Bei meiner Besichtigung im Nissan-Werk Sunderland, wo seit Anfang der Woche der neue Nissan Leaf vom Band rollt, kam unmittelbar eine der wohl wichtigsten Fragen auf: Woher stammen denn eigentlich die Akkus für die dritte Generation der japanischen Elektro-Ikone? Die Antwort liegt überraschend nah – also sprichwörtlich nur ein paar Gehminuten entfernt. Dort befindet sich nämlich die nagelneue Gigafactory von AESC, wo unter anderem die Batterien für den Leaf entwickelt und produziert werden – und wir dürfen einen Blick hinter die Tore werfen.
AESC zählt zu den weltweit führenden Batteriespezialisten und hat seinen Hauptsitz in Japan. Das Unternehmen konzentriert sich auf die komplette Wertschöpfungskette moderner Energiespeicher, von Forschung und Entwicklung über Design und Produktion bis hin zum Vertrieb von Antriebsbatterien für Elektrofahrzeuge sowie Lösungen für stationäre Energiespeicherung. Weltweit beschäftigt AESC derzeit mehr als 7000 Mitarbeiter und betreibt 13 Fertigungsstandorte in Japan, den USA, Großbritannien, Frankreich, Spanien und China. In den vergangenen 13 Jahren hat AESC Batterien in insgesamt 59 Länder für über 950.000 Elektrofahrzeuge ausgeliefert.
Trotz dieser Größenordnung kann das Unternehmen eine lupenreine Sicherheitsbilanz vorweisen, gut eine Million Akkupakete ohne einen einzigen kritischen Zwischenfall. Der Grund dahinter: der hohe Sicherheitsstandard, der alle Tätigkeiten von AESC prägt.
Area A: Qualitätssicherung als erster Filter
Der erste Halt unserer kompakten Werksbesichtigung führt uns daher in die sogenannte Area A, den Bereich der Qualitätssicherung. Hier werden Zellen, Komponenten und Prozesse ausgiebig geprüft, bevor sie in die weiteren Produktionsstufen übergehen. In diesem Abschnitt sind noch vergleichsweise viele Fotoaufnahmen erlaubt. Je weiter wir uns in Richtung der eigentlichen Kernfertigung bewegen, desto strenger werden die Vorgaben. Da wird einem erst so richtig klar, wie sensibel die dort eingesetzten Technologien und Abläufe sind und wie groß damit der Schutzbedarf des eigenen Know-hows ausfällt.

Ein Chemiker zeigt uns seine täglichen Arbeitsschritte in der Area A und erklärt, welche zentrale Rolle besonders das Feuchtigkeitsmanagement in der Zellfertigung spielt. Bereits minimale Abweichungen können gravierende Folgen haben: Eine Differenz von nur einem ppm kann die Zellchemie massiv beeinträchtigen und spürbare Auswirkungen auf Leistung, Alterung und Sicherheit einer Batterie haben. Deshalb gelten in den Trockenräumen extrem strenge Vorgaben, die kontinuierliche Überwachung gehört zu den kritischsten Prozessschritten überhaupt. Aber auch für die Mitarbeitenden können gewisse Prüfprozesse potenzielle Gefahren bergen.

Besonders sensible Analysen finden daher in speziellen Glovebox-Systemen statt. Dort herrscht eine kontrollierte Argon-Atmosphäre, in der Sauerstoff und Feuchtigkeit durch mehrstufige Evakuierungs- und Spülzyklen nahezu vollständig entfernt werden. Diese Umgebung ist essenziell für den sicheren Umgang mit luft- oder feuchtigkeitsempfindlichen Proben.
Area B: Zellformation als Grundlage der Modulproduktion
Nach der Qualitätssicherung folgt die Area B – ein Ort, der im Übrigen stark nach verbranntem Plastik stinkt – wo die sogenannte Formation der Batteriezellen stattfindet. In diesem Prozess werden die Zellen erstmals elektrisch aktiviert und konditioniert, ein entscheidender Schritt für ihre spätere Leistungsfähigkeit, Lebensdauer und Sicherheit. Erst nach erfolgreicher Formation werden die Zellen für die Weiterverarbeitung freigegeben.

Sowohl in Area A als auch Area B gilt: Kleinste Fehler führen unmittelbar zum Einstampfen des Materials. „Wenn wir hier einen Fehler machen“, erklärt der Mitarbeiter, „dann sorgt dieser Fehler noch monatelang für große Probleme in der gesamten Wertschöpfungskette. Wir haben eine makellose Weste und die können wir nur beibehalten, indem wir extrem konservativ an das Thema Qualitätssicherung herangehen.“
Area C: Hochautomatisierte Modulmontage mit autonomen Helferlein
Auf dem Weg in die nächste Abteilung fallen mir kleine autonome Fahrzeuge auf, die sich an uns vorbeischlängeln. Genauer gesagt seien es 52 fahrerlose Transportsysteme, sagt mir ein Mitarbeiter. Diese bewegen sämtliche Komponenten selbstständig zwischen den Stationen. Unterstützt werden die AESC-Angestellten außerdem durch 29 Industrieroboter, fünf robotergestützte Laser-Schweißanlagen sowie automatisierte Klebeanlagen mit insgesamt sieben Dosierköpfen.

In Area C beginnt jetzt also die eigentliche Modulmontage. Hier werden die formierten Zellen zu Modulen zusammengefügt, ein Prozess, der nahezu vollständig automatisiert abläuft. Je nach Modultyp kommen unterschiedliche Zellkonfigurationen zum Einsatz: Die größeren B7-L-Module bestehen aus jeweils 42 prismatischen Zellen, während die kompakteren B7-S-Module aus 22 Zellen aufgebaut sind. Insgesamt sind 59 Einzelkomponenten erforderlich, um ein einziges Batteriemodul zu fertigen. Trotz dieses hohen Komplexitätsgrads konnte der Prozess stark standardisiert werden.
Manuelle Eingriffe beschränken sich im Wesentlichen auf gezielte Sichtprüfungen und Qualitätskontrollen, diese fallen aber umso akribischer aus: Ein ausgiebig geschulter Mitarbeiter begutachtet jedes einzelne Modul, um Anomalien sofort zu erfassen und die Ursache des Fehlers möglichst schnell identifizieren zu können. Hier kommt das Manufacturing Execution System (MES) ins Spiel: Es sorgt für eine durchgängige Rückverfolgbarkeit aller Produktionsschritte. Pro Modul werden 528 einzelne Datenpunkte erfasst, hochgerechnet mehr als 11.000 Datensätze pro Stunde. Damit lässt sich jedes Modul im Detail nachverfolgen, von der einzelnen Zelle bis hin zum Batteriepack.
Area D: Vom Modul zum kompletten Batteriepack
Wir gehen schließlich über in die Area D – Fotos sind hier nicht mehr erlaubt. Im letzten Teil des Werks werden die einzelnen Module zu kompletten Batteriepaketen zusammengefügt. Ein sogenanntes B7-Pack besteht aus insgesamt fünf Modulen, vier B7-L-Modulen und einem kleineren B7-S-Modul. Die Batteriepacks werden anschließend an die Kunden ausgeliefert – beispielsweise an Nissan, um den Bogen zur Einleitung zu schließen. Die Jahreskapazität der AESC-Fabrik liegt anfangs bei knapp 16 GWh und soll dann schrittweise gesteigert werden.

Während wir draußen über Reichweiten, Ladegeschwindigkeiten und Zyklenfestigkeit diskutieren, steckt im Hintergrund eine hochpräzise datengetriebene Industrie, die genau diese Fortschritte überhaupt erst möglich macht. Die AESC-Gigafactory in Sunderland ist dafür ein Paradebeispiel und ein essenzieller Baustein für den Erfolg der dritten Leaf-Generation.
Besonders spannend finde ich den Ansatz „between man and machine“: AESC setzt zwar konsequent auf menschliche Prozesskontrolle und Rückverfolgbarkeit, aber hat es dennoch geschafft, möglichst viele Schritte zu automatisieren. So soll eine ideale Balance zwischen menschlichem Know-how und KI-basierter robotischer Unterstützung entstehen. Vom ersten Qualitätsscreening über die Zellformation und Modulmontage bis hin zum fertigen Batteriepack folgt jeder Schritt einem klar definierten, streng überwachten Ablauf, eine zentrale Voraussetzung für Sicherheit, Skalierbarkeit und die Elektromobilität der nächsten Generation.
Elektromobilität entsteht eben nicht nur am Fließband, sondern vor allem in den trostlosen Reinräumen, Datenströmen und Prüfstationen, die man selten zu Gesicht bekommt. Umso spannender, dass wir hinter die Kulissen schauen durften.







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