Mit dem Nissan Townstar EV Kombi hat ein besonders praktisches Elektroauto für zwei Wochen zum Test vorbeigeschaut. Der Familien-Van bietet trotz seiner als L1 eher kompakten und durchaus noch stadttauglichen Länge von 4,49 Metern einiges an Stauraum – vor allem begünstigt durch die bis ganz nach hinten durchgezogene Höhe von knapp 1,84 Metern. Wem das nicht reicht, der bekommt mit dem L2 eine dann 4,91 Meter lange Version des Fahrzeuges, die auch eine dritte Sitzreihe und somit insgesamt sieben Sitze ermöglicht.
Familien-Vans in der typischen Kastenform sehen sich allesamt von außen ziemlich ähnlich, doch spätestens beim Blick in den Innenraum wird klar, dass der Townstar einen mehr als engen Verwandten hat: den Renault Kangoo. Das Fahrzeug entstammt einer Kooperation innerhalb der Allianz, und anders als beim ebenfalls technisch verwandten Mercedes eCitan werden auch innen weitestgehend die selben Teile und das selbe Infotainment verwendet, wie man es auch von Renault kennt.
Angetrieben wird der Townstar Kombi von einem 90 kW (122 PS) starken Elektromotor an der Vorderachse, der 245 Newtonmeter maximales Drehmoment ermöglicht und den Elektro-Van bis auf maximal 132 Stundenkilometer vorantreibt. Für den “Sprint” von 0 bis 100 Stundenkilometer benötigt der Nissan gemächliche 12,6 Sekunden. Fahrspaß und Emotionen sind nun mal nicht sein Metier, dafür bringt er andere Tugenden mit sich.
Folgende Dinge sind uns im Testzeitraum besonders aufgefallen:
Die Pluspunkte des Nissan Townstar EV Kombi
Die Geräumigkeit: Auch in der kurzen L1-Variante bietet der Townstar dank seiner Höhe reichlich Stauraum. Der ohnehin ordentlich große Kofferraum lässt sich durch Umlegen der Rückbank sowie des Beifahrersitzes auf bis zu 1730 Liter Kofferraumvolumen ausbauen. Ein Manko gibt es dabei in der Elektro-Version: Anders als bei der Verbrenner-Variante bleibt aufgrund des darunter verbauten Akkus eine recht hohe Kante zwischen Kofferraum und zusätzlicher Ladefläche bei umgeklappter Rückbank. Die maximale Ladungslänge beträgt gut 2,70 Meter, allerdings nur auf Höhe des dann umgeklappten Beifahrersitzes.
Je nach Variante sind bis zu knapp 500 Kilo Zuladung möglich, womit das Gesamtgewicht auf gut 2,4 Tonnen steigt. Die gebremste Anhängelast beträgt 1,5 Tonnen, das Dach darf mit bis zu 80 Kilo beladen werden. Und einen Unterschied zum Renault Kangoo gibt es bei der Heckklappe: Diese öffnet im Nissan als komplett nach hinten aufschwingende Klappe, während im Renault eine 2:1 geteilte Tür vorzufinden ist. Die Seitentüren sind indes Schiebetüren, womit Türrempler an benachbarten Fahrzeugen oder Mauern beim Ein- und Ausstieg hinten ausgeschlossen sind.
Zudem gibt es im Innenraum reichlich Möglichkeiten, Dinge zu verstauen – zum Beispiel oberhalb des Lenkrads in der Armatur sowie über den Vordersitzen unter dem Dachhimmel. Der Sitzkomfort vorne ist in Ordnung und liegt irgendwo zwischen Kompaktfahrzeug und Lieferwagen. Hinten ist für zwei nicht zu große Menschen genug Platz, auf der Rückbank halten es auch drei Kinder mal eine Zeit lang nebeneinander aus.
Das Ladeverhalten: Eine große Stärke des vollelektrischen Townstar ist – wie bei seinen Brüdern von Renault – das serienmäßig vorhandene dreiphasige AC-Laden mit 22 kW Ladeleistung. Im Alltag ist das Gold wert, denn ein nahezu leerer Akku ist an normalen Ladesäulen in nur zwei Stunden wieder voll. Wer also auf seinen täglichen Wegen regelmäßig laden kann – zum Beispiel beim Einkaufen oder beim Sport –, der kommt auch ohne eigene Lademöglichkeit gut klar, ohne jemals groß auf das ladende Fahrzeug warten zu müssen. Und immer wieder praktisch: Der Townstar ist ein Nasenlader, die Buchse befindet sich vorne mittig unter dem Logo, wie man es eben auch von Renault kennt.
Anders sieht das freilich auf weiteren Strecken aus. Maximal 80 kW Ladeleistung sollen möglich sein, wir nahmen in der Spitze gut 70 kW wahr, die sich bis 80 Prozent Ladestand langsam an die besagten 22 kW AC-Ladeleistung annäherten. Die Ladezeit von 10 bis 80 Prozent beträgt bei guten Bedingungen etwa 40 Minuten, im Schnitt werden dann gut 50 kW Ladeleistung erreicht. Das ist nicht berauschend viel, aber angesichts des doch recht kleinen Akkus mit 45 kWh akzeptabel.
Die Konzentration aufs Wesentliche: Der Nissan Townstar ist ein Purist, der sich vor allem auf Alltagstauglichkeit konzentriert und ohne viel Chichi daherkommt. Klar, das Interieur mag ein wenig billig wirken, das Infotainment mitunter etwas aus der Zeit gefallen. Doch alles, was verbaut ist, erledigt seine Arbeit ordentlich und zumindest während unseres Tests ohne Murren. Das steht dem Fahrzeug gut zu Gesicht, schließlich wird er im Alltag wohl vor allem von Familien mit Kindern benutzt und mitunter mit reichlich Zeug beladen, wo man ungern mit edlen Sitzen und viel Gedöns im Wagen unterwegs ist.
Der Einparkassistent: Ein besonders lobenswerter Assistent ist – neben dem vor allem bei Beladung bis unters Dach wertvollem Totwinkelassistenten – der Einparkassistent. Aktiviert wird er per Knopfdruck unter dem Mitteldisplay, und auch wenn er auf der ebenfalls puristischen Anzeige im ersten Moment keinen übermäßig vertrauenserweckenden Eindruck hinterlässt, macht er seine Arbeit sehr ordentlich. Selbst in enge Parklücken steuert er das Fahrzeug souverän hinein und gibt dem Fahrer mit einem Verlaufsbalken eine gute Rückmeldung darüber, was er vorhat. Einmal standen wir für unseren Geschmack eine Spur zu weit weg vom Bordstein, ansonsten war die gefundene Parkposition aber stets tadellos. Vor allem für die L2-Variante könnte das im Stadtverkehr eine sehr wertvolle Hilfe sein.
Die Minuspunkte des Nissan Townstar EV Kombi
Die Reisetauglichkeit: So Alltagstauglich das Fahrzeug auch ist, eine beliebte Option für den Urlaub wird der Townstar sicher nicht. Dafür ist der Akku mit seinen 45 kWh einfach zu klein. Etwas mehr als 200 Kilometer auf der Autobahn (Testverbrauch bei maximal 115 Stundenkilometern: 18 kWh) sind drin, ehe man dann doch langsam wieder eine Ladestation aufsuchen muss. Kann mit Kindern an Bord in Sachen Pausen passen, doch ob die jedes Mal 45 Minuten und mehr warten wollen, ehe es weiter geht? Da ist Italien plötzlich doch ganz schön weit weg.
Das Fahrverhalten: Der Townstar ist am Ende ein Kastenwagen mit eher moderatem Komfort, was die Lage auf der Straße angeht. Einiges im Wagen klappert beim Fahren, die Leistung des Motors ist für ein Elektroauto ebenfalls sehr überschaubar, zumal bei 132 Stundenkilometern sowieso Schluss ist. Das kennen wir von anderen Modellen aus dem Hause Nissan freilich besser. Fahrspaß kommt da keiner auf, doch dafür ist der Familien-Van als nüchterner Praktiker auch nicht gedacht. Nichtsdestotrotz ermöglichen die Assistenzsysteme auch auf der Autobahn stressfreies Reisen.
Das Infotainment: Sowohl die Tachoanzeige, die an Uralt-Spielekonsolen erinnert, als auch das kleine 8-Zoll-Display in der Mitte wirken inzwischen doch ein gutes Stück zeitlich entrückt. Die Navigation ist in Ordnung, in Sachen Ladeplanung sind die Informationen aber nicht allzu zuverlässig. So wurden uns mehrfach vermeintlich freie Ladesäulen angeboten, die entweder besetzt oder auch mal defekt waren. Andere intakte Ladesäulen kannte das System aber nicht, obwohl dort sogar mit der Mobilize-Ladekarte, die Renault und Nissan seinen Kunden anbietet, der Ladevorgang gestartet werden konnte.
Fazit
Das Fazit fällt wenig überraschend so aus wie seinerzeit beim getesteten Renault Kangoo (der allerdings ohne DC-Lademöglichkeit daherkam):
In Summe ist der Nissan Townstar EV Kombi ein sehr praktisches Fahrzeug für den Alltag und vor allem für Familien interessant. Und anders als seine merkwürdigen e-Power-Geschwister ist er ein echtes Elektroauto – und keines, das man dennoch mit Benzin betanken muss. Auch er ist mit Preisen ab knapp 40.000 Euro ein gutes Stück teurer als sein Verbrenner-Pendant, wer jedoch zuhause oder am Arbeitsplatz günstig laden kann, hat diese Mehrkosten schnell ausgeglichen. Der getestete Townstar mit Ausstattungslinie N-Connecta und Schnellladeanschluss kostet mit der roten Metallic-Lackierung 46.370 Euro.
Wem der Townstar dann doch etwas zu nüchtern und praxisbetont sein sollte, findet bei den Japanern mit dem Nissan Ariya noch eine vollelketrische Alternative, auch das E-SUV konnten wir uns bereits näher ansehen.
Und für die Fahrt in den Urlaub mietet man sich einfach mal für zwei, drei Wochen ein Elektroauto mit großem Akku und hoher Schnellladefähigkeit, wie wärs?
Transparenz-Hinweis: Das Fahrzeug wurde uns von Nissan für zwei Wochen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Dies beeinflusst nicht unsere hier dargelegte Meinung.