Jan Toschka, Chef des Tankstellengeschäfts von Shell in der DACH-Region und in dieser Funktion auch mit dem bereits begonnenen Ladesäulen-Ausbau des Mineralölkonzerns beschäftigt, sprach mit dem Branchendienst Electrive unter anderem darüber, was die Tankstelle der Zukunft neben Ladesäulen alles bieten sollte, warum er lieber Ladepunkte aufbaut statt Wasserstoff-Zapfanlagen und wie das Unternehmen nach geeigneten Standorten für den Aufbau von Ladeinfrastruktur sucht.
Gut ein Dutzend Schnellladesäulen hat Shell an seinen Tankstellen bislang selbst installiert, hinzu kommen 50 weitere zusammen mit dem Energieversorger EnBW als Partner. Eigentlich wollte Shell selbst ebenfalls mindestens 50 Säulen bis Jahresende installiert haben, doch dies habe sich aus mehreren Gründen stark verzögert. Zum einen sei der Aufbau von Ladeinfrastruktur ein „sehr komplexes“ Thema, da „jeder Netzbetreiber eigene Spezifikationen“ habe, die erfüllt werden müssen. Zudem dauern Genehmigungsverfahren länger als gedacht, so Toschka. Erschwerend hinzu kommen Lieferprobleme bei der Hardware, da viele Komponenten derzeit europaweit gefragt und nicht in den erforderlichen Stückzahlen erhältlich seien.
Hinzu komme, dass Shell auch einiges an Knowhow erst intern aufbauen müsse. Um das Team dafür ausbauen zu können, brauche das Unternehmen „dringend mehr gute Leute“. Bei der Auswahl geeigneter und attraktiver Standorte für den Aufbau von Ladesäulen achte Shell auf mehrere Parameter, „etwa das Verkehrsaufkommen, Verkehrsknotenpunkte, Bewegungsströme, Pendlerrouten“, so Toschka. Auch die „lokale Marktdurchdringung von Elektroautos“ werde berücksichtigt.
„Das Angebot muss verfügbar sein, wenn der Kunde es braucht“
Shells Ziel sei es, einzelne, geeignete Standorte zu größeren Mobilitäts-Hubs mit mehreren Ladepunkten auszubauen, wie die viel zitierte „Tankstelle der Zukunft“ gerne genannt wird. Bereits unter den ersten Standorten hätten „einige das Potenzial, dass wir dort zwei oder sogar vier Ladesäulen bauen und erfolgreich betreiben werden“, so Toschka. Der überspannende Gedanke hinter dieser Strategie sei, dass Shell „an Orten mit hoher Nachfrage dem Kunden vorab die Sorge“ nehmen wolle, „wo er sein künftiges Elektroauto laden kann“. Shell wolle „zeigen, dass hier bereits die zweite oder dritte Schnellladesäule steht, an der er regelmäßig vorbeifährt. Das Angebot muss verfügbar sein, wenn der Kunde es braucht“, sagt Toschka. Außerdem wolle das Unternehmen so Wartezeiten an den Ladesäulen vermeiden.
Erst danach wolle Shell auch flächendeckender ausbauen und „plakativ gesprochen: irgendwo auf dem platten Land eine Ladesäule bauen“, so der Manager. Neben der eigentlichen Strom-Zapfsäule will Shell auch weitere Angebote machen, damit die Kunden die Wartezeit während des Ladens möglichst komfortabel nutzen können, etwa mit Getränken, Sandwiches und Snacks aus dem Shop, ebenso wie Sitzecken. „Wir müssen eine gewisse Gemütlichkeit herstellen“, erklärt Toschka. Zwar werde Shell es „wohl kaum erreichen, den Charakter einer Flughafen-Lounge zu erreichen“. Andererseits sei aber auch „klar“, dass der Lade-Aufenthalt an einer Tankstelle „nicht zu einem ungemütlichen Erlebnis werden darf“. Wichtig seien zum Beispiel auch „saubere und gut zugängliche Waschräume“ oder die Möglichkeit, Geld abzuheben. „Und für diejenigen, die lieber im Auto bleiben, haben wir Wifi“, wirbt Toschka fürs Laden an Tankstellen.
Shell habe erkannt, „dass wir nicht nur eine Lademöglichkeit bieten müssen, sondern ein vernünftiges Erlebnis“, sagt Toschka. Das Zusatz-Angebot müsse „überzeugen, wir brauchen also nicht nur ein Wifi, sondern ein schnelles Wifi. Und hochwertige Getränke und Speisen.“
„Es ist nicht sinnvoll Wasserstoff an 1000 Stationen anzubieten“
An gut 40 Shell-Standorten können auch Brennstoffzellen-Autos betankt werden, an Wasserstoff-Säulen, die im Zuge des Joint Ventures H2 Mobility aufgebaut wurden. Der technische Aufwand für deren Errichtung und Betrieb allerdings sei „enorm“ und „die paar Hundert Fahrzeuge in Deutschland stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu den Investitionen“, so Toschka. Es sei deshalb auch nicht sinnvoll, Wasserstoff „an 1000 Stationen anzubieten“, sagt der Shell-Manager, oder mit enormem Energieaufwand synthetische Kraftstoffe herzustellen. Es sei nicht wirklich nachhaltig, „am Ende durch die verschiedenen Umwandlungsschritte nur noch zehn Prozent der eingesetzten Primärenergie für den Antrieb“ verwenden zu können. „Wir gewinnen keinen Preis damit, Lösungen anzubieten, die wirtschaftlich keinen Sinn ergeben oder von der Umweltkomponente nicht wirklich anwendbar sind“, erklärt er.
Generell sehe Shell zwar „das Potenzial für synthetische Kraftstoffe, es kommt aber auf die Anwendung an“, so Toschka. Am sinnvollsten seien E-Fuels in Bereichen wie dem Schwerlastverkehr, bei Schiffen und Flugzeugen. „Dort werden wir lange auf flüssige Kraftstoffe angewiesen sein“, sagt er. Generell arbeite Shell „auf eine Mobilität hin, die keine fossilen Energien enthält“, sagt Toschka. Der Mineralölkonzern wolle in Zukunft Produkte bereitstellen, „die sich zusehends von unserem heutigen rohöldominierten Angebot unterscheiden und mehr und mehr zu regenerativen Lösungen wandeln werden.“
Quelle: Electrive – Shell-Manager: „Wir wollen keine Wartezeiten an Ladesäulen“