Druck von Staatspräsident Erdogan sieht Karakas dabei sehr gelassen. Staatliche Unterstützung für die heimische Industrie sei doch etwas völlig Normales.
Ob die Pläne für das noch junge Unternehmen auch wirtschaftlich aufgehen, werde sich zeigen. „Wir sind sicherlich wettbewerbsfähiger als die Europäer“, glaubt Karakas, „womöglich aber nicht so stark wie die Chinesen.“ Am Ende werde es bei Togg sein wie überall. „Unternehmen machen Kosten – die Preise machen die Märkte.“