Das britische Sunderland stand sehr lange Zeit vor allem für drei Dinge: Schiffe, Kohle und Bier. Doch irgendwann ergriff der wirtschaftliche Niedergang die Hafenstadt im Nordosten der Insel: Die letzte Werft schloss 1988, das letzte Bergwerk sechs Jahre später – und bald darauf machte auch die Brauerei dicht. Stattdessen kam das Auto. Mitte der 1980er rollte im nahgelegenen Washington der erste Nissan Bluebird vom Band, mittlerweile spuckt das riesige Werk Qashqais und Jukes aus. Alle zwei Minuten einen, rund um die Uhr.
Ein wenig umbauen mussten sie in den vergangenen Monaten, weil der Bestseller Qashqai ab sofort geliftet vorfährt. Dreieckiger Frontgrill in geschuppter Struktur, 20-Zoll-Räder, Zweifarb-Lackierung, dazu Retuschen am Heck und an den LED-Leuchten. Wer wollte auch schon einen Wagen groß verändern, dessen Anhängerschar seit 2007 in mehr als 100 Ländern längst die Vier-Millionen-Marke überschritten hat?
Geblieben ist das Antriebskonzept e-Power, das trotz sprachlichen Kunstgriffes kein wirklich elektrisches ist. Dabei zählt Nissan mit dem Leaf zu den Pionieren der E-Mobilität in Deutschland, die Allianz mit Renault sorgt für weitere Expertise – der Scenic E-Tech Electric ist immerhin zum „Car of the Year 2024“ gekürt worden. Dennoch wollten die Japaner dem Strom-aufwärts-Trend nicht wirklich neuen Schwung verleihen. Man biete die Vorteile eines Elektroautos unabhängig von Lademöglichkeiten, heißt es bei Nissan – die optimale Technologie auf dem Weg zur vollständigen Elektromobilität.
Und so bewegt sich der neue Qashqai zwar vordergründig rein elektrisch, auch ein klassisches Getriebe sucht man vergebens – allerdings findet sich unter der Haube eben doch noch ein 1,5-Liter-Benziner mit 158 PS. Der Dreizylinder mit variabler Verdichtung arbeitet ähnlich einem Notstromaggregat mit meist konstanter Drehzahl und speist den 140 kW (190 PS) starken E-Motor sowie die 1,8-kWh-Pufferbatterie. Nicht einmal unter hoher Last schließt sich eine Verbindung von der Kurbelwelle zu den Rädern. Anders ausgedrückt: Der Qashqai fährt mit Strom, lädt aber mit Sprit.
Unterm Strich steht ein offizieller Verbrauch von 5,2 Litern auf 100 Kilometer, mit bis zu 120 Gramm CO₂ bleibt da nur das Label D. Dennoch: Gut 120.000 Kundinnen und Kunden haben sich für diese Art des Fortkommens bereits erwärmen können, Ende 2026 sollen es nach internen Prognosen schon weit mehr als eine halbe Million sein. Und das, obwohl man für den Einstieg wohl deutlich über 40.000 Euro wird kalkulieren müssen. Zu offiziellen Preisen hält sich Nissan noch bedeckt.
Im Hinblick auf Sicherheit und Assistenz wird der neue Qashqai auf der Höhe der Zeit sein. Wegführung und Unterhaltung lassen sich über einen neun Zoll großen Monitor steuern, im Cockpit selbst findet sich ein Bildschirm mit 12,3 Zoll. Pfiffig ist eine Sehhilfe der besonderen Art: Aus Informationen von vier Kameras bastelt die Elektronik nicht nur ein Sichtfeld mit 200 Grad, sondern auch eine Art „gläserne“ Motorhaube, die den virtuellen Blick direkt auf die Räder ermöglicht. Da verliert selbst der kantigste Bordstein seinen Schrecken.
Für die nahe Zukunft werden sie in Sunderland allerdings noch weiter ordentlich umbauen müssen. Neben den dann vollelektrischen Versionen der beiden Crossover-Modelle Qashqai und Juke wird auch die dritte Generation des Leaf hier produziert werden, heißt es bei Nissan. Bis 2030 sollen schließlich dann doch alle neuen Modelle in Europa zu 100 Prozent elektrisch sein.
Dieser Plan macht das britische Werk obendrein zum Standort für das Nissan-Vorzeigeprojekt „EV36Zero“. Ein Konzept für die künftige emissionsfreie Fertigung von Elektroautos samt Batterien – versorgt durch erneuerbare Energien. Zehn Windräder drehen sich in Sunderland heute schon über einem Meer aus Solarpaneelen. Es soll von beidem deutlich mehr werden.